Schöpfungslehre (FS 2022)
Verantwortlich: Prof. Dr. Barbara Hallensleben
Mittwoch, 10h15 - 12h00 * Raum MIS 3026 * 3 CP
Beschreibung: Die Schöpfungslehre schien der Theologie lange abhanden gekommen zu sein: Was die Natur ist, bestimmten die Naturwissenschaften. Die Theologie zog sich auf das „Übernatürliche“ zurück, das immer mehr an Plausibilität verlor, je eindeutiger die Gesetzmäßigkeiten der endlichen Natur bestimmt und technisch genutzt wurden. Die Situation hat sich radikal gewandelt: Die Naturwissenschaften haben – als Ergebnis eigener Forschungen – den Anspruch auf die Weltformel aufgegeben. Indem sie den Zufall in der Natur als echt anerkennen müssen, entsteht Raum, um Freiheit zu denken, nicht nur im Bewusstsein postuliert, sondern in ihren Spuren im Sein entdeckt. Damit entsteht zugleich der Raum, um die Natur als Gabe des guten Gottes zu denken. Die Theologie kann sich an ihre Aufgabe erinnern, jenseits der Spaltung in Natur- und Geisteswissenschaften die Einheit der Wissenschaft in Form der Einheit von Geist und Natur zu denken und im Dialog zu verantworten.
Studienziele: Entstehung und Niedergang der Schöpfungslehre in den wichtigsten Etappen kennen und verstehen; die Wandlung in den neuzeitlichen Naturwissenschaften als Anknüpfungspunkt für eine erneuerte Schöpfungstheologie wahrnehmen können; die Denkbarkeit von Freiheit in der Natur als Rahmenbedingung für eine Schöpfungslehre als Theologie der Natur darlegen können.
Literaturhinweise: Hermann Stinglhammer, Einführung in die Schöpfungstheologie, Darmstadt 2012; Medard Kehl, Und Gott sah, dass es gut war. Eine Theologie der Schöpfung. Freiburg 2006; Dieter Hattrup, Der Traum von der Weltformel oder: Warum das Universum schweigt, Freiburg i.Br. 2006.
- 1. Juni 2022: Von der Schöpfung zur Neuschöpfung
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25. Mai 2022: Schöpfungslehre angesichts der ökologischen Krise
Transhumanismus - ein neuer Naturalismus in Opposition zur Schöpfungslehre?
Ein Beitrag von Oliver Dürr (der zum Thema des Transhumanismus promoviert; Text nur im internen Gebrauch, nicht zum Weitergeben!)
Fragen zur Bearbeitung:
- Was sind die Grundzüge des "Transhumanismus", insofern er weltanschauliche Optionen trifft?
- Worin ähnelt der so verstandene Transhumanismus früheren naturalistischen Weltbildern - und was an ihm ist neu?
- Wo bietet die Schöpfungslehre Anknüpfungspunkte zum Gespräch mit transhumanistisch eingestellten Personen?
- Wie kann man auf dem Boden der Schöpfungslehre die technischen Errungenschaften, die dem menschlichen Leben dienen, nutzen, ohne einer Ideologie zu verfallen?
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18. Mai 2022: Der Mensch - zwischen Engel und Tier. Wahrheit und Grenze der "Anthropozentrik"
Hier empfehle ich Ihnen die Lektüre des Beitrags von Prof. Christoph Amor (Brixen):
Eschatologische Vollendung der Tiere - ein theologischer Versuch, in: Salzburger theologische Zeitschrift 21 (2017) 219-231
In Münster wurde vor kurzem ein "Institut für Theologische Zoologie" gegründet. Es wird nicht von esoterischen Außenseitern geleitet, sondern wurde von dem promovierten Theologen Dr. Rainer Hagencord und dem Schweizer Kapuziner Anton Rotzetter ins Leben gerufen. Dieses Institut ist ein zusätzlicher Hinweis darauf, dass die Sicht der Schöpfung nicht länger exklusiv anthropozentrisch verfasst ist. Zwei Extreme gilt es zu meiden: Auf der einen Seite bezeugt die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus die Sonderstellung des Menschen, der fähig ist, den Geist Gottes zu empfangen und an der ganzen Fülle des göttlichen Lebens teilzuhaben. Auf der anderen Seite darf nicht übersehen werden, dass der Mensch diesen Geist gerade empfängt, um der Heiligung und Verklärung des gesamten Kosmos zu dienen:
"Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Kinder Gottes. Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat; aber zugleich gab er ihr Hoffnung: Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir it der Erlösung unseres Leibes als Kinder Gottes offenbar werden (Röm 8,19-23).
Man könnte formulieren: Der Mensch hat als Person eine Sonderstellung im Kosmos, nicht um sich über die übrigen Geschöpfe zu erheben und sie zu unterdrücken oder für seine egozentrischen Zwecke zu nutzen, sondern um ihnen einen personalisierten Lebensraum zu gewähren, in dem durch die Kulturarbeit des Menschen die gesamte Schöpfung zum (erweiterten) personalen Lebensraum wird. Wer mit Tieren näher zu tun hatte, wird ihre Verwandtschaft mit den "animalischen" Grundzügen des menschlichen Lebens spüren. Die Vernachlässigung der Tiere in der Theologie ist also eines der Anzeichen für die Entpersonalisierung der Natur durch die Entwicklungen der Moderne.
Prof. Christoph Amor befasst sich bereits seit längerer Zeit mit diesen Fragen. Er hat mir für diese Vorlesung einen seiner Beiträge zur Verfügung gestellt.
Fragen zur Bearbeitung:
- Welche Rolle könnten die Tiere in einer Schöpfungslehre haben? Was kann der Mensch an den Tieren über seine eigene Geschöpflichkeit erkennen, und welches Verhalten Tieren gegenüber ist auf diesem Hintergrund angemessen?
- Werten Sie den Artikel von Prof. Christoph Amor unter diesem Gesichtspunkt aus.
- Suchen Sie auf der Webseite des "Instituts für Theologische Zoologie" nach relevanten Beiträgen und stellen Sie einen Beitrag Ihrer Wahl vor.
- Weiten Sie die "Theologie der Tiere" auf eine "Theologie der Natur", der Erde, des Kosmos aus, anknüpfend an die Aussage von Fjodor Dostojevskij (in: Die Brüder Karamasov, aus den Lehren des Starez Zosima): "Liebt die ganze Schöpfung Gottes, das gesamte All wie auch jedes Sandkörnchen. Jedes Blättchen liebt, jeden Sonnenstrahl Gottes! Liebt die Tiere, liebt die Pflanzen, liebt jegliches Ding. Wer jegliches Ding liebt, wird auch das Geheimnis Gottes in den Dingen erfassen".
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11. Mai 2022: Schöpfung als säkulare Welt
Artikel "Welt" im LThK (dritte Auflage, Band 10)
Artikel "Welt" im "Handbuch Theologischer Grundbegriffe" (Band 2)
Fragen zur Bearbeitung:
- Weshalb ist der biblische Welt-Begriff so ambivalent?
- Warum entgleitet der Welt-Begriff gerade in dem Moment, in dem Gott als Gegenüber/Schöpfer der Welt nicht mehr berücksichtigt wird?
- Was lässt sich theologisch aus der Kritik von Hans Ebeling an seinem Lehrer Martin Heidegger lernen?
- Welche Aufgaben stellen sich für die Erarbeitung eines angemessenen Welt-Begriffs?
- 4. Mai 2022: Die Christologie als Sophiologie als Bewährungsprobe für die Schöpfungslehre (Dario Colombo)
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27. April 2022: Die gefallene Schöpfung und das zugängliche Paradies
Vorlesungstext: Die gefallene Schöpfung: Erbsünde und Theodizee
Gehaltene, kürzere Fassung der Vorlesung
- Wie kann man die Erbsündenlehre plausibel machen, indem man die moderne Freiheitsperspektive in Beziehung zur geschöpflichen "Natur" setzt?
- Inwiefern kann die Erbsündenlehre als christliche Antwort auf die Theodizeefrage betrachtet werden?
- Welche ökumenisch relevanten Unterschiede gibt es in der Deutung der Erbsündenlehre?
- Für wie tragfähig halten Sie die Theodizee des Philosophen Leibniz?
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13. April 2022: Natur und Gnade / Paradies und Politik
Giorgio Agamben, Die Herrschaft und der Garten (provisorische deutsche Übersetzung)
Fragen zur Bearbeitung:
Insgesamt ist diese Vorlesung dem Material nach sehr reichhaltig und vielschichtig. Sie dürfen einen Aspekt auswählen, der Ihnen zur Bearbeitung sinnvoll erscheint, z.B.:
- Welche Schwierigkeit entsteht für die Theologie, wenn in der klassischen Rede von "Natur und Gnade" im Sinne des modernen naturwissenschaftlichen Naturbegriffs gerät?
- Ordnen Sie das Anliegen von Henri de Lubac in "Surnaturel" theologiegeschichtlich ein.
- Weshalb muss die Theologie an einer - wie auch immer formulierten - Dualität von Natur und Gnade festhalten?
- Weshalb ist die von Giorgio Agamben gestellte Frage nach der "politischen" Berufung des Menschen im Paradies theologisch (und politisch!) so gewichtig?
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6. April 2022: Einstein und der würfelnde Gott: Freiheit in der Natur denken
Lektüreempfehlung mit einer ausführlichen Darstellung zu Albert Einstein:
Dieter Hattrup, Einstein und der würfelnde Gott. An den Grenzen des Wissens in Naturwissenschaft und Theologie, Freiburg i.Br. 2008.
Lev Tolstoj, Luzern. Eine Erzählung
Fragen zur Bearbeitung:
- Warum gilt für Einstein: Er konnte glaube, wollte aber nicht?
- Inwiefern ist Lev Tolstojs Erzählung "Luzern" eine Illustration zu Einsteins "Flucht vor dem Ich in das Es", zu seiner Flucht aus der Verantwortung in die determinierte Natur?
- Was kann die Theologie zu einer "Versöhnung mit der Endlichkeit" beitragen?
- Entwerfen Sie Ihre eigenen Grundaussagen über das Verhältnis Gott - Mensch - Natur.
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30. März 2022: Schöpfung oder/und Evolution
Vorlesungstext: Schöpfung und/oder Evolution
Wenn Sie sich den Stoff lieber in einer literarisch-dialogischen Form erarbeiten wollen, steht Ihnen die Rede von Rektor Prof. Guido Vergauwen o.p. anlässlich des Darwin-Jahres 2009 am Dies Academicus 2008 zur Verfügung:
Lektüreempfehlung: Dieter Hattrup, Darwins Zufall oder wie Gott die Welt erschuf, Freiburg i.Br. 2008.
Frage zur Bearbeitung:
Weshalb kann man leichter MIT Darwin von der Welt als Schöpfung sprechen als ohne oder gegen ihn?
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23. März 2022: Theologische Entwürfe an der Epochenschwelle zur Neuzeit: Nikolaus Cusanus - Giordano Bruno
Vorlesungstext: Theologische Entwürfe an der Epochenschwelle zur Neuzeit
Auszug aus: Die Legitimität der Neuzeit
Fragen zur Bearbeitung:
- Wie reagiert Nikolaus von Cues auf das neue kosmologische Weltbild?
- Weshalb sieht Giordano Bruno keine Möglichkeit mehr, angesichts des neuen kosmologischen Weltbildes am christlichen Glauben festzuhalten?
- Welches Weltbild vertritt Blumenberg, indem er Nikolaus von Cues verwirft und Giordano Bruno verteidigt?
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16. März 2022: Die Reduktion von "Schöpfung" auf "Natur"
Fragen zur Bearbeitung:
- Worin sind sich der (in Physik und Mathematik ausgebildete) Theologe Hattrup und der (nicht theologisch ausgebildete) Physiker Weis einig?
- Wie ist "Freiheit in der Natur" denkbar?
- Welche Tragweite hat die Denkbarkeit von "Freiheit in der Natur" für die Theologie?
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9. März 2022: Die Ewigkeit der Welt in der mittelalterlichen Debatte (Aristoteles - Thomas - Bonaventura)
Vorlesungsmaterial: Die Ewigkeit der Welt
Quellentexte (Thomas von Aquin, Bonaventura)
Fragen zur Bearbeitung:
Charakterisieren Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Positionen von Aristoteles, Thomas von Aquin und Bonaventura bezüglich der Ewigkeit der Welt?
Worin liegt die erkenntnistheoretische Bedeutung der Frage nach der Ewigkeit der Welt?
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2. März 2022: creatio ex nihilo
Arbeitsunterlagen zur Vorlesung
Fragen zur Bearbeitung:
- Warum ist die Schöpfungslehre wesentlich Gotteslehre?
- Beschreiben Sie den biblischen "Sitz im Leben" zur Entstehung der Lehre von der "creatio ex nihilo".
- Welche Bedeutung hat die Lehre von der "creatio ex nihilo" für unsere Weltsicht heute?
- 23. Februar 2022: Transzendenz - Kontingenz - Natur: Schöpfungslehre im soteriologischen Horizont
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Vorlesungsmaterialien
Skript "Schöpfungslehre" von Prof. Dr. Dr. Dieter Hattrup ... (mit Literaturangaben)
Vorlesungsplan
Lektürehinweise