Theologie der Ökumene - Westkirchen (FS 2022)
Verantwortlich: Prof. Barbara Hallensleben
Montag, 13h30–15h00 (7 x 2h) * Raum 3016 * BA – 1 oder 1,5 CP (je nach Studienprogramm)
Beschreibung: In Westeuropa bezeichnet das Wort „Ökumene” in erster Linie das Verhältnis zwischen der katholischen und der reformatorischen Ausprägung des Christseins, wie sie aus der Kirchenspaltung des 16. Jahrhunderts hervorgegangen sind. Doch hier handelt es sich eigentlich um eine „Familienstreitigkeit“ innerhalb der westkirchlich-lateinischen Tradition. Die Vorlesung öffnet den Blick dafür, dass die Christenheit vielgestaltiger ist. Der weiter gefasste ökumenische Dialog, der auch die altorientalischen und die orthodoxen Kirchen, die anglikanische Communio und die evangelikale und freikirchliche Welt einbezieht, bringt ungeahnte Aspekte im christlichen Zeugnis ans Licht und kann helfen, festgefahrene Debatten neu lebendig werden zu lassen. Zugleich fragt die Vorlesung nach den Kriterien, wie eine berechtigte und wünschenswerte Vielfalt des kirchlichen Zeugnisses von Spaltungen zu unterscheiden ist, die dem Gemeinschaft stiftenden Geist Jesu Christi widersprechen.
Studienziele: die Begriffe „Ökumene“ und „Katholizität“ theologisch bestimmen können; die Geschichte der Spaltungen und Entfremdungen und die Suche nach einem gemeinsamen Zeugnis für Einheit des Leibes Christi, insbesondere in der westkirchlichen Tradition, in ihren Grundzügen kennen; die ekklesiologische Grundfrage westkirchlicher Ökumene theologisch benennen sowie ihre Konsequenzen für die Ökumenische Bewegung durchdenken können.
Literatur: Handbuch der Ökumenik, hg. von Hans Jörg Urban / Harald Wagner, 3 Bde, Paderborn 1985 / 1986 / 1987; Dokumente wachsender Übereinstimmung. Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene, 4 Bde (I: 1931–1982; II: 1982–1990; III: 1990–2001: IV: 2001–2010, V: 2011-2019: 21991/1992/2003/2012/2021; Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus (25. März 1993) (= Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 110), Bonn 1993; Kleine Konfessionskunde, hg. vom Johann-Adam-Möhler-Institut, Paderborn 1996; Peter Neuner, Ökumenische Theologie. Die Suche nach der Einheit der christlichen Kirchen, Darmstadt 1997; Friederike Nüssel / Dorothea Sattler, Einführung in die ökumenische Theologie, Darmstadt 2008.
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Gemeinsame Evaluation in Form von "Fallstudien": Datum nach Vereinbarung
Aufgabe zur Vorbereitung auf diese Vorlesung:
1) Wählen Sie eine Frage zur Gemeinschaft der Christen verschiedener christlicher Tradition in den Sakramenten aus Ihrem Erfahrungsbereich aus.
2) Versuchen Sie, anhand des "Direktoriums zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus" (25. März 1993) herauszufinden, wie man vom katholischen Standpunkt aus diese Situation beurteilen müsste. Sie finden den Text(auszug) unter dem 24. Februar.
3) Formulieren Sie (knapp schriftlich) einen theologische begründeten Lösungsversuch aus Ihrer Perspektive. (Sie dürfen dabei vom Direktorium abweichen - bitte begründet).
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9. Mai 2022: Das Ziel, die Ziele und Wege der Ökumene – ein Ausblick
Artikel "Das Eine, Einheit" (Historisches Wörterbuch der Philosophie, Anfang)
Thesen zur Einheit der Kirche von Karl Rahner und Heinrich Fries
Das Vorlesungsmaterial wurde nur kurz vorgestellt, weil die Vorlesung überwiegend der Gesamtevaluation des Kurses gewidmet war. Deshalb wurde das Material unverändert aus dem FS 2021 übernommen. Es soll zeigen, dass die Frage nach der Einheit nicht nur eine "ökumenische" Frage ist, sondern auch die Grundfrage der Philosophie und eine zentrale Frage der Politik.
- "Vorlesungsmaterial" gibt einen Überblick über die verschiedenen Dimensionen der Debatte über Einheit und Vielheit.
- Die erste Seite des Artikels aus dem "Historischen Wörterbuch der Philosophie" zeigt die philosophische Grundfrage auf: Vielheit ist überhaupt nur unter Bezug auf ein Verständnis der Einheit aussagbar.
- 1985 haben die katholischen Theologen Karl Rahner und Heinrich Fries einen "Plan" vorgelegt, wie in der ökumenischen Bewegung eine Gestalt kirchlicher Einheit konkret aussehen könnte. Der Auszug gibt die zusammenfassenden Thesen wieder. Der Text hat viel Aufmerksamkeit gefunden, ist aber bezüglich der kirchlichen Einheit folgenlos geblieben.
Ich lade Sie ein, die Dokumente als Reflexionshilfe für den Abschluss der Vorlesung zu lesen. Eine zusätzliche "Hausaufgabe" ist damit nicht verbunden.
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25. April 2022: Kleine Geschichte der Ökumenischen Bewegung – Öffnung der Horizonte auf andere christliche Traditionen
Diagramm zur Geschichte der Ökumenischen Bewegung seit etwa 1900 ...
Selbstdarstellung der Geschichte des Weltrates der Kirchen auf dessen Webseite ...
Toronto-Erklärung der Weltrates der Kirchen von 1950
Aktuelle Verfassung und Satzung des Weltrates der Kirchen (geändert 2018)
Homepage des Weltrates der Kirchen
Fragen zur Bearbeitung:- Wie stellt der Weltrat der Kirchen seine ekklesiologische Bedeutung dar - angesichts der Tatsache, dass er die Einheit der Kirche(n) fördern will, selbst aber keine Kirche ist und sein will?
- Weshalb ist die Katholische Kirche nicht Mitglied im Weltkirchenrat?
- Schauen Sie die Unterseite mit den "Mitgliedskirchen" an und öffnen Sie die Darstellungen von einigen Kirchen, von denen Sie noch nie gehört haben ...
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11. April 2022: Gastvorlesung von Herrn Dr. Gottfried Locher, ehemaliger Präsident des SEK/der EKS
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21. März 2022: Jean Calvins Profil als Reformator / Die neue Verfassung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes
Ein wenig geschichtlicher Hintergrund: Johannes Calvin und die Reformation in Genf, aus: Erwin Iserloh, Geschichte und Theologie der Reformation im Grundriss, Paderborn 21982, 138-148.
Johannes Calvin - eine Einführung
Calvins Werke online (einschließlich der "Institutio")
Frage zur Bearbeitung: Was ist charakteristisch für Calvin als Reformator? Was unterscheidet ihn nach Ihren Kenntnissen von Martin Luther? Welches Anliegen finden Sie in Calvins Schriften besonders betont?
Die neue Verfassung der "Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz" (EKS; seit 1. Januar 2020 - bislang "Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund", SEK)
Frage zur Bearbeitung: Woran lässt sich besonders gut erkennen, dass die EKS aus einem "Kirchenbund" zur "Kirche" im Singular übergegangen ist? In welchem Verhältnis steht das "spezifisch Reformierte" zum "verbindend Christlichen"? (Beachten Sie vor allem die ersten 17 Paragraphen, weniger die restlichen, eher organisatorischen Regelungen).
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14. März 2022: Martin Luthers reformatorisches Erlebnis – Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (1999)
Quellen zur lutherischen "Rechtfertigungslehre"
Frage zur Bearbeitung: Was bedeutet "Rechtfertigung" im Selbstzeugnis Luthers? (die übrigen Texte können Sie aus Interesse ebenfalls lesen)
"Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" (1999)
Frage zur Bearbeitung: Mit welcher Methode wird im Abschnitt 4. nach einem Konsens gesucht (Wir bekennen gemeinsam - Katholiken sagen ... - Lutheraner sagen ...)? Wie beurteilen Sie die Tragfähigkeit dieser Methode?
Suchen Sie sich eine Fragestellung (aus 4.1 bis 4.7) aus und überlegen Sie, ob Sie diesen Abschnitt unterschrieben hätten, wenn Sie Mitglied der Dialogkommission gewesen wären? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
Wenn Sie mehr über Luther wissen wollen, suchen Sie sich einen der Aufsätze des katholischen Lutherexperten Erwin Iserloh aus:
Link zu den Aufsätzen von Erwin Iserloh zur Reformationsgeschichte
... und noch ein Preisrätsel (mit Auflösungen): Katholisch oder lutherisch? (von Prof. Vinzenz Pfnür zusammengestellt)
Ergänzender Kommentar:
1) Wenn Sie Luthers Text nochmals lesen, dann fällt dort eine Sprache auf, die über die biblische Terminologie des Paulus hinausgeht: Luther "hasst" Gott, "zürnt" ihm etc. Hier geht es um mehr als um die Entdeckung des gnädigen, den Menschen beschenkenden Gott: Luther ist einer der ersten "modernen" Menschen, die sich als "starkes Subjekt" mit "freiem Willen" empfinden und ebenso von Gott zu denken beginnen. Dadurch entsteht das Gefühl einer Konkurrenz und einer Bedrohung: Wenn Gott so frei und willkürlich entscheidet wie ich potenziell es könnte, dann bin ich nicht sicher, ob er nicht auch mit mir/mit uns willkürlich umgeht.
Die spätmittelalterliche Theologie, die sehr stark Gottes freien Willen betonte, bestärkte Luther in dieser Sicht. Dort unterschied man zwischen der "potentia absoluta" Gottes, der souveränen, "absoluten" Vollmacht, in der Gott alles zu tun vermag, und der "potentia ordinata", in der Gott sich auf eine bestimmte Heilsordnung festlegt. Natürlich bleibt immer die Angst, Gott könne auf seine "absolut Vollmacht" zurückgreifen.
Im Hintergrund der Debatte um die Rechtfertigung steht also nicht nur eine "schlechte Religionspädagogik", die den strafenden Gott hervorhebt, sondern ein neues Lebensgefühl, das erst noch theologisch verarbeitet werden muss:
- einerseits der als Konkurrenz verstandene Gott
- andererseits der Mensch, der seine Existenz als freien, selbstbezogenes, "ich" sagendes Subjekt selbst als "Sünde", als "gottwidrig" erfährt und nicht recht weiß, wie er diesem Lebensgefühl entkommen kann.
2) Die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" ist ein großer Schritt im katholisch-lutherischen Dialog. Schon formal bestand allerdings die Schwierigkeit zu klären, wer eigentlich die Partner des Dialogs sind: Die "Katholische Kirche" kann das Dokument für die gesamte Kirche als verbindlich annehmen. Auf lutherischer Seite war der Partner der "Lutherische Weltbund", der kein Weisungsrecht für seine Mitgliedskirchen hat. So haben einzelne Mitgliedskirchen die GE nicht unterschrieben ... Andererseits hat ganz offenbar die neue Rolle des "Lutherischen Weltbundes" zu einer Art "Verkirchlichung" dieses Zusammenschlusses gefunden.
Interessant ist auch, dass eine große Zahl von protestantischen Theologen gegen die GE "protestiert" haben. Sie hatten wohl die Furcht: Wenn die Rechtfertigungslehre der Kernbestand der Reformation ist und darin Einigkeit besteht, dann gibt es keinen Grund mehr für die Trennung ...
Dass dann doch eine Unterschrift erfolgte, zeigt einen Vorrang der "kirchlichen" vor der "theologischen" Perspektive.
3) Die Methode des differenzierten Konsenses ist in der Tat ein sehr fruchtbarer Weg des Dialogs. Doch es gibt auch Grenzen: Wenn neben der Gemeinsamkeit die verschiedenen Aussagen auf "katholische" und "protestantische" Weise formuliert werden, dann muss überprüft werden:
- Ist die jeweilige konfessionelle Formulierung wirklich mit der gemeinsamen Formulierung kompatibel?
- Werden die Partner nicht beruhigt weiterhin zu ihrer eigenen Formulierung zurückkehren und im Grunde keinen Wandeln auf Versöhnung hin vollziehen?
Oft wurde bemängelt, dass die GE nicht zu einem wirklichen Schritt gemeinsamen Kirche-Seins geführt hat, sondern eher historische Debatten theologisch aufgearbeitet hat.
Die neue, künftige Aufgabe für den ökumenischen Dialog wird wohl darin liegen, die theologische Einigung umzumünzen in Schritte zum gemeinsamen kirchlichen Leben ...
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7. März 2022: Communicatio in sacris? Auf dem Weg zur Kirchengemeinschaft
Quellentext: Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus (25. März 1993): siehe 28. Februar 2022
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28. Februar 2022: Grundlegung des katholischen Verständnisses der Ökumene
Dokumente für das katholische Verständnis des ökumenischen Engagements :
Enzyklika "Mortalium animos" von Papst Pius XI. (6. Januar 1928)
II. Vatikanisches Konzil, Dekret über den Ökumenismus (Unitatis Redintegratio) (21. November 1964)
II. Vatikanisches Konzil, Konstitution über die Kirche (Lumen Gentium) (21. November 1964) (Auszug)
Arbeitsaufgabe:
Lesen Sie nochmals gründlich und wirklich nah am Text einen Auszug aus der Konstitution "Lumen Gentium" des II. Vatikanischen Konzils, am besten entweder den Abschnitt 8 (über das "subsistit in" und über die Buße und Umkehr der Kirche) oder die Abschnitte 22 und 23 (über die eine Kirche Jesu Christi, die "in und aus" Teilkirchen besteht). Untersuchen Sie im Text, a) was die Katholische Kirche mit dem jeweiligen Text über sich selbst sagt, und b) welche Konsequenzen dieses Selbstverständnis für die katholische Haltung in der Ökumenischen Bewegung hat.
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21. Februar 2022: Ökumene – biblische Hinführung und Vorblick auf die Vorlesung
Vorlesungsplan + Literatur in Auswahl
Übersicht über die Verwendung des Wortes οἰκουμένη im Neuen Testament
Arbeitsaufgabe: Lesen Sie das Ökumene-Dokument des II. Vatikanischen Konzils "Unitatis Redintegratio" (siehe Dokumentation zum 28. Februar) und fassen Sie die Grundprinzipien der katholischen Beteiligung an der Ökumenischen Bewegung zusammen. Gern dürfen Sie hervorheben, was Ihnen besonders auffällt. Lesen Sie das Dokument auf dem Hintergrund der Zeit, in der es entstanden ist, und als Wende gegenüber der schroffen Ablehnung der katholischen Beteiligung an der Ökumenischen Bewegung durch Papst Pius XI. in "Mortalium animos" (1928).
Generelle Hinweise zur Prüfung durch Nacharbeit der Vorlesungen: Bei einer Vorlesung von einer Semesterwochenstunde (1 SWS), für die ein Kreditpunkt (CP) vergeben wird, finden 14h von 30 Arbeitsstunden in der Vorlesung statt, etwa 16 Arbeitsstunden verbleiben. Sie haben also von Vorlesung zu Vorlesung etwa 2 Stunden zur Vor- und Nachbereitung der Lehrveranstaltung Zeit. Ich schlage vor, dass Sie jeweils etwa eine Arbeitsstunde in die Beantwortung der Frage zur Vorlesung investieren und in der Regel circa eine Seite schreiben, um Ihre Fähigkeit zum eigenständigen Formulieren zu üben. Die restliche Zeit können Sie nach Ihrer eigenen Lernmethode füllen oder zur Vorbereitung der gemeinsamen Evaluationssitzung nutzen. Andere Prüfungsformen (z.B. durch eine mündliche Prüfung mit vereinbartem Stoff) bleiben möglich. Die "Hausaufgaben" können auch mit Verspätung eingereicht werden, wenn sie einmal nicht rechtzeitig zur Bearbeitung kommen ... Ich gebe Ihnen auf all Ihre geschriebenen Texte eine Rückmeldung, kann aber auch nicht versprechen, dass das immer innerhalb der Woche der Einreichung möglich ist. Nutzen Sie die Zeit, um etwas für Sie Förderliches zu lernen!