Der grosse, offenbare Tag

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22

Er tat es geschickt, glaube ich - ich sah nur, wie er sich von hinten her an das Tier heran schlich.

[109] Wir wanderten noch mehr als eine gute Stunde weiter, bis der erste Stern am Himmel erschien. Und als wir uns gerade auf einer Scholle befanden, von der wir meinten, sie könne uns noch ein paar Wochen tragen, schlugen wir unser Nachtlager auf. Und hier erst, gestehe ich, dachte ich zum ersten Mal an die Unsrigen daheim.

Wir breiteten Pelze und Decken aus, stülpten die Boote um, daß wir im Windschutz sitzen und liegen konnten, zündeten ein sparsames kleines Feuer an und wärmten uns; aßen und tranken etwas von dem, was wir mitgenommen, Makari rauchte. Darüber wurde es dunkel. Mit der Dunkelheit schien der Wind strenger und kälter zu wehen, und der Atem unter dem gewaltigen Panzer, auf dem wir nächtigten, schien tiefer und voller zu gehen. Davon knisterte und knarrte das Schuppenhemd der Schollen; Glied mahlte an Glied und erzeugte ein betäubendes, einförmiges Geräusch, in dem die ganze Stille zu schwingen schien, ja, ohne das es sie gar nicht geben mochte. Über uns flackerten die Sterne mit grünlichem Feuer.

Wir saßen still da, Makari war die Zigarette zwischen den Lippen erloschen. Als ich einmal aufstand, schreckte er zusammen und fragte verwirrt, was es gebe. Da erst merkte er, daß er geschlafen hatte.

Es wird Zeit für uns, sagte ich.

Ja, murmelte er. Dann stand er auf und ging rund um unser Lager, stopfte hier ein Bündel Papier in eine Ritze und zog dort die Pelze dichter zusammen - mehr aufs Geratewohl, als nach einem Plan, denn es war schon so dunkel, daß er kaum etwas sah.

Dann setzte er sich auf sein Boot. Er schien vor sich hinzustarren und schwieg. Zündete noch eine Zigarette an, warf sie aber bald wieder weg. Eine Weile senkte er den Kopf, als lauschte er auf die Atemzüge des Sees. Dann wieder blickte er sich wie furchtsam nach allen Seiten hin um.

Wie tief ist der See, Vater? fragte er mit einem Mal.

Nun, ich denke, einige hundert Meter, antwortete ich.

Und wie dick ist das Eis, Vater?

Wir haben es ja gesehen, drei Meter vielleicht.

Er schwieg geraume Zeit. Ich spürte seine Angst bis zu mir.

Und wie hoch ist... wie hoch ist... wie hoch war unser Kirchturm?

[110]Acht oder zehn Meter, glaube ich.

Lange Zeit herrschte Schweigen. - Und da ist er nicht gesprungen! murmelte er dann.

Wieder hörte und sah ich ihn lange Zeit nicht, und wieder fragte er dann, wie die Nacht selbst: Vater, können Sünden vergeben werden?

Ich ließ ihn eine Weile warten, Jeder von uns stand für sich, dem anderen mehr zu ahnen als zu erkennen.

Weißt du denn, was Sünden sind, Makari?

Ja, ich glaube wohl, meinte er zögernd.

Dann bist du also doch ein halber Christ gewesen, sagte ich.

Ich? Nein, ich glaube nicht, ach nein...

Nun wohl, ein Kind des Alten Bundes. Du wusstest, daß du sündigst und dich damit von Gott abkehrst, denn ohne Gott gäbe es keine Sünde. Aber du kannst ein Christ werden im Glauben an den Neuen Bund und den, der ihn geschlossen hat. Und um seines Kreuzes und seiner Auferstehung und seiner Herrlichkeit zur Rechten des Vaters, des Allmächtigen Willen, können deine Sünden dir vergeben werden.

Dann vergeben Sie mir meine Sünden!

Nein. Nicht ich. Gott - durch mich. Aber sag mir, ob du bereust!

Ja..., murmelte es im Dunkeln.

Komm her zu mir!

Er kam.

Sage mir, ob du von ganzem Herzen bereust, von ganzer Seele, ob du um Vergebung bittest im Namen Jesu Christi, zu dessen Anbetern, als dem Sohne Gottes des Allmächtigen, du von ganzem Herzen gehören willst, als ein treues Kind unserer rechtgläubigen Kirche! Sprich!

Ja, Vater! sagte er. Und ich sprach ihn los und bekreuzigte ihn.

Dann legten wir uns schlafen.

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