Master in Mehrsprachigkeitsforschung mit Option Rätoromanisch

Mehrsprachigkeit und Migration

Marie-Christin Dotzlers Sprachbiografie ist alles andere als gewöhnlich. Sie ist eine deutsche Staatsbürgerin, die für einen Erasmus-Aufenthalt in der Schweiz gelandet ist und eine Leidenschaft für die rätoromanische Sprache entwickelt hat. Die Sprache hat sie in Freiburg gelernt, ohne einen Fuss nach Graubünden zu setzen! Kein Wunder, dass sich die Studentin der Mehrsprachigkeitsforschung für die Lebenswege von Immigrant_innen und deren sprachliche Schwierigkeiten in den romanisch geprägten Regionen interessiert und dies zum Thema ihrer Masterarbeit macht.

Mit ihrem Fokus auf der migrationsbedingten Mehrsprachigkeit in den rätoromanischen Sprachregionen stellt die Arbeit von Marie-Christin Dotzler wissenschaftliche Antworten zur politisch relevanten Problematik der Integration bereit.

Eine Studentin, die Grenzen überschreitet, im Gespräch.

Haben Sie sich sofort in die rätoromanische Sprache verliebt?

Ich interessiere mich einfach sehr für Sprachen im Allgemeinen (als Linguistin nicht wirklich überraschend) und als ich von der Möglichkeit erfuhr, an der Uni Freiburg auch Kurse zur rätoromanischen Sprache zu besuchen, war ich sofort begeistert. Für Minderheitensprachen gibt es oft nicht so viele Lehrangebote, schon gar nicht ausserhalb des traditionellen Verbreitungsgebiets, und deshalb wusste ich, dass ich diese Chance nutzen muss.

Erzählen Sie von Ihrer Masterarbeit!

Die Idee für das Thema kam durch den Besuch der Lehrveranstaltungen von Herrn Prof. Dr. Grünert zur rätoromanischen Minderheit in der Schweiz. In diesen wurde auch auf die Situation von Personen, die in das romanische Gebiet zuwandern, eingegangen und darauf, dass man hierzu noch genauer forschen könnte. Da dachte ich mir, das wäre ein spannendes Thema für meine Masterarbeit :)

Wie war die Arbeit vor Ort und die Beziehungen zu den Menschen in Graubünden?

Ich war nie in Graubünden. Das ist wohl eine der Absurditäten der digitalen Welt: Ich habe meine Masterarbeit vollständig von Deutschland aus geplant, durchgeführt und geschrieben. Ich wäre gerne vor Ort gewesen, um die Interviews durchzuführen, aber letztlich hat sich Zoom als die geeignetere Option erwiesen. Ich werde aber demnächst eine Reise planen, um die Region endlich persönlich kennenzulernen.

Welchen Nutzen werden Ihrer Meinung nach die Gesellschaft und die lokalen Behörden aus Ihrer Arbeit ziehen können?

Die Arbeit trägt in allgemeiner Form dazu bei, die Lebenswege von zugewanderten Personen und die Schwierigkeiten und Herausforderungen, die diese (in sprachlicher Hinsicht) nach der Migration meistern müssen, sichtbar zu machen. Konkrete Ergebnisse aus meiner Analyse, die ggf. politisch relevant sein können, betreffen die Strategien zur Aneignung des Deutschen und/oder Romanischen, den Umgang mit der eigenen Mehrsprachigkeit und die Rolle, die dem Sprachenlernen bei der erfolgreichen Integration vor Ort zugeschrieben wird.

Das letzte Wort? In rätoromanischer Sprache?

« Viver la varietad en l’unitad » 

Ich denke ein schönes Fazit zu meiner Masterarbeit wäre "viver la varietad en l’unitad". Das ist aus der rätoromanischen Version der Schweizer Bundesverfassung und bedeutet "die Vielfalt in der Einheit leben". Das passt sowohl für die Wertschätzung des Rätoromanischen als auch für die Anerkennung der Sprachen und Kulturen zugewanderter Personen.

Migrationsbedingte Mehrsprachigkeit im rätoromanischen Sprachgebiet

Die Masterarbeit von Marie-Christin Dotzler ist der Erforschung von Sprachbiografien von Menschen, die in das rätoromanische Sprachgebiet aus dem Ausland zugewandert sind, gewidmet. Unter dem Begriff "Sprachbiografie" versteht man den Lebensweg einer Person aus sprachlicher Perspektive: Also mit welchen Sprachen man Erfahrungen gemacht hat, wie man zu den verschiedenen Sprachen steht, mit wem man welche Sprache(n) verwendet usw.

Da die Personen, die ins romanische Gebiet zuwandern, sowohl mit dem Rätoromanischen als auch mit dem Deutschen konfrontiert werden, wollte Marie-Christin Dotzler herausfinden, wie sie mit der Zweisprachigkeit umgehen, aber auch welche Rolle ihre jeweiligen Herkunftssprachen bzw. andere Sprachen in ihrem Leben einnehmen. Dafür hat sie Interviews mit neun Personen aus verschiedenen Ländern (Portugal, Ex-Jugoslawien, den Niederlanden, Dänemark und Taiwan) geführt, transkribiert und nach verschiedenen inhaltlichen Aspekten ausgewertet.

Die Ergebnisse zeigen einerseits die Diversität innerhalb der Migrationsbevölkerung, aber auch bestimmte Muster und Ähnlichkeiten innerhalb der verschiedenen Profile, sei es bezüglich der Sprachlernstrategien, der Einstellung zu bestimmten Sprachen oder der Rolle, die man Sprache(n) bei der Integration beimisst.