MobilitätPublikationsdatum 17.11.2025

Brief aus Turin


Paloma Puentes Montero absolviert ein juristisches Masterstudium an den Universitäten Freiburg und Turin. Im Brief aus Turin berichtet sie in der juristischen Fachzeitschrift «plädoyer» über ihre Erfahrungen und Erlebnisse im der Hauptstadt des Piemonts.

urin hat meine Erwartungen weit übertroffen. Die Stu­denten und Professoren sind offen und sympathisch. Schon am ­ersten Tag wurde ich zu ­Kaffeepausen ein­geladen und mit Tipps überhäuft: zu lohnenswerten Vorlesungen und zu Ecken von Turin, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Ich besuche unter anderem Vorlesungen zum Finanzmarktrecht, dann  «Comparative Law and Economics» und «Diritto del Lavoro dell’U.E.». Im Kurs «Violenza maschile contro le donne» wird aus historischer, ­juristischer und psychologischer Perspek­tive über die Gewalt gegen Frauen diskutiert.

Die Vorlesungen finden oft in ­kleinen Gruppen statt. Bei meiner ersten Prüfung war ich überrascht, dass sie nicht mit einem Professor und einem Protokollanten stattfand. Stattdessen sitzen rund 40 Studentinnen und Studenten im gleichen Raum, in dem drei Prüfungen gleichzeitig von verschiedenen Pro­fessoren abgehalten werden. Es kann mehrere Stunden dauern, bis man an der Reihe ist.

Es gibt kein Protokoll und keine Zeitbegrenzung. Direkt nach der Prüfung erhält man vom Professor die Note. Man kann dann vor Ort entscheiden, ob man sie annimmt oder ­ablehnt. Bei einer Ablehnung kann die ­Prüfung später wiederholt werden. Dies führt dazu, dass viele die ­Prü­fungen vier- bis sechsmal ­wiederholen, um ihren Noten­durchschnitt zu ­verbessern.

Einen Ausgleich zur intensiven Lern- und Prüfungszeit findet man in Turin leicht. Die Stadt ist viel­seitig. Überall trifft man auf ­Mit­studentinnen und -studenten. Die Hauptstadt des Piemonts bietet nicht nur eine erstklassige Gastronomie, sondern auch ein reiches kulturelles Angebot – von beeindruckenden ­Museen über historische Architektur bis hin zu lebendigen Theatern und Konzerten.

Nicht nur das Essen verrät, dass man sich in Italien befindet. Das Überqueren der Strassen war in den ersten Tagen eine Mutprobe. Es ist nicht ratsam, bei Grün sorglos über die Strasse zu gehen wie in der Schweiz. Gewisse Kreuzungen er­wecken den Anschein, dass gleich­zeitig für alle grün ist. Der Puls steigt schon auf dem Weg zur Uni – einen Espresso bräuchte man nicht mehr. Doch da der Kaffee in den Uni-­Cafeterias hervorragend ist und nur einen Euro kostet, gönnt man sich trotzdem eine Tasse.

Quelle: plädoyer – das Magazin für Recht und Politik, Ausgabe 2/25

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