GesundheitPublikationsdatum 02.07.2025
Verborgenes Gen mit Doping-Effekt auf das Blut
Ein internationales Wissenschaftskonsortium, dem fünf Forschende der Universität Freiburg angehören, konnte nachweisen, dass Genmutationen für bestimmte Formen von Erythrozytose verantwortlich sind. Diese Erkrankung bewirkt eine Überproduktion roter Blutkörperchen – eine Störung, die Thrombosen verursachen kann.
Wer sich für den Radsport oder sonstige Ausdauersportarten interessiert, dürfte schon einmal von Epo – kurz für Erythropoetin – gehört haben: Dieses Hormon regt auf natürliche Weise die Bildung von roten Blutkörperchen an. Illegale Epo-Injektionen rückten durch verschiedene Dopingskandale in den Mittelpunkt, wie bei der Festina-Affäre in den 1990er-Jahren. Manchmal produziert der Körper aber selbst zu viel davon – ohne Schummelei oder Doping.
Regulierung der Bildung von roten Blutkörperchen
Bei Sauerstoffmangel (Hypoxie) im Körper reagieren spezialisierte Zellen in den Nieren, indem sie Erythropoetin produzieren. Dieses Hormon gibt dem Knochenmark das Signal, mehr rote Blutkörperchen zu bilden. «Mehr rote Blutkörperchen bedeuten eine verbesserte Fähigkeit, die Organe mit Sauerstoff zu versorgen», erklärt Dr. Darko Maric. Die Folge: Das Gleichgewicht wird wiederhergestellt. Im Normalfall endet das Signal, sobald sich der Sauerstoffgehalt normalisiert hat. Eine Überproduktion roter Blutkörperchen wird so vermieden.
Wenn der Körper zu viele rote Blutkörperchen produziert
Erythrozytose ist eine Erkrankung, bei der zu viele rote Blutkörperchen produziert werden. Bei Betroffenen können Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel und Abgeschlagenheit auftreten. Vor allem aber hat die Erkrankung eine steigende Blutviskosität zur Folge, wenn sie undiagnostiziert und unbehandelt bleibt. Das kann wiederum zu Komplikationen wie Thrombosen, Schlaganfällen und Herzinfarkten führen.
Aktuelle Behandlungsmethode: Aderlass
Zu den wichtigsten Behandlungsmethoden bei Erythrozytose zählt aktuell der Aderlass. Dabei wird den Betroffenen regelmässig eine bestimmte Menge Blut entnommen, um die Anzahl roter Blutkörperchen und damit die Blutviskosität zu senken. Diese Behandlung ist zwar wirksam, aber unkomfortabel. Sie erfordert eine kontinuierliche ärztliche Betreuung und kann die Krankheit nicht heilen.
Erkrankung mit unbekannter Ursache
Erwähnenswert ist auch, dass in ca. 70 Prozent der Fälle von Erythrozytose die Ursache unbekannt bleibt. Das erschwert Diagnose und Behandlung. Ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen und die Identifizierung genetischer oder umweltbedingter Einflussfaktoren könnten die Diagnostizierung verbessern und zu einer schnelleren Behandlung führen.
Epo-Gen mit kleinen Fehlern
Ein europäisches Forschungsteam hat Familien untersucht, in denen mehrere Mitglieder zu viele rote Blutkörperchen aufweisen. Dabei hat es kleine Mutationen in bestimmten Regionen des Epo-Gens entdeckt – also des Gens, das die Produktion von Erythropoetin steuert. Durch diese Mutationen wird das Gen auch ohne wirklichen Bedarf aktiviert. Die Folge ist eine aktivere Form, die eine Überproduktion roter Blutkörperchen verursacht. Aus biochemischer Sicht ähnelt sie stärker jener Form, die bei Neugeborenen beobachtet wird. «Das ist eine wichtige Erkenntnis», freut sich Dr. Darko Maric, Co-Hauptautor der Studie und Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe von Prof. David Hoogewijs am Departement für Endokrinologie, Metabolismus und Kardiovaskuläres System (EMC) der Universität Freiburg.
Implikationen für die Medizin
Die Studie zeigt den Einfluss von Mutationen auf, die sich ausserhalb von kodierenden Regionen des Epo-Gens befinden, und bietet damit mögliche Erklärungen für bisher rätselhaft gebliebene Fälle. Auch könnte sie die Diagnostik ändern, indem nicht nur der Erythropoetin-Wert ermittelt wird, sondern auch die Erscheinungsform dieses Hormons.
Längerfristig ebnet diese Erkenntnis den Weg für neue Perspektiven wie verbesserte Tools zur Diagnose von Erythrozytose und die Entwicklung neuer Therapieansätze, namentlich durch die Gentherapie CRISPR-Cas9. Auch eine entsprechende Berücksichtigung in genetischen Untersuchungen ist denkbar und könnte helfen, seltene Erythrozytose-Syndrome zu identifizieren. Ein Modulieren der Produktion dieser Epo-Form könnte zudem innovative Lösungsansätze für die Behandlung von Anämien, Beta-Thalassämien und mit Hypoxie verbundenen Erkrankungen mit sich bringen. Anders gesagt: Ein seltener Genfehler könnte sich als Türöffner erweisen für künftige massgeschneiderte Behandlungen.
An der Studie beteiligte Personen der Universität Freiburg:
Dr. Darko Maric, Dr. Anna Keppner, Sarah Mathilda Vincent, MSc, Vincent Antunes, MSc, Prof. Dr. David Hoogewijs, Laborleiter
Martin, Laurent, Darko Maric, Salam Idriss, et al. “Identification of Hepatic-like EPO as a Cause of Polycythemia.” The New England Journal of Medicine, 1 May 2025, DOI: 10.1056/NEJMoa2414954