Vorlesung: Ekklesiologie (HS 2023)
Verantwortlich: Prof. Dr. Barbara Hallensleben
Mittwoch, 10h15 - 12h00 * Raum MIS 3028 * (BA und) MA * 3 CP (je nach Studienprogramm)
Beschreibung: Der heutige Staat garantiert seinem Anspruch nach die Einheit, sorgt für das Gemeinwohl und sichert als neutrale Plattform für verschiedene Weltanschauungen den Frieden unter den Bürgerinnen und Bürgern. Die Kirche kann diese Sicht nicht einfach übernehmen. Sie bezeugt die höchstmögliche Einheit der Schöpfung, das Gemeinwohl der Teilhabe am Leben Gottes und einen Frieden über alle Grenzen hinweg. Jesus der Christus ist durch Leben, Tod, Auferstehung und Erhöhung zum „Allherrscher“ (Pantokrator) geworden, der Wege zu „guter Herrschaft“ weist. Nur wenn die Kirche ihren Glauben öffentlich bezeugt und liturgisch feiert, wird der Staat davor bewahrt, sich selbst als endliche Größe absolut zu setzen.
Die Vorlesung weckt die geschichtliche Aufmerksamkeit dafür, wie die Gemeinschaft der Christen sich stets als alternative „Politik“ und „Ökonomie“ für die ganze Schöpfung verstanden hat. In systematisch-theologischer Absicht folgt sie dem neuesten Werk von William T. Cavanaugh, Uses of Idolatry. Der Autor erschließt unerwartete Perspektiven für eine radikale Reform des kirchlichen Lebens durch eine Neubestimmung des Verhältnisses zum Staat.
Literatur: Gerhard Lohfink, Braucht Gott die Kirche? Zur Theologie des Volkes Gottes, Freiburg u.a. 1998; John Howard Yoder, Die Politik des Leibes Christi. Als Gemeinde zeichenhaft leben, Schwarzenfeld 2011; William T. Cavanaugh, Migrationen des Heiligen, übers. von Barbara Hallensleben, Münster 2023.
Vorlesungsplan
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Aufgaben für Evaluation (unbenotet) / Prüfung (benotet)
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20. Dezember 2023: Synodalität und Kirchenreform
- 13. Dezember 2023: Kirche in Person. Maria - Ida Friederike Görres
- 6. Dezember 2023: Schwesterkirchen - ein Impuls zur Kirchenreform
- 29. November 2023: Kirche und Ekklesiologie im Zeichen der "Basic Christian Communities" in Indien (und auf anderen Kontinenten)
- 22. November 2023: Charisma und Weihe. Vom Zusammenwirken kirchlicher Berufungen und Lebensformen
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bis 22. November: Lektüreaufgaben
Lektüreempfehlung:
William T. Cavanaugh, Migrationen des Heiligen (wird zur Verfügung gestellt)
oder ein anderes Werk aus der Bibliographie oder - nach Absprache - zum Thema.
Das gewählte Werk kann zugleich für die Prüfung als "ergänzende Lektüre" verwendet werden.
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25. Oktober 2023: Von der Kontinuität zwischen dem I. und dem II. Vatikanischen Konzil
Bilanz der Vorlesung zur Aufgabe der Kirche in der "souveränen" politischen Ordnung:
- Ausgangspunkt: Die Rolle des modernen Staates besteht in der "Sicherung des Zweitbesten", d.h. in dem Versuch, durch Ordnungs- und Kontrollpolitik das Schlimmste zu vermeiden und so den einzelnen Bürgern und Bürgerinnen den Freiraum ihrer Entscheidungen zu sichern; notfalls wird Gewalt mit Gewalt unterdrückt. Die Kirche hat den Auftrag, die Verheißung des Besten ("Leben in Fülle") aufrechtzuerhalten und es durch ihr Zeugnis und ihre Lebensform zu fördern. Die göttliche Quelle dieser Verheißung gibt der Kirche eine eigene "Souveränität", die sich nicht aus der Souveränität des Staates ableitet, aber auch nicht auf gleicher Ebene mit dieser konkurriert. Damit zeigt die Kirche einen Weg auf, wie die Gewaltspirale überwunden werden kann - ohne von sich behaupten zu können, dass sie ihre Botschaft selbst in optimaler Weise lebt.
- Das Zeugnis der Kirche (in Wort und Tat, d.h. vor allem in der individuellen Lebensform der Christen und der gemeinschaftlichen Lebensform der Kirche) hat folgende Dimensionen:
1) Sie benennt die Grenzen jeder weltlichen öffentlichen Ordnung, damit diese sich nicht absolut setzt. Sie hilft denjenigen, die in diesen Ordnungen zu Opfern werden.
2) Sie hält durch ihr Zeugnis eine große Hoffnung wach, die alles bereits Erlangte überschreitet und am Endlichen nicht resigniert.
3) Sie gibt ein Zeugnis ihrer in Gott gründenden "Souveränität" und damit einer letzten Unabhängigkeit aller Geschöpfe gegenüber der "Souveränität" des Staates. Die katholische Kirche insistiert deshalb auf ihrer institutionellen Autonomie. Ihre Sichtbarkeit liegt jedoch nicht im Triumph ihrer Vollkommenheit, sondern in der Gestalt der Buße für ihre Unvollkommenheit.
4) Sie verteidigt ihre Freiheit zum Zeugnis: a) für die "gute Botschaft" des Evangeliums, b) für alles Gute in der Welt, in dem sie Spuren der Gaben des guten Gottes entdeckt; sie feiert stellvertretend für alle Eucharistie, Danksagung.
5) Sie weiß, dass keine ihrer sichtbaren Vollzüge aus sich heraus die wirksame Gegenwart des Heils schlechthin garantiert. Kirche ist "Institution und Ereignis". Die Institution bereitet auf das Ereignis vor, das Ereignis belebt und erneuert die institutionelle Gestalt und ruft sie ständig über hinaus.
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18. Oktober 2023: Der moderne Staat als Folge der Kirchenspaltung - und die Folgen für die Kirche
Vorlesungsmaterial (korrigiert und überarbeitet)
- 11. Oktober 2023: Die Reformation – Ursachen und Folgen in ekklesiologischer Perspektive
- 4. Oktober 2023: Ekklesiologie - "flussaufwärts" ...
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27. September 2023: Philosophische Einführung in die Ekklesiologie
Vorlesungsmaterial (pdf der Powerpoint-Präsentation)
- 20. September 2023: Einführung: Kleine Geschichte des Traktats "Ekklesiologie"