• Negel Joachim

• Negel Joachim

Wir leben in einer Zeit, die von vielen Soziologen auf paradoxe Weise als monotheismuskritisch und religionsfreundlich zugleich beschrieben wird. Was in dieser Situation not tut, ist eine systematische Reflexion auf jene Zusammenhänge, die der Begriff „Offenbarung“ bezeichnet. Denn einerseits beziehen Juden- und Christentum ihre Legitimation aus einer unverfügbaren (Selbst-)Offenbarung Gottes; andererseits erweist sich gerade diese Legitimation als prekär. Abgesehen davon nämlich, daß mancher Offenbarungsanspruch eher auf menschliche Ansprüchlichkeiten schließen lässt denn auf göttlichen Sukkurs, besteht ein wesentliches Merkmal biblischer Offenbarung darin, dass die menschliche Vernunft hier mit einem Wort konfrontiert wird, das sie sich selber nicht sagen kann und sich doch sagen lassen muss, will sie Gott und seine Heilszusage nicht verfehlen. Trotz aller berechtigten Hinterfragung überkommener Wahrheitsansprüche kann sich die Vernunft deshalb im letzten nicht zur Richterin über Gottes Wort aufwerfen; sie muss sich vielmehr von ihm belehren lassen, ohne dass solche Belehrung zur Übermächtigung des Belehrten entarten müsste oder dürfte. Denn Offenbarung als Inbegriff des Geglaubten ist „nicht in Abgrenzung zum vernünftig Gewußten gefasst, sondern als Herausforderung der menschlichen Vernunft, sich an dem ihr unverfügbar Gegebenen selbst zu entdecken.“ (J. Werbick)
Inwiefern dies der Fall ist, wird Thema der Vorlesung sein, die in drei großen Schritten voran-schreitet: Offenbarung „religionsphänomenologisch“, „transzendentalphilosophisch“, „strukturontologisch“.

Die Vielfalt biblisch bezeugter Offenbarungsphänomene (Traum, Vision, Divination, Audition etc.) soll kennengelernt werden.
Der Offenbarungsbegriff soll als apologetische Kategorie wahrgenommen und hinsichtlich seiner immanenten Stärken und Schwächen begutachtet werden.
Aktuelle philosophische Argumentationsmuster hinsichtlich einer reflektierten Darstellbarkeit christlicher Theologie als Offenbarungstheologie sollen bereitgestellt werden.

K. Rahner, Über die Schriftinspiration (QD 1), Freiburg i.Br. 1958.
 J. Werbick, Den Glauben verstehen. Eine Fundamentaltheologie, Freiburg i.Br. 32005, 229-424.
  H. Gabel, Inspirationsverständnis im Wandel. Theologische Neuorientie-rung im Umfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils, Mainz 1991.
 J. Negel, Projektion als Inspiration. Versuch einer phänomenologischen Refor-mulierung des Offenbarungsbegriffs, Freiburg i.Br. 2015.
 M. Kutzer, In Wahrheit erfunden. Dichtung als Ort theologischer Erkenntnis (ratio fidei 30), Regensburg 2006.
  P. Ricœur, Herméneutique de l‘idée de la Révélation, in: Ders. u.a., La Révélation (Publications des Facultés universitaires de Saint-Louis 7), Bruxelles 1977, 15-54.  – Dt.: Hermeneutik der Idee der Offenbarung, in: Ders., An den Grenzen der Hermeneutik. Philosophische Reflexionen über die Religion (hrsgg., übersetzt und mit einem Nachwort versehen von V. Hoffmann), Frei-burg i.Br. 2008, 41-83.