Der grosse, offenbare Tag

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[86]DIE KIRCHE  hat dort gestanden, wo Sie sie gesucht haben und wo Ihre Karten sie verzeichnet haben mögen, das alles ist richtig, begann er seine Geschichte. Sie stand ungewöhnlich dicht am Fluss, weniger als einen Steinwurf vom Wasser entfernt, und wenn wir das Fest der Wasserweihe hielten und der Bittgang zum Wasser stattfinden sollte, musste ich mir immer einen kleinen Umweg ausdenken, damit - obwohl das Wasser vor der Pforte lag - eine rechte Prozession daraus würde, ein Weg bis zur Weihe, verstehen Sie? Ach ja... Er lachte leise auf eine gutmütig-spitzbübische Art vor sich hin, die bei ihm neben dem häufigen Gebrauch von Stellen aus der Heiligen Schrift so wohltat.

Aber das war nicht immer so, das ist nicht immer so gewesen. Unsere Kirche war eine der ältesten im ganzen Bistum, sie wurde von frommen Vätern des Klosters Olonez erbaut, denen auch das Klosterleben zu laut geworden war, und die sich tiefer in die Einöde zurückzogen, das mag wohl vier - oder fünfhundert Jahre her sein. Und damals floss der Fluss noch nicht so dicht neben dem Heiligtum. Nach allem, was uns die Ältesten und deren Väter und Vorväter erzählt haben, muss er eine gute Strecke entfernt geflossen sein, und nur der gewaltsame Eisgang während der Frühlingsschmelze hat sein Bett allmählich geändert.

Sie haben wohl nie erlebt, wenn es Frühling bei uns wird... Doch?... Nun, so wissen Sie, nur ein ganz schweres Gewitter hat ähnliche Gewalt. Die schweren Wetter aber dauern Stunden, und wenn es Frühling bei uns wird, dauert es Tage und Wochen. Aber glauben Sie mir, es hat Jahre gegeben, da wir mit dem Herzschlag im Halse auf das Brüllen aus den Wäldern und vom See her lauschten, auf das Dröhnen und Donnern - erst unter dem Eis - dann auf den schmetternden Schlag, wenn irgendwo die Eisdecke barst, und dann - mochten Regen und Sturm dazukommen und die Schmelze beschleunigen - auf ein Stöhnen und Brechen und Schlagen, als läge ein Untier im Sterben und wehrte sich vor dem Ende noch mit allen vier Pranken. Solche Gewalten haben den Lauf des Wassers geändert und ihn mit der Zeit immer näher an die Kirche herangeführt, was uns in der Zeit des Eisgangs, wenn sich vor der Mündung leicht eine Barriere bildete und den ganzen Oberlauf mit seinem Treibeis staute, schon oftmals Sorgen bereitet hatte. Denn die rasselnden, wie flache, graue, riesenhafte Larven vorwärts kriechenden Schollen mit ihrem gezahnten Buckel waren häufig bis dicht an die [87] Kirche gekrochen. Gott aber war immer gnädig gewesen. Er hatte unser Heiligtum verschont. - Oh! schön ist es gewesen, mein Herr! Ehrwürdig in seinem Alter, so klein es war. Gesegnet durch den frommen Sinn derer, die es erbaut, Stamm um Stamm dazu gefällt, behauen, Balken um Balken gefügt, es ausgekleidet, ausgemalt hatten - ach! der fromme, andächtige Sinn hatte beinahe nicht genug Wände gehabt, sich in die Geschichte des Heils und der Heiligen zu vertiefen. Einem jeden der frommen Väter waren wohl die Augen übergegangen von all dem, was er schaute, und ein jeder hatte mit Pinsel und Farbe erzählen wollen. Und dabei sahen wir doch das meiste gar nicht; denn die Fenster baute man in jenen Zeiten viel kleiner als heute, es war halbdunkel im Innern unseres Tempels, man ging von der Pforte auch drei Stufen hinab, so stark hatte der Bau sich gesetzt. Hier war in Balken und Brettern die ganze Schöpfungsgeschichte Himmels und der Erden eingeschlossen, und alle Geschichte des Menschengeschlechts. Man musste nur lange und innig genug in der Dämmerung verweilen, dann - ach ja! dann konnte einem ein Licht aufgehen, heller, als es die Augen ertragen können, mein Lieber. Außen war sie so grau und schmucklos wie alle Häuser aus Balken, unsere Kirche. Wir besaßen immer noch nicht mehr Glocken in dem kleinen Turm mit der schindelblättrigen Zwiebel, als die frommen Väter einmal gespendet bekommen hatten - denn Sie wissen, die Bauern bei uns sind nicht reich -, einige dreipudige, einige weniger schwere; aber so lebendig wie das Geläut in den großen Wäldern schallte, so ewig lebensvoll blieben die dunkel glühenden Bilder an unserem Ikonostas.

Das letzte hohe Fest, das wir darin begingen, war das Fest der Himmelfahrt Christi. Damals war noch Winter, ich erinnere mich gut. Denn bevor ich das Troparion am Vorabend der Himmelfahrt sprach: "Es stehe Gott auf, daß seine Feinde zerstreut werden; wie der Rauch auseinandergetrieben wird, so treiben sie auseinander...", da schändeten etliche junge Burschen vom Sägewerk, die zu den "kämpfenden Gottlosen" gehörten, das Heiligtum, indem sie, bevor die Gläubigen sich's recht versahen, auf einer kleinen Bahre, die sie verfertigt, einen Schneemann hereintrugen, den sie sehr grob als Priester ausstaffiert hatten, natürlich auch mit einer Flasche Schnaps als Sakramentswein, und stellten diesen Schneemann stumm grinsend mitten vor die Königliche Pforte...

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