Die sogenannte ‚Medienkunst‘ gibt es nicht erst, seit technische Medien sich ins Kunstgeschehen einschalten; medienfreie Künste gab es noch nie. Keine Kunst, die sich nicht in bestimmten Medien äußerte, sei es in Bild, Klang, Licht, Raum oder Sprache. Keine Kunst, die nicht auf Marmor und Meißel, Farbe und Leinwand, Stift und Papier, Schallwellen und Bildschirm, Bits und Bytes angewiesen wäre. Dabei sind weder Medien noch Materialien einem Kunstwerk jemals äußerlich, vielmehr entsteht ästhetische Bedeutung erst durch die jeweilige medial-materielle Konfiguration und würde ohne sie hinfällig. Der XII. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik fragt nach den Medien der Künste: Lassen sich die Künste anders oder besser verstehen, wenn wir sie im Licht ihrer Medien betrachten? Was unterscheidet die Künste voneinander? Entspricht jeder Kunstgattung ein eigenes Medium? Was bedeutet Medienspezifik in der Tradition, von Lessing bis Greenberg, und was heißt sie heute, im Zeitalter künstlerischer „Verfransungen“ (Adorno) und multipler Hybridformen? Modernistischen Versuchen einer Rückführung der Kunst auf ihr reines, illusionsfreies Medium stehen neuere Entwicklungen gegenüber, in denen Intermedialität, Cross-Over und transmediale Praktiken neue Maßstäbe setzen. Allen Beschwörungen einer ‚postmedialen Bedingung‘ zum Trotz bleibt die klassische Frage jedoch virulent, welche Rolle materielle Qualitäten bei Formbildungsprozessen spielen und inwiefern die jeweiligen Erscheinungskontexte die Zirkulation von Zeichen maßgeblich verändern.
Alle DGÄ-Mitglieder sind angesprochen, Vorschläge zu diesem Thema einzureichen, sei es in historischer oder zeitgenössischer, in systematischer oder angewandter Perspektive. Es geht um den ‚Eigensinn‘ ikonischer, choreographischer, filmischer oder architektonischer Artefakte, um nur einige wenige zu nennen, um die Analog/Digital-Differenz, die medialen Voraussetzungen in der Massenproduktion und -reproduktion von Kunst und um die Funktion von Medien in der Verbreitung, Kommentierung und Archivierung, bis hin zu ihrem Einsatz in den künstlerischen Schaffensprozessen selbst, etwa im Kontext KI-generierter Kunst. Es wird zu diskutieren sein, welche Konsequenzen dies für klassische ästhetische Konzepte wie Originalität, Autorschaft oder Kreativität nach sich zieht – gibt es KI-Kunst überhaupt und wenn ja, wie lässt sie sich spezifizieren? –, bis hin zum exorbitanten ökologischen Fußabdruck vermeintlich entmaterialisierter Phänomene wie NFT und Crypto Art.
Der Fokus des Kongresses liegt insofern nicht nur auf den Medien in den Künsten, sondern auch – gleichsam in umgekehrter Verschränkung – auf der Funktion der Künste in den Medien. Wenn es stimmt, dass man an ästhetischen Objekten, Situationen und Ereignissen besonders eingängig nachvollziehen kann, dass sich Form und Inhalt, Medium und Botschaft nicht voneinander lösen lassen, welche Einsichten ergeben sich daraus für mediale Prozesse allgemein? Was heißt es für das vorherrschende Transparenz-Paradigma von Medialität, wenn die Werke zunehmend das sinnlich-ästhetische Potential von Medien entdecken, die sich nicht mehr zugunsten des Dargestellten durchsichtig machen? Werden nicht gerade an den Gestaltungsmerkmalen andere, bislang ungesehene Seiten erkennbar? Wenn jede Kunst in diesem Sinne als Medienkunst zu gelten hat, dann insofern, als sie mit Medien reflexiv und kritisch arbeitet und aufzeigt, wie diese arbeiten. Künste ohne Medien sind leer, soviel steht außer Frage, aber lässt sich im Umkehrschluss auch behaupten, dass Medien ohne Künste blind sind? Der Kongress bietet Anlass, über die Relevanz ästhetischen Denkens für massenmediale Gesellschaften zu debattieren.
Sektionen:
– Das Material der Künste: Stoff, Zeug, Widerstand
– Medien der Gestaltung: Design, Entwurf, Formbildung
– Aktiv, Passiv, Medial: Zur Medialität ästhetischer Erfahrungen
– Medien des Wissens: Interpretation, Versuchsanordnung, Experiment
– Medium und Milieu: Umgebung, Umraum, Umwelt
– Intermedialität, Transmedialität, Hypermedialität: Ästhetik in globalen Zeiten
– Maschinenkunst: Künstliche Intelligenz, Algorithmik, Kreativität
Informationen: kongress2024@dgae.de
Wann? | 09.09.2024 12:45 - 12.09.2024 14:45 |
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Wo? | PER 22 Auditorium Joseph Deiss Bd de Pérolles 90, 1700 Fribourg |
Kontakt | Département de Philosophie Emmanuel Alloa emmanuel.alloa@unifr.ch |
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