Projekt First Gen+: Bekämpfung der sozialen Selektivität an Schweizer Hochschulen
Soziale Selektivität und Studierende der ersten Generation, worum geht es?
Soziale Selektivität bezeichnet die Ungleichheiten beim Zugang, im Verlauf und beim Erfolg in der Hochschulbildung und in den akademischen Karrieren, die mit der sozialen Herkunft der Studierenden zusammenhängen. In der Schweiz, wie auch anderswo, stossen junge Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Hintergrund auf mehr Hindernisse als ihre Altersgenoss_innen mit einem privilegierteren Hintergrund. Diese Situation trifft auch allgemein auf Jugendliche zu, deren Eltern keine akademische Laufbahn durchlaufen haben.
Diese Ungleichheiten beschränken sich nicht nur auf die finanziellen Ressourcen. Die Forschung zeigt, dass sie in einer ungleichen Verteilung von Kapital wurzeln: wirtschaftlich, aber auch sozial (Beziehungsnetz, familiäre Unterstützung) und kulturell (Vertrautheit mit den Codes und Normen der Universität).
Während 78% der Schweizer Wohnbevölkerung aus Familien stammen, in denen die Eltern keine Hochschulbildung absolviert haben, sinkt dieser Anteil unter den Studierenden an universitären Hochschulen auf 53%. Während schweizweit nur 23% der 20- bis 35-Jährigen aus Familien stammen, in denen mindestens ein Elternteil eine Hochschulausbildung absolviert hat, steigt dieser Anteil aber auf 47% der Studierenden auf der Tertiärstufe (Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen) (BFS, SSEE 2020).
Diese Unterschiede werden allzu oft fälschlicherweise als individuelle Defizite interpretiert. In Wirklichkeit sind sie Ausdruck struktureller Barrieren.
Das Projekt „Selektivität aufgrund sozialer Herkunft an Schweizer Hochschulen“
Um auf diese Ungleichheiten zu reagieren, wurde das Projekt „Selektivität aufgrund sozialer Herkunft an Schweizer Hochschulen“ im Rahmen des Bundesprogramms P-7 Diversität, Inklusion und Chancengleichheit in der Hochschulentwicklung (2021-2024) von swissuniversities ins Leben gerufen. Dieses Projekt, das von fünf Partneruniversitäten (Universität Bern, Freiburg, Luzern, St. Gallen und Zürich) getragen wurde, ermöglichte es, die Thematik der First-Generation Students und wie sie sich in der Schweiz manifestiert, besser zu verstehen.
Diese Arbeit führte unter anderem zur Organisation einer nationalen Konferenz im Jahr 2023, die den Grundstein für erste konkrete Massnahmen legte und die Thematik in einem grösseren Rahmen bekannt machte. Zudem wurde ein Empfehlungskatalog für die Hochschulen und die Akteur_innen der Hochschulbildung in der Schweiz verfasst und eine Online-Informationsplattform für zukünftige First-Gen Studierende, Studierende und Absolventen geschaffen.
Das First Gen+ Projekt: eine Erweiterung
Als Fortsetzung dieser Initiative, folgt das Projekt „First Gen+ - Advance First-Generation Students and Academics in Swiss Higher Education“ im Rahmen des neuen Programms Chancengerechtigkeit – Förderung der Gleichstellung, Diversität und Inklusion auf allen Ebenen der Hochschulen 2025-2028 (die Finanzierung ist für das Jahr 2025 und 2026 bestätigt, der weitere Verlauf hängt von den Entscheidungen des Bundes ab). Diese neue Phase soll die eingeleiteten Dynamiken verstärken und das Netzwerk der Partnerinstitutionen erweitern, diesmal sind es acht: Neben Bern und Freiburg und Luzern sind nun auch die EPFL, die ETHZ sowie die Universitäten von Genève, Neuchâtel und der italienischen Schweiz dabei.
Zu den wichtigsten für dieses Jahr geplanten Massnahmen gehören:
- Die Veröffentlichung und öffentliche Bekanntmachung der Online-Plattform,
- Die Verbreitung des Empfehlungskatalogs, der sich an die Hochschulen sowie an die Akteur_innen der Hochschulbildung in der Schweiz richtet,
- Schulungen für die Partnerinstitutionen,
- Die Schaffung eines nationalen Netzwerks von First-Gen Students und First-Gen Mitglieder des Mittelbaus,
- Der Aufbau einer Zusammenarbeit zwischen den Partneruniversität für die Advocacy-Arbeit und für den Austausch von Best Practices zwischen den Institutionen.
Das Projekt „First Gen+“ beschränkt sich nicht darauf, den Zugang zur Universität zu erleichtern. Es zielt auch darauf ab, das Zugehörigkeitsgefühl, den akademischen Erfolg und das Wohlbefinden der betroffenen Studierenden während ihres gesamten Studienverlaufs zu stärken.
Indem es Ungleichheiten als strukturell anerkennt, schlägt es einen Perspektivwechsel vor: die Aufwertung von Pionierleistungen und den Aufbau einer gerechteren, zugänglicheren und die Vielfalt der Gesellschaft besser repräsentierenden Universität.
Kontakt: Stephanie Voser