03.06.2014

Neue Messmethode zur Erforschung der atomaren elektronischen Struktur


Wissenschaftler des Physikdepartements der Universität Freiburg haben gemeinsam mit Forschern des Paul Scherrer Instituts eine neue Methode entwickelt, die es erlaubt, die elektronische Struktur von Atomen mit Hilfe von Röntgenstrahlung zu erproben. Die Resultate wurden kürzlich im renomierten Fachjournal Physical Review Letters publiziert.


Luftaufnahme des Paul Scherrer Instituts (PSI). Das kreisförmige Gebäude ist die Schweizer Lichtquelle für Synchrotronstrahlung (SLS), an welcher die Messungen durchgeführt wurden.

Die Bauteile der uns umgebenden Materialien sind Atome und Moleküle, wobei letztere aus mindestens zwei Atomen zusammengesetzt sind. Die Kräfte, welche diese Bauteile zusammenhalten und somit ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften diktieren, werden durch die elektronische Struktur, also die Art wie die Elektronen in den einzelnen Atomen verteilt sind, bestimmt. Bei der Erforschung der elektronischen Struktur von Materialien mit Hilfe von Röntgenstrahlung wird meistens auf das Mittel der Absorptionsspektroskopie (XAS) zurückgegriffen. Bei dieser Messtechnik wird die Energie der einfallenden Röntgenstrahlung um eine Absorptionskante der zu untersuchenden Probe herum variiert. Mit zunehmender Dicke oder Dichte der Probe spiegelt das während des Energiescans gemessene Signal jedoch immer weniger die eigentliche elektronische Struktur der Atome in der Probe wider. Dieser experimentelle Effekt, „Selbstabsorption“ genannt, kann nur bedingt umgangen werden und hat zur Folge, dass die Interpretation der Messdaten mühsam und manchmal nicht zuverlässig ist.



In Zusammenarbeit mit Kollegen des Paul Scherrer Insituts (PSI) hat eine Forschergruppe der Universität Freiburg eine andere experimentelle Herangehensweise entwickelt, um diesen Effekt zu vermeiden. Der neue Ansatz besteht darin, Röntgenstrahlung mit einer festen Energie knapp unterhalb der Absorptionskante zu nutzen. Physiker sprechen von einer nicht resonanten Anregung der Probe. Die Fluoreszenzstrahlung, die in der Probe durch die einfallende Röntgenstrahlung erzeugt wurde, wird mit einem hoch-energieauflösenden Kristallspektrometer detektiert. Das gemessene Emissionsspektrum erlaubt schliesslich, durch die Nutzung entsprechender Computeralgorithmen, die Rekonstruktion des Absorptionsspektums.

Die neue Methode, HEROS (ein englisches Akronym für High Energy-Resolution Off-resonance Spectroscopy) genannt, bietet nicht nur den Vorteil, dass die Messresultate nicht durch den „Selbstabsorptionseffekt“ verfälscht werden können, sondern auch, dass die Energie der einfallenden Strahlung nicht mehr mit Hilfe von Röntgenstrahlenoptiken gescannt werden muss. Der letzte Aspekt erlaubt es, die Absorptionsspektroskopie an den neuesten Röntgenstrahlenquellen, den X-ray Free Electron Lasern (XFEL), zu nutzen und somit Absorptionsspektren in Sekundenbruchteilen aufzunehmen. Demzufolge bietet es beispielsweise die Möglichkeit, die Dynamik von chemischen Reaktionen nachzuvollziehen. In der Tat liefern die neuen Röntgenstrahlenquellen kohärente Röntgenpulse mit einer ausserordentlichen Leistung von 10 Gigawatt (10 Millionen Kilowatt!) und eröffnen damit neue, erfolgsversprechende Forschungsperspektiven in zahlreichen Disziplinen der Natur- und Lebenswissenschaften.

An Schweizer Lichtquelle gemessen

Die neue HEROS-Methode wurde anhand von Tantalfolien mit einer Dicke zwischen 0.5 μm und 50 μm getestet um ihre Möglichkeiten zu eruieren. Die Tantalfolien wurden in einem Synchrotronstrahl fixiert, welcher durch eine hohe Photonenintensität mit einer Energie knapp unterhalb der Absorptionskante von der L3 Elektronenunterschale von Tantal spezifiziert war. Die Messungen wurden an der Schweizer Lichtquelle für Synchrotronstrahlung (SLS) des PSI durchgeführt. Es konnte nicht nur aufgezeigt werden, dass die HEROS-Methode nicht durch den „Selbsabsorptionseffekt“ beeinflusst wird, sondern zudem dass die erhaltene elektronische Struktur nicht von der Dicke der Tantalfolie abhängt. Die elektronische Struktur entspricht derjenigen, welche mit Hilfe der Standardmethode XAS für die dünnste Tantalfolie gemessen wurde.

Link zum Artikel
http://journals.aps.org/prl/pdf/10.1103/PhysRevLett.112.173003

Kontakt
Prof. Jean-Claude Dousse, Physikdepartement, Universität Freiburg, 026 300 90 73, jean-claude.dousse@unifr.ch
Dr. hab. Joanna Hoszowska, Physikdepartement, Universität Freiburg, 026 300 92 10, joanna.hoszowska@unifr.ch