Sport06.05.2025

Alle Topscorer dank virtueller Realität?


Bereits nach nur 15 Minuten Virtual-Reality-Training konnten Profi-Eishockeyspieler ihre Wahrnehmungsfähigkeit vor dem gegnerischen Tor deutlich steigern. Entwickelt wurde dieser neuartige Trainingsansatz von Forschenden des Labors für Kontrolle und Kognition der Universität Freiburg. Er hilft den Spielern, den vom Torhüter am wenigsten abgedeckten Bereich des Tors schneller und präziser zu erkennen. Die Ergebnisse wurden im April 2025 in der Fachzeitschrift Sports Medicine – Open veröffentlicht.


Alex Ovechkin und Wayne Gretzky könnten Konkurrenz bekommen. Die beiden erfolgreichsten Torschützer in der Geschichte der NHL – der renommierten nordamerikanischen Eishockey-Liga – sehen sich einer neuen Generation von Spielern gegenüber, die mithilfe von Virtual Reality trainiert und dabei neue Massstäbe setzen könnten. Bisher konzentrierten sich die Methoden zur Leistungssteigerung von Sportlern, egal in welcher Disziplin, hauptsächlich auf die körperliche Verfassung, die Technik und die mentale Stärke. Aber auch andere Faktoren spielen eine wichtige Rolle: «In Teamsportarten sind Wahrnehmung und Kognition entscheidend», sagt Jean-Luc Bloechle, Doktor der Informatik und Erstautor der Studie. «Sportler müssen ihre Aufmerksamkeit blitzschnell steuern, Informationen filtern und optimale Entscheidungen treffen.» Diese Prozesse seien bisher schwer erfassbar gewesen – insbesondere im Sport. «Die Entwicklung der virtuellen und erweiterten Realität ändert das jetzt», sagt Prof. Jean-Pierre Bresciani, Leiter des Labors für Kontrolle und Kognition an der Universität Freiburg, «Und wir haben die total innovativen Trainingsmöglichkeiten dieser neuen Technologien untersucht.»

Spitzensportler als Versuchspersonen
Unter der Leitung von David Aebischer – ehemaliger Keeper der NHL und  der Schweizer Nationalmannschaft sowie Mitautor der Studie– erstellte das Forschungsteam zunächst einen virtuellen Torwart. Anschliessend wurden 34 Profispieler eingeladen, den Avatar herauszufordern. Mit einem Virtual-Reality-Headset versuchten sie, aus verschiedenen Positionen die am wenigsten geschützten Bereiche des Tors zu erkennen. „ Um den letzten Schutzwall zu überwinden, muss der Spieler so schnell und präzise wie möglich die sogenannte grösste exponierte Fläche identifizieren, also den Teil des Tors, der vom Torwart am wenigsten geschützt ist“, erklärt Jean-Luc Bloechle.

Aus der Puck-Perspektive
Was in der Theorie einfach klingt, ist in der Praxis komplex: Entscheidend ist nicht die Sicht der Spieler, sondern die Perspektive des Pucks. «Dieses Detail ist zentral», betont Jean-Pierre Bresciani. «Wir haben nämlich beobachtet: Die Wahrnehmungsleistung der Spieler ist umso schlechter, je grösser der Unterschied zwischen dem Blickwinkel der Augen und dem des Pucks ist.» Doch das muss nicht so bleiben: Mithilfe des VR-Trainings konnten die Spieler gewissermassen ‘mit den Augen des Pucks’ sehen. Und die Ergebnisse sind überraschend: Bereits nach einer einzigen Sitzung mit dem Simulator verbesserte sich die Leistung der Teilnehmenden um durchschnittlich 15 %!

Technologie der Zukunft
«Dieses Wahrnehmungstraining hat gewissermassen die Lücke zwischen Augen und Puck geschlossen», fasst Jean-Pierre Bresciani zusammen. Ein solcher Fortschritt sei mit traditionellen Trainingsmethoden kaum erreichbar – und dennoch funktionierte er sogar bei hochtrainierten Profis. Den Freiburger Forschern zufolge wäre ein solches Ergebnis mit herkömmlichen Trainingsmethoden kaum denkbar gewesen. «Unsere Studie zeigt, dass es sogar bei bereits sehr gut trainierten Profisportlern funktioniert», fügt Jean-Luc Bloechle hinzu. Die Zukunft des Eishockeys – und womöglich des Spitzensports im Allgemeinen – könnte also durchaus in einem Virtual-Reality-Headset liegen.

Bloechle, JL., Audiffren, J., Sauthier, Q. et al. Perceptual Training in Ice Hockey: Bridging the Eyes-Puck Gap Using Virtual Reality. Sports Med - Open 11, 38 (2025).