WillkommenPublikationsdatum 02.12.2022

"Man sollte nie vergessen, dass Forschung von Neugier getrieben sein sollte"


Seit September 2022 ist Michael Schüler Professor am Departement für Physik der Universität Freiburg und am Paul Scherrer Institut. Interview

Was hat Sie dazu geführt, unsere Universität für Ihr Labor/Ihre Forschung zu wählen?

Nachdem ich meinen Doktortitel von der Martin Luther Universität in meiner Heimatstadt Halle bekommen hatte bin ich nach Fribourg für meinen ersten Postdoc gezogen. Ich habe sehr schöne Erinnerungen an diese Zeit. Fribourg und die Umgebung sind für mich mit ihrer einzigartigen Schönheit etwas Besonderes.

Mit der Ambizione Forschungsförderung bin ich dann von Stanford University in die Schweiz zurückgekehrt und hatte die Möglichkeit am Paul Scherrer Institut (PSI) zu arbeiten. Da ich die Zusammenarbeit mit Kollegen, die Experimente durchführen, wirklich sehr schätze, ist PSI mit seinen Grossforschungsanlagen ein sehr guter Ort für meine Forschung. Die Professorenstelle, die ich kürzlich sowohl am PSI als auch an der Universität Freiburg angetreten habe, vereint das Beste beider Welten für mich. Ausserdem ist das Departement für Physik an der Universität zwar klein, hat aber einen Forschungsschwerpunkt, der sich sehr gut mit meinen Interessen deckt. Die Professoren sind nicht nur Experten in ähnlichen Forschungsgebieten wie ich, sondern auch grossartige Kollegen.

Erzählen Sie uns von Ihrer Forschung. Was ist das Thema Ihrer Forschung und was sind Ihre Ziele?

Was mich wirklich interessiert ist, die Brücke zwischen Theorie und Experimenten in Materialwissenschaften zu schlagen. Ich versuche zu verstehen, was man von Quantenmaterialien aus Spektroskopien lernen kann. Quantummaterialien haben viele mikroskopische Eigenschaften, die sich auf makroskopischer Skala manifestieren. Wie und warum das passiert ist oft sehr kompliziert, insbesondere aufgrund der vielen quantenmechanischen Freiheitsgrade.

Spektroskopien können helfen, diese mikroskopischen Eigenschaften zu entwirren — wenn wir sie im Detail verstehen können. Photoemissionsspektroskopie ist eine der mächtigsten Methoden in diesem Zusammenhang. Obwohl die Methode recht alt, war ein detailliertes Verständnis, wie das gemessene Signal mit Aspekten der quantenmechanischen Wellenfunktion in Materialien zusammenhängt, nicht möglich. Das ist, was wir in meiner Gruppe angehen wollen: wir versuchen, Quanteneigenschaften mit möglichen Experimentellen Signaturen in Verbindung zu setzen.

Eine andere Idee im Forschungsfeld ist, die mikroskopischen Freiheitsgrade in der Zeitdomäne zu entkoppeln. Da gibt es gerade viele interessante Entwicklungen im Zusammenhang mit ultraschneller Spektroskopie und grossartige Möglichkeiten, im Department mit Kollegen sowohl auf der theoretischen als auch auf der experimentellen Seite zusammenarbeiten.

Als eine grundlegendere Frage interessiert mich, wie man “versteckte” mikroskopische quantenmechanische Eigenschaften, die nicht direkt messbar sind, aber trotzdem eine wichtige Rolle spielen, sichtbar machen kann. Insbesondere denke ich, dass das Verständnis der Quantengeometrie — die fundamental für die Art und Weise ist, wie Licht an Materie koppelt — immer wichtiger für Materialdesign wird.

Warum haben Sie sich für Ihr Gebiet als Beruf entschieden?

Da gibt es viele gute Gründe. Letztendlich kann man mit Dingen “spielen” und so neue Einsichten zu gewinnen und ungelösten Probleme auf den Grund zu gehen. Es gibt so viele offenen Fragen und ich mag die Art und Weise, wie wir diese als Wissenschaftler angehen, wirklich sehr. Sicher, mit unserer guten Ausbildung und Jahren von Forschungserfahrung gehen wir Fragestellungen strukturiert an — aber man sollte nie vergessen, dass Forschung von Neugier getrieben sein sollte. Das ist etwas, was unser Schulsystem manchmal etwas zu wenig betont, da man denkt alles sollte effizient sein. Aber letztendlich sollte man nicht vergessen, dass man Kreativität und einen etwas spielerischen Ansatz braucht, um Entdeckungen zu machen.

Und natürlich ein anderer wichtiger Aspekt ist, wie kommunikativ die Arbeit tatsächlich ist. Das ist vielleicht etwas, was generell nicht so bekannt ist — wir treffen uns tatsächlich viel, sprechen mit Kollegen und tauschen Ideen aus. Diese offene Kommunikation finde ich wirklich inspirierend.

Was ist Ihre Lehrphilosophie? Welche Botschaft wollen Sie den Studierenden vermitteln?

Das Wissen und Fähigkeiten weiterzugeben, die ich über die Jahre erworben habe, ist ein wichtiger Eckpfeiler von akademischer Arbeit. Ich betrachte es als Privileg (und auch als viel Spass). Effektive Lehre kann der nächsten Generation von Wissenschaftlern, Denkern und Problemlösern den Weg bereiten und damit die wissenschaftliche Community als ganzes unterstützen. Darüberhinaus sollte man nie vergessen, dass Unterrichten auch Lernen bedeutet. Der lebhafte Austausch mit Studierenden bringt oft neue Sichtweisen hervor. Nach meiner Erfahrung denke ich, dass Lehre mehrschichtig angelegt sein sollte, sodass alle Gruppen von Studierenden so viel wie möglich aus dem Unterricht mitnehmen können. Letztendlich hoffe ich, dass ich Enthusiasmus für die Physik und kreatives Denken im Allgemeinen vermitteln kann.

Am 21. Dezember um 16:50 Uhr wird Michael Schüler seine Antrittsvorlesung zum Thema "Understanding and manipulating quantum materials with light" am Departement für Physik halten. Alle Mitglieder der Fakultät und Studierende sind herzlich eingeladen.