Gerhard Ludwig Müller (1986)

Vierzig Jahre nach Erscheinen von "Große Heilige" ist die herausragende Bedeutung des Buches offenkundig. Doch noch immer wird Nigg von der Forschung kaum wahrgenommen. "Bahnbrechend für eine Wiedergewinnung der Heiligen war Walter Niggs Buch 'Große Heilige'", urteilt als einer der wenigen Forscher Gerhard Ludwig Müller in seiner Freiburger Habilitation und grenzt Niggs Anliegen von einer moralisierenden Darstellung ab: "Als echtem Hagiographen war ihm an einer Überwindung eines idealistischen und moralisierenden Bildes der Heiligen gelegen."[1] Müllers Entwurf einer neuen katholischen Hagiologie folgt mit seiner theozentrischen Ausrichtung einem wesentlichen Anliegen Walter Niggs: "Weil das Heilige der Heiligen letztlich aber nicht empirisch-psychologisch objektiviert werden kann, muss die Hagiologie zusammen mit der Hagiographie die Unverfügbarkeit der Heiligkeit als Hinweis auf die Theozentrik aufnehmen."[2] Niggs Biographie und seine Entwicklung als Hagiograph nimmt Gerhard Ludwig Müller jedoch ebenso wenig in den Blick wie die weiteren hagiographischen Arbeiten, die Nigg in vierzig Jahren Autorschaft seit dem Erscheinen von "Große Heilige" vorgelegt hat.

 


[1] Gerhard Ludwig Müller. Gemeinschaft und Verehrung der Heiligen. Geschichtlich-systematische Grundlegung der Hagiologie. Herder Verlag. Freiburg 1986. S. 187. Jörg Splett geht in seiner Münchener Habilitation (Die Rede vom Heiligen. Über ein religionsphilosophisches Grundwort. Verlag Karl Alber. München 1971) im Unterschied zu Müller nicht auf Walter Nigg ein. Übergangen wird Nigg auch in: Pierre Blanchard. Heiligkeit-Heute? Eine Analyse der religiösen Situation im Schrifttum unserer Zeit. Herder Verlag. Freiburg 1956; und in: Stephen Neill. Heiligkeit. Gütersloher Verlagshaus. Gütersloh 1962. Arnold Angenendt (Heilige und Reliquien. Die Geschichten ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart. Beck Verlag. München 1994) erwähnt Nigg in dem Kapitel "Evangelische Praxis": "Zu nennen sind an erster Stelle die zahlreichen Publikationen des Schweizer Kirchenhistorikers Walter Nigg, dessen 1946 erstmals erschienenes Werk 'Große Heilige' zehn Auflagen erlebte." (S. 313)

[2] Müller. Gemeinschaft und Verehrung der Heiligen. S. 205. Mit weiteren Hinweisen auf Erich Przywara und Henri de Lubac.