Psychologie21.08.2025

Wie ehemalige Geflüchtete die Behandlungslücke schliessen können


Geflüchtete mit einer Ausbildung zur Hilfsperson für psychische Gesundheit können in ihren Gemeinschaften lebenswichtige psychologische Unterstützung leisten. Mit geeigneten Werkzeugen und dem richtigen Feedback können sie dazu beitragen, dass sowohl in der Schweiz als auch im Ausland eine seit Langem bestehende Lücke im Bereich der psychologischen Gesundheitsversorgung geschlossen wird. Das zeigt eine neue Studie mit Beteiligung der Universität Freiburg.

Das Schweizer System der psychologischen Gesundheitsversorgung zählt zu den besten der Welt. Dennoch kommt es häufig vor, dass die Bedürftigsten nicht erreicht werden – insbesondere Geflüchtete und Asylsuchende, die sich sprachlichen, kulturellen und systemischen Barrieren gegenübersehen. Wäre es vielleicht möglich, Menschen aus genau dem betroffenen Personenkreis zum Teil der Lösung zu machen?

Diese Idee wurde nun in einer neuen Studie untersucht, in der dreizehn arabischsprachige Geflüchtete, von denen die meisten aus Syrien stammten, für psychologische Kurzinterventionen nach dem System Problem Management Plus (PM+) ausgebildet wurden. Dieses System wurde von der WHO entwickelt und reduziert Stress-, Angst- und Depressionssymptome. Um die Fähigkeiten der Helfenden einzuschätzen und diesen ein gezieltes Feedback zu geben, wurde in der Studie die von WHO und UNICEF gemeinsam entwickelte Plattform EQUIP verwendet.

Messbare Kompetenz, bedeutsame Auswirkung
Die Ergebnisse waren vielversprechend, denn 95 Prozent der technischen Fähigkeiten für PM+ und 65 Prozent der allgemeinen therapeutischen Fähigkeiten wurden auf hohem Niveau nachgewiesen: Die Helfenden zeigten starke Fähigkeiten u. a. in Problemlösungs- und Stressbewältigungsstrategien sowie beim Beziehungsaufbau und in der verbalen und nonverbalen Kommunikation. In der EQUIP-Einschätzung zeigten sich auch die Ausbildungspotentiale, insbesondere in komplexen Bereichen wie der Einschätzung des Suizidrisikos. Darüber hinaus wurde konstruktives Feedback für die weitere Entwicklung gegeben.

Das Werkzeug wurde auch von den Helfenden selbst gut angenommen. Diese beschrieben das Feedback übereinstimmend als fair, klar und unmittelbar anwendbar. Die positiven Reaktionen zeigten sich in Kommentaren wie diesen: «Ich bin dankbar für diese Erfahrung», «Ich habe diese Einschätzung wirklich gebraucht», «Das bringt mir sehr viel». Die Einschätzung dient nun als Grundlage für die Entwicklung massgeschneiderter Fortbildungsmassnahmen mit dem Ziel, die Behandlungsqualität nachhaltig zu steigern.

Bessere Behandlung für Geflüchtete in der ganzen Schweiz
Über das Projekt SPIRIT (Scaling-up Psychological Interventions in Refugees in Switzerland) wird PM+ nun am Universitätsspital Zürich (USZ) in mehr als zehn Sprachen umgesetzt. Alle Ausbildungs- und Qualitätssicherungsmassnahmen werden vom Bundesamt für Gesundheit, von Gesundheitsförderung Schweiz, dem Staatssekretariat für Migration, der Caritas und dem Schweizerischen Roten Kreuz unterstützt und basieren auf den aus EQUIP gewonnenen Erkenntnissen. Mahmoud Hemmo, Hauptautor der Studie, erklärt: «PM+ und EQUIP machen skalierbare, kultursensible und qualitativ hochwertige psychologische Behandlungen möglich, und zwar dort, wo diese dringend benötigt werden. Mit unserer Arbeit in der Schweiz sind wir auch Inspirationsquelle für andere Länder, die ähnliche gemeinschaftsbasierte Ansätze verfolgen.»

Die Studie ist Teil von Hemmos Forschung im Rahmen seiner Dissertation an der Universität Freiburg. Es sind bereits weitere Veröffentlichungen zur Umsetzung von PM+ und EQUIP in der Schweiz und im Nahen Osten geplant. Die Studienergebnisse haben bereits zur Entwicklung internationaler WHO- und UNICEF-Standards für Krisen- und Flüchtlingshilfe beigetragen. Das Modell könnte auch weit über die Schweizer Landesgrenzen hinaus Anwendung finden: in Flüchtlingslagern, urbanen Brennpunkten und überall dort, wo die Nachfrage nach psychologischen Hilfsdiensten das Angebot übersteigt.

Studie
Hemmo, Mahmoud et al. 2025. «Piloting Competency Assessments for an Evidence-Based Brief Psychological Intervention with Arabic-Speaking Non-Specialists in Switzerland.» (Erprobung von Kompetenzbeurteilungen bei arabischsprachigen Nichtspezialisten für evidenzbasierte psychologische Kurzinterventionen in der Schweiz) Cambridge Prisms: Global Mental Health: 1–32. DOI: 10.1017/gmh.2025.10023.