Forschungsbibliothek Suttner

Ernst Christoph Suttner, emeritierter Professor für Patrologie und Ostkirchenkunde der Universität Wien, hat dem Institut für Ökumenische Studien seine umfangreiche Forschungsbibliothek geschenkt. Die Bücher stellen zugleich ein Zeitzeugnis für die politischen Umbrüche in Europa dar, da er aus erster Hand die Entwicklungen der Ostkirchen der Ostkirchen nach 1989 erlebte und begleitete.

Prof. Suttner beschreibt seine Bibliothek wie folgt:

 

Meine Bibliothek

Schon in den 1950er Jahren, als der „Eiserne Vorhang“ Europa scharf trennte und Bücher aus Russland im Westen kaum zu bekommen waren, begann ich in Rom als Student, Russisch zu lernen und mich intensiv für die Kirche und die Kulturgeschichte Russlands zu interessieren. Auch begann ich aufzukaufen, was antiquarisch oder an (recht wenigen) Neueditionen zu bekommen war.

1962 unternahm ich an der Universität Würzburg eine Dis­sertation zu Aleksej Stepanovi? Chomjakov. Ich hatte mich entschieden mit der Theologie- und Geistesgeschichte Russlands zu befassen. Wieder begann eine intensive Suche nach einschlägiger Literatur, und langsam wuchs auch mein eigener Bibliotheksbestand.

Meine Untersuchungen für die Habilitationsarbeit in den Jahren 1968-73, die ich ebenfalls an der Universität Würzburg erstellte, bezogen sich auf die nachreformatorischen kulturellen und kirchengeschichtlichen Entwicklungen im östlichen Mitteleuropa, und ich hatte es erneut außer mit viel griechischem Kultureinfluss intensiv mit kirchenslawischen und russischen Einflüssen zu tun. Europa war immer noch geteilt und Bibliotheksbesuche in den Ländern, denen mein Interesse galt, waren nur schwer durchzuführen. So wurde es abermals notwendig, meinen eigenen Bücherbestand auszubauen, denn der Bestand der Würzburger Universitätsbibliothek reichte für meine Arbeiten nicht aus.

Im Herbst 1975 berief man mich an die Universität Wien auf die Lahrkanzel für Patrologie und Ostkirchenkunde und zum Leiter des Instituts für Theologie und Geschichte des christlichen Ostens.

Für die Zeit vor dem 1. Weltkrieg waren in Wien die Bibliotheken hinsichtlich meines Aufgabengebiets gut bestückt, nicht jedoch für das 20. Jahrhundert, weil nach 1918 das klein gewordene Österreich nicht mehr in der Lage war, den früheren Standard der Donaumonarchie beizubehalten, und was die jüngere Zeit anbelangt, so war die scharfe Grenze innerhalb Europas zwar bereits „durchlässiger“ geworden, aber immer noch nicht gefallen. Zudem sollte sich die Arbeit an meinem Institut über Europa hinaus auch auf die kaukasischen Länder, auf die arabische Christenheit, auf die Überlieferungen der so genannten syrischen Kirchen, auf Äthiopien und auf die Thomas-Christen Indiens beziehen. Die Notwendigkeit zu weiterem Kauf von Literatur war also gegeben.

Neue Möglichkeiten zum Ausbau meiner Bücherei ergaben sich, als in den 90er Jahren die leidige scharfe innereuropäische Grenze nicht mehr bestand und man in Ost- und Südosteuropa neuerdings freie Studien zur Theologie und Kulturgeschichte unternehmen konnte. Die persönlichen Kontakte dorthin, die mir im Lauf der Jahrzehnte zuwuchsen, brachte es mit sich, dass von dort viele neue Publikationen vor allem aus Russland, aus Rumänien und aus der Ukraine zu mir fanden – solche, die bereits einen beachtlichen wissenschaftlichen Standard erlangt hatten, und solche die bezeugen, dass man sich nach dem Ende der Diktatur um einen solchen wieder bemüht. Was sich ansammelte in meinen Bücherregalen, ist etwas wie ein „Zeitzeugnis“ für die jüngsten zwei oder drei Jahrzehnte.

Mein privater Bücherbestand, dessen Fokus zunächst auf Russland gerichtet war, hat also eine beachtliche Auffächerung erfahren, und ich lege Wert darauf, dass er einem Institut zugute kommt, wo man ihn verwenden kann. Daher habe ich ihn der Universität Fribourg vermacht.

Wien, den 19. Juli 2011

Ernst Christoph Suttner