Seminar: Leben ohne Warum. Meister Eckhart - Theologe, Philosoph, Prediger
Verantwortlich: Prof. Dr. Barbara Hallensleben, in Zusammenarbeit mit Dario Colombo, Dipl.ass.
Mittwoch, 13h30 - 15h00 * Raum MIS 3013 * (BA und) MA * 4 CP (je nach Studienleistung)
Beschreibung: Meister Eckhart wird in der Regel der „Deutschen Mystik“ zugeordnet, zu der auch Gestalten wie Johannes Tauler, Heinrich Seuse, Hildegard von Bingen und Margareta Ebner zählen. Doch Meister Eckhart (* um 1260) gehört nicht einfach zu einer Schule oder Denkrichtung, obwohl er als Dominikaner klar in der Tradition von Albertus und Thomas von Aquin steht. Sein Werk eignet sich, um eine denkende, glaubende und unermüdlich um Gott und die eigene Wahrheit ringende Seele auf dem Weg ihrer Suche zu begleiten. Nur in der Abgeschiedenheit des Seelengrundes dringt der Mensch in das dunkle Licht der Gottheit vor. Die theologische und philosophische Reflexion wird von Meister Eckhart in aller Präzision beherrscht. Doch er führt sie immer wieder an ihre Grenze und über ihre Grenze hinaus: als Prediger für Menschen ohne theologische Bildung, als sprachbegabter Mystiker im Zeugnis für das Unsagbare. So sind die Anklagen und Verurteilungen, denen er gegen Ende seines Lebens unterliegt, kein Widerspruch zu seiner Treue zur kirchlichen Lehre. Eher fordert er die Kirche damals wie heute heraus, sich über den Status ihrer Gottesrede neu klarzuwerden.
Literatur: Meister Eckhart, Werke, 2 Bände, hg. und kommentiert von Niklaus Largier, Frankfurt a.M. 1993; Kurt Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 21989; Kurt Flasch, Meister Eckhart. Philosoph des Christentums, München 2010.
Folgende beide Werke liegen gescannt vor und können auf Bitten der Teilnehmenden zur Verfügung gestellt werden (Die Dateien sind zu groß zum Upload):
- Kurt Flasch, Meister Eckhart. Philosoph des Christentums, München 32011
- Kurt Ruh, Meister Eckhart - Theologe, Prediger, Mystiker, München 21989
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20. Dezember 2023:
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13. Dezember 2023:
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6. Dezember 2023: Expositio Sancti Evangelii secundum Iohannem
Auslegung des heiligen Evangeliums nach Johannes
(Quellenangabe: Meister Eckhart, Werke, Band II: Predigten - Traktate. Text und Kommentar, hg. von Nikolaus Largier, Stuttgart 22022).
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29. November 2023: Prologus in opus tripartitum - Teil 2
Zusammenfassung des "Prologus Generalis"
Konstitution "In agro dominico", 27. März 1329 (Verurteilung einiger Sätze von Meister Eckhart)
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22. November 2023: Prologus generalis in Opus tripartitum - Teil 1
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bis 22. November: Lektüreaufgaben
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25. Oktober 2023: Einführung in: Meister Eckhart, Prologus generalis in opus tripartitum
Prologus generalis in opus tripartitum
Themen der Seminarsitzung:
* restliche Präsentationen zu den "Reden der Unterweisung"
Einführung in das "Opus tripartitum" von Kurt Flasch
Einführung in das "Opus tripartitum" von Niklaus Largier
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18. Oktober 2023: "Reden der Unterweisung" - Präsentation nach gewählten Textabschnitten
Aufgabe: Wählen Sie aus dem Traktat 2 ("Reden der Unterweisung") einen Abschnitt aus, den Sie bei der nächsten Seminarsitzung knapp vorstellen (am besten mit Hinweis auf die wichtigsten Zitate).
Text des Traktats 2: "Reden der Unterweisung"
Einführung von P. Guido Vergauwen
Bilanz zur Frage: Ist Eckhart ein "Mystiker"? In welchem Verhältnis steht "Mystik" zur "Theologie"?
- Von "Mystik" spricht man in der Regel, wenn Glaubensaussagen mit subjektiven inneren Erfahrungen verbunden sind.
- Die Definition von "Mystik" muss sich zwischen zwei Extremen situieren: 1) Mystik liegt dann vor, wenn außerordentliche Phänomene wie Stigmen, Levitationen, Visionen etc. vorkommen, die nicht zum Glaubensleben aller Christen gehören. 2) Mystik bezeichnet das christliche Leben als solches, insofern es im "Mysterium" des dreieinen Gottes, der in der Gegenwart des auferstandenen Christus durch Gottes Geist unter uns gelebt wird.
- Eckhart ist ein "Mystiker" im zweiten Sinne. Er spricht nicht nur für eine elitäre Schar von Ordensleuten mit einer besonderen Berufung, sondern im Prinzip zu allen Glaubenden. Seine Theologie ist "Mystagogie", d.h. Einführung in das Leben im "Mysterium" Gottes.
- "Theologie" fügt zur Mystik das Bemühen um nüchterne, möglichst präzise Begriffe hinzu, ohne sich grundsätzlich von ihr zu distanzieren. Im Gegenteil: Theologie im vollen Sinne gründet in der Mystik als Grunddimension christlichen Lebens. Im Bereich der Orthodoxie ist Mystik einfach "wahre, gute Theologie". Eine Theologie, die die Mystik als "Spiritualität" ausscheidet, ist in Gefahr, zu einem rein rationalen Denksystem zu werden. Dann sind Eckharts Aussagen nicht länger verständlich und nicht mehr theologisch produktiv. Allerdings muss sich auch eine Mystik, die die Theologie von sich ausscheidet, die Anfrage gefallen lassen, ob sie nicht in der Versuchung subjektiver Schwärmerei endet.
Exemplarische Analyse des "Zweifelns" bei Eckhart:
Textbezug: Reden der Unterweisung, 15. Von zweierlei Gewissheit des ewigen Lebens, S. 379, Zeilen 4-12: "... das beruht darauf, dass der Mensch aus Liebe und vertraulichem Umgang, den er mit seinem Gott hat, ihm so völlig vertraut und seiner so sicher ist, dass er nicht zweifeln könne, und er dadurch so sicher wird, weil er ihn unterschiedslos in allen Kreaturen liebt. Und widersagten ihm alle Kreaturen und sagten sich unter Eidschwur von ihm los, ja, versagte sich ihm Gott selber, er würde nicht misstrauen, denn die Liebe kann nicht misstrauen, sie erwartet vertrauend nur Gutes"
1. Der methodische Zweifel (à la Descartes): Angesichts unserer Endlichkeit dürfen, müssen und können wir an allen unseren Aussagen zweifeln, weil sie immer nur endliche Stellungnahmen zu einer "Wahrheit" sind, die jede einzelne Stellungnahme übersteigt.
2. Dieser methodische Zweifel kann auch in Bezug auf Glaubenswahrheiten in ihrer endlichen Form von theologischer Reflexion, allgemeiner: von Glaubenssätzen vorkommen. In diesem Falle kann die Unruhe zur Suche nach besseren Erklärungen und Deutungen führen, begleitet von der Bereitschaft, "zu glauben, was die Kirche glaubt" ("Köhler-Glaube").
3. Erstreckt sich die Unruhe, die Verunsicherung, der Zweifel auf Gott selbst, ist darauf zu achten, dass meine subjektive Befindlichkeit, die angemessen als "Zweifel" umschrieben werden kann, mich nicht in meiner Subjektivität einschließt. Meine "Zweifel" sind zu unterscheiden von meinem Glauben, der durch unbedingtes Vertrauen in Liebe (gewirkt durch Gottes Gnade) gekennzeichnet ist. Dieser Zweifel gehört zu den Gegenständen, die ich in der "Abgeschiedenheit" oder "Gelassenheit" auf Gott hin suspendiere. Zwischenmenschliche Vergleiche führen zu Annäherungen: Wenn ich mich mit einem Freund verabrede, der zur festgesetzten Zeit nicht da ist, werde ich unruhig - aber ich werde eher denken, dass ihm etwas dazwischengekommen ist als dass ich ihm gleichgültig geworden bin, ja vielleicht werde ich mir am Ende mehr Sorgen machen um ihn als mich mit mir und meinen Zweifeln befassen ...
4. Der Umgang mit dem Zweifel unter 3. kann nicht als individuelles, rein subjektives Geschehen gedeutet werden, sonst mündet er am Ende in die Selbstvergewisserung, also wieder in den Mangel an Abgeschiedenheit. Die entscheidende Antwort auf den Zweifel in Bezug auf Gott selbst ist die glaubende Gemeinschaft der Kirche, in die ich mich vertrauensvoll hineinstelle. Wenn Eckhart über "Abgeschiedenheit" und "Zweifel" spricht, geschieht dies im Miteinander einer glaubenden und suchenden Gemeinschaft ("Reden der Unterweisung"). So bleibe ich in der Bewegung der Selbstüberschreitung, in der Gott je neu in Suchen und Finden, Tragen und Getragenwerden, gegenwärtig werden kann.
Mitlaufende kritische Frage: Unsere Deutung geht davon aus, dass Eckhart trotz oder wegen seiner Konzentration auf Gott die konkrete Lebenswelt der Menschen als "Welt in Gott" stets einbezieht und dorthin zurückführt? Stimmt das wirklich oder lesen wir es hinein? Benennt Eckhart hinreichend die Prozesshaftigkeit geschichtlichen Lebens?
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11. Oktober 2023: Von "Gott und die Welt" zu "die Welt in Gott". Arbeit an der Hermeneutik des Denkens von Meister Eckhart
Aufgabe: Suchen Sie sich einen markanten Satz aus den Texten von Meister Eckhart und zeigen Sie, wie er - je nach Interpretation - verschieden ausgelegt werden kann.
(Sie dürfen sogar wagen, den "hermeneutischen Schlüssel" für die Lektüre von Meister Eckhart auf Ihre Weise zu formulieren ...).
Weiterhin schließen wir in dieser Seminarsitzung die Präsentation der Abschnitte aus Traktat 3 ab und wenden uns dann Traktat 2, den "Reden der Unterweisung", zu:
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4. Oktober 2023: Vorstellung von Abschnitten des Traktates 3 "Von Abgeschiedenheit"
Meister Eckhart (oder die in seinem Geist und seiner Nachfolge Schreibenden) setzt die "Abgeschiedenheit" in diesem Traktat in Beziehung zu anderen Schlüsselelementen christlichen Lebens: Liebe, Barmherzigkeit, Gebet, ...
Stellen Sie den Ihnen zugewiesenen Abschnitt anhand markanter Zitate und eigener Deutungen und Fragen vor.
- 27. September 2023: Traktat 3: "Von Abgeschiedenheit"
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20. September 2023: Einführung: Gründe, Meister Eckhart heute zu lesen ... Erste Leseerfahrungen
Meister Eckhart: Zeittafeln und Literaturhinweise
Erste Lektüreerfahrung: Abschnitt 6 aus den "Reden der Unterweisung":
"Von der Abgeschiedenheit und vom Besitzen Gottes"
Kontextualisierung: "Das sind die Reden, die der Vikar von Thüringen, der Prior von Erfurt, Bruder Eckhart, Predigerordens, mit solchen [geistlichen] Kindern geführt hat, die ihn zu diesen Reden nach vielem fragten, als sie zu abendlichen Lehrgesprächen beieinander saßen" (S. 335 der zitierten Ausgabe).