Publikationsdatum 08.01.2024

Ein lang bekannter Fundort enthüllt neue Geheimnisse


Das Amazonasgebiet ist durch eine beispiellose Biodiversität geprägt. Den Paläontolog_innen mangelt es aber an Fossilien, um die Evolutionsgeschichte nachverfolgen zu können. Juan Carrillo, Forscher an der Universität Freiburg, und seine Kolleg_innen aus anderen Institutionen haben nun Daten einer seit über einem Jahrhundert bekannten Fundstelle analysiert. Dabei haben sie bemerkenswerte Entdeckungen gemacht, die einen neuen Einblick in diese unbekannte Vergangenheit ermöglichen.

Der Amazonas-Regenwald beherbergt eine erstaunliche Artenvielfalt, die das Ergebnis einer sehr langen, von klimatischen und landschaftlichen Veränderungen geprägten Geschichte ist. Wie üblich in tropischen Regionen gibt es auch im Amazonasgebiet mehr Pflanzen- und Tierarten als anderswo auf der Welt. Fossilien könnten uns helfen, diese Entwicklung nachzuverfolgen, aber im tropischen Südamerika gibt es nur wenige gut erforschte Fossilienvorkommen.

Eine aussergewöhnliche Fossilienfundstätte
Selten, aber nicht inexistent! In der heutigen Tatacoa-Wüste in Kolumbien befindet sich die unter Paläontolog_innen bekannte Fossilienfundstätte La Venta. Forschende haben dort Fossilien freigelegt, die 13 bis 11 Millionen Jahre alt sind und sich in einem aussergewöhnlich guten Zustand befinden. Die Fossilien weisen eine grosse Artenvielfalt auf und belegen die Existenz eines ehemaligen Regenwaldes. Zu dieser Zeit hatte sich der nördliche Teil der Anden noch nicht gehoben, und das Klima war wesentlich wärmer als heute.

Bekannt, aber wenig erforscht
Die Tatacoa-Wüste war Paläontolog_innen bereits seit einem Jahrhundert bekannt, doch die letzten grösseren Expeditionen liegen Jahrzehnte zurück. Vor kurzem nahm eine interdisziplinäre Gruppe von Forschenden aus kolumbianischen und internationalen Institutionen, darunter Juan Carrillo von der Universität Freiburg, die paläontologischen Studien an diesem Ort in enger Zusammenarbeit mit der örtlichen Gemeinde von La Victoria, einer ländlichen Kleinstadt mit etwa 3000 Einwohnenden, wieder auf.

Neue Entdeckungen
Das Durchkämmen der Fundstelle und der «alten» Funde ermöglichte es den Paläontolog_innen, aussergewöhnliche Entdeckungen zu machen, wie den ältesten Verwandten der Amazonas-Flussschildkröte, eine alte Welsart und ein aussergewöhnliches Fossil eines ausgestorbenen Säbelzahnmarsupials. Die Ergebnisse zeigen, dass es trotz eines Jahrhunderts Forschung noch viel von dieser Stätte zu lernen gibt. Sie werden den Wissenschaftler_innen helfen zu verstehen, wie Klimaveränderungen und geologische Ereignisse wie die Hebung der Anden die Entwicklung der tropischen Biodiversität beeinflusst haben.

Nicht nur eine wissenschaftliche, sondern auch eine lokale Wirkung
Dank der gemeinsamen Arbeit von Forschenden und jungen Führungskräften der örtlichen Dorfgemeinschaft in La Victoria wurde vor kurzem ein neues Museum eingerichtet. Dieses trägt nicht nur zur Entwicklung des Tourismus in der Stadt bei, sondern erfüllt auch zahlreiche Bildungsaufgaben, was für den Schutz und die Erforschung des paläontologischen Erbes von grosser Bedeutung ist.
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Quelle: CARRILLO J. D. (ed.) 2023. — Neotropical palaeontology: the Miocene La Venta biome. Geodiversitas, vol. 45, arts 3, 6, 10, 12, 13, 15, 18, 25, 26.

Bilder-Credits: Guillermo Torres. Banco de Imágenes Ambientales (BIA). Instituto de Investigaciones de Recursos Biológicos Alexander von Humboldt.