Was sagt die Forschung?

Es gibt viele Diskussionen zum Thema geschlechtersensible Sprache. Die psycholinguistische Forschung konzentrierte sich in den letzten zehn Jahren vor allem auf die Untersuchung der unterschiedlichen Bedeutungen der männlichen Form von Personenbezeichnungen in den Sprachen, die grammatische Genusmarkierungen haben.
Die grammatikalischen Regeln besagen, dass die männliche Form zwei Bedeutungen hat:

  • Spezifisches Maskulinum [= Mann oder Männer]:
    Die männliche Form bezieht sich auf einen Mann oder mehrere Männer. Diese Bedeutung lernen wir in der Schule als erstes. Sie wird der weiblichen Form entgegengesetzt, welche sich auf eine oder mehrere Frauen bezieht.
    Z.B.: Die Professoren (Männer) nehmen an einer Sitzung teil.
  • Generisches Maskulinum [= Frauen und Männer]:
    Die männliche Form kann verwendet werden, wenn eine Gruppe entweder aus Frauen und Männern besteht oder wenn unbekannt oder irrelevant ist, welchem Geschlecht die Personen der Gruppe angehören (GYGAX, GABRIEL, SARRASIN, GARNHAM & OAKHILL, 2009: 235-246).
    Z.B.: Die Professoren (Frauen und Männer) nehmen an einer Sitzung teil.

Bezogen auf unser Sprachverständnis schafft diese doppelte Verwendung eine Zweideutigkeit, mit der unser Gehirn – oder genauer gesagt unser kognitives System – umgehen muss. Deshalb wurde in vielen wissenschaftlichen Studien untersucht, wie unser Gehirn diese Mehrdeutigkeit verarbeitet.

Wie weiss unser Gehirn, ob es sich um eine Gruppe von Männern oder um eine gemischte Gruppe handelt?

Derzeit stimmen praktisch alle Forschungsergebnisse zu diesem Thema überein, dass die spezifische Bedeutung der männlichen Form unser Verständnis dominiert. Es ist also nicht von der Hand zu weisen, dass wir beim Lesen des Satzes „Die Professoren kamen aus dem Raum heraus“ automatisch eine mentale Repräsentation bilden, die vornehmlich aus Männern besteht.
Die neueren Studien zum Sprachverständnis legen nahe, dass es unmöglich ist, die Aktivierung des Zusammenhangs zwischen grammatisch maskuliner Form und dem mentalen Konzept «Mann» zu verhindern (GYGAX, GABRIEL, LEVY, POOL, GRIVEL & PEDRAZZINI, 2012: 395-408). Selbst wenn man Menschen bittet, die maskuline Form generisch zu interpretieren (also Frauen und Männer gleichermassen einzubeziehen), lässt sich die Aktivierung des genannten Zusammenhangs nicht vermeiden. Die maskuline Form wirkt also einschränkend auf unsere mentale Repräsentation, denn selbst wenn generisch Frauen und Männer gleichermassen eingeschlossen werden sollen, hat unser kognitives System Schwierigkeiten, dies so zu verstehen.

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