Publikationsdatum 04.12.2025
Drei SNSF Starting Grants an der Unifr: Neugier, Herausforderungen und Entdeckungen
Die SNSF Starting Grants 2025 sind vergeben, und drei Forscherinnen und Forscher werden ihre geförderten Projekte bald an der Universität Freiburg starten. Ihre Arbeiten decken ein bemerkenswert breites Spektrum ab — von quantenbasierten Ansätzen zur Untersuchung molekularer Prozesse über die Geschichte von Geschlecht und Demokratie bis hin zur Biologie zellulärer Signale.
In den folgenden Kurzinterviews teilen sie Einblicke in ihre Forschung, die Herausforderungen des Bewerbungsprozesses und das, worauf sie sich in der kommenden Projektphase besonders freuen. Begegnen Sie John Abendroth, Zoé Kergomard und Karim Zuhra.
Dr. John Abendroth
John Abendroth ist Physikochemiker und Senior Researcher, dessen Arbeit Chemie, Materialwissenschaft und Physik miteinander verbindet. Ausgebildet an der UCLA, an der Stanford University und an der ETH Zürich leitet er heute ein SNSF-Ambizione-Projekt, das diamantbasierte Quantensensoren nutzt, um zu untersuchen, wie die molekulare Chiralität den Elektronenspin beeinflusst. Seine Forschung zielt darauf ab, dieses ungewöhnliche Phänomen besser zu verstehen und seine mögliche Bedeutung für zukünftige Technologien zu klären.
Können Sie uns Ihr Forschungsprojekt kurz erläutern?
Dieses Projekt nutzt hochentwickelte Quantensensoren, um extrem kurzlebige Elektronenpaare zu beobachten, die entstehen, wenn bestimmte Moleküle Licht absorbieren. Diese Elektronenpaare besitzen gekoppelte Spins, die sowohl biologische Prozesse beeinflussen als auch neue Anwendungen in der Quantentechnologie ermöglichen könnten. Anstelle herkömmlicher magnetresonanzbasierter Methoden verwendet das Projekt einen speziellen Defekt im Diamanten, der winzige Magnetfelder im Nanobereich detektieren kann. Die ersten Experimente untersuchen massgeschneiderte Moleküle, die solche lichtaktivierten Elektronenpaare erzeugen, darunter chirale Varianten, deren „Händigkeit“ den Spin beeinflussen könnte (bekannt als CISS – chirality-induced spin selectivity). Erkenntnisse aus diesen Modellsystemen werden anschliessend Messungen an photoresponsiven Proteinen leiten, in denen ähnliche Elektronenpaare natürlicherweise vorkommen. Diese Forschung könnte dazu beitragen, vorgeschlagene Zusammenhänge zwischen Spindynamik und der Fähigkeit mancher Tiere, das Erdmagnetfeld wahrzunehmen, besser zu verstehen.
Was war für Sie die grösste Herausforderung im SNSF-Starting-Grant-Bewerbungsprozess?
Ich habe mich sowohl für den SNSF Starting Grants als auch für den ERC Starting Grant mit unterschiedlichen Gastinstitutionen beworben. Ich hatte das Glück, beide Grants zugesprochen zu bekommen, und entschied mich, den SNSF-Grant zugunsten des ERC zu verzichten. Die Projekte waren identisch, doch die formalen Anforderungen und Strukturen der Anträge unterschieden sich leicht. Da ich noch keine Assistenzprofessur innehatte, bestand die grösste Herausforderung darin, Institutionen zu finden, die bereit waren, meine Bewerbung zu unterstützen. Auch wenn man eine gute Projektidee hat, ist es nicht selbstverständlich, einen passenden Host zu finden, denn Laborräume sind begehrte Ressourcen und für Forschende, die mit einem Starting Grant neu beginnen, häufig nicht leicht verfügbar. Ebenso sind tenure-track-Stellen in solchen Situationen selten garantiert, was die Suche nach einer geeigneten Institution zusätzlich erschwert.
Haben Sie einen Rat für zukünftige Bewerber_innen?
Fangen Sie früh an. Wie oben erwähnt, kann es viel Zeit in Anspruch nehmen, die passende Gastinstitution zu finden, Gespräche zu führen und herauszufinden, wo die beste Passung liegt. Auch für den Antrag selbst gilt: Geben Sie sich genügend Zeit, um das Projekt zu entwickeln. Ein guter Antrag entsteht nicht über Nacht — die Ideen, die Motivation und die Methoden basieren idealerweise auf der bisherigen Arbeit der antragstellenden Person. Das Projekt sollte wichtige, offene Fragen auf innovative Weise angehen und idealerweise eine neue, interdisziplinäre Forschungsrichtung eröffnen.
Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Ihr Projekt beginnt?
Ich freue mich sehr auf die Unabhängigkeit, eine eigene Gruppe zu leiten, und darauf, ein Team zusammenzustellen, das neue und spannende Fragen an der Schnittstelle von Quantenwissenschaft, Chemie und Biologie untersucht.
Dr. Zoé Kergomard
Zoé Kergomard forschte an der Universität Freiburg, am Deutschen Historischen Institut in Paris und später an der Universität Zürich. Sie ist spezialisiert auf die Geschichte von Demokratie und Geschlecht in der Schweiz, in Deutschland und in Frankreich im 20. und 21. Jahrhundert. Im Zentrum ihrer Arbeit stehen die jüngsten Transformationsprozesse politischer Kommunikation, Repräsentation, Wahlpraktiken und Staatsbürger_innenschaft.
Können Sie uns etwas über Ihr Forschungsprojekt erzählen?
Mein Projekt trägt den Titel The impossible feminist subject? Housewives in France and Switzerland in the wake of second-wave feminism. Es untersucht die Lebenserfahrungen von Frauen, die sich als Hausfrauen identifizieren, im Kontext sich wandelnder Geschlechterverhältnisse in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts — insbesondere im Nachhall der sogenannten „zweiten Welle“ feministischer Bewegungen. Das Projekt stützt sich sowohl auf Archivmaterial (Medien, Frauenbewegungen, persönliche Dokumente usw.) als auch auf biografische Interviews, um Lebensverläufe, Selbstverortungen und Weltbilder von Hausfrauen in all ihrer generationalen, sozialen und kulturellen Vielfalt zu analysieren.
Um die Wechselwirkungen zwischen individuellen Lebenswegen, politischer Mobilisierung und gesellschaftlichem Wandel besser zu verstehen, vergleicht das Projekt Frankreich und die Schweiz — zwei westeuropäische Länder mit sowohl parallelen als auch divergierenden Entwicklungen in den Geschlechterverhältnissen. Durch die Hervorhebung vielfältiger subjektiver Perspektiven von Hausfrauen ermöglicht das Projekt einen differenzierten Blick über stereotype Vorstellungen wie die eindimensionale „Hausfrau“ oder „Tradwife“ hinaus.
Was war für Sie am schwierigsten im Bewerbungsprozess?
Es war das erste Mal, dass ich ein Projekt in meinem eigenen Namen entwickelte — nicht nur für mich selbst, sondern auch für ein Forschungsteam (zwei Doktorierende, eine Postdoc und eine studentische Assistenz). Ich musste eine kohärente Gesamtstruktur finden und — angesichts der teils widersprüchlichen Anforderungen der Förderinstitutionen — ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Innovation und Machbarkeit erreichen. Nach einer persönlich belastenden Phase und gesundheitlichen Problemen fiel es mir zeitweise schwer, mir selbst zu vertrauen und zu akzeptieren, dass im Bewerbungsprozess jeder Tag seine eigenen Herausforderungen mit sich bringt. Glücklicherweise erhielt ich hervorragende Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen der Forschungsservices in Freiburg und Zürich sowie von vielen Historikerinnen und Historikern — ich möchte ihnen an dieser Stelle herzlich danken! Hinter jedem individuellen Projekt stehen zahlreiche Schichten kollektiver Diskussionen, und genau das treibt Forschung voran.
Haben Sie einen Rat für zukünftige Bewerber_innen?
Suchen Sie sich gute Unterstützung — was an sich schon viel Arbeit bedeutet. Nach zahlreichen Kontakten in Frankreich und im Ausland brauchte ich Zeit, um den Kreis derjenigen Personen einzugrenzen, die ich regelmässig mit meinen Fragen und Korrekturanfragen belasten konnte. Hilfreich war für mich auch der Versuch, innerhalb der formalen Grenzen eines solchen Förderantrags kreativ zu arbeiten: Die Zeichenanzahl ist begrenzt, was Prioritätensetzung erzwingt, aber auch hilft, rechtzeitig aufzuhören. Ich versuchte, die Anforderungen des SNSF zu erfüllen und zugleich meinen eigenen Stil einzubringen und Freude an den Fragen und Diskussionen zu entwickeln, die der Antrag auslöste. Eine Expertin oder ein Experte wies darauf hin, dass mein Projekt nicht bloss Annahmen überprüfen wolle, sondern explorativen Charakter habe — etwa im Umgang mit der wandelbaren Kategorie „Hausfrau“. Dieses Feedback hat mich besonders berührt, denn genau das finde ich an der Forschung am spannendsten — und in schwierigen Zeiten am wertvollsten: offene Fragen zu stellen, gegen den eigenen Denkreflex anzudenken und anzuerkennen, dass wir soziale Realitäten nie vollständig erfassen werden.
Auf welchen Aspekt Ihres Projekts freuen Sie sich am meisten?
Es ist schwer, einen einzigen Aspekt auszuwählen, zumal das Schönste wahrscheinlich die unerwarteten Entdeckungen sein werden — die uns vielleicht dazu bringen, die Struktur des Projekts anzupassen (zum Glück ist das möglich!). Zwei Beispiele kann ich dennoch nennen: Erstens freue ich mich sehr darauf, gemeinsam mit dem Team lebensgeschichtliche Interviews zu führen und unser Interviewvorgehen fortlaufend gemeinsam zu reflektieren. Zweitens habe ich bereits spannende Quellen zur Mobilisierung von Hausfrauen in Umweltfragen seit den 1960er-Jahren entdeckt: gegen die Wasserverschmutzung durch phosphathaltige Waschmittel, zur Unterstützung der Abfalltrennung, aber auch im Widerstand gegen das Ende von Mehrwegflaschen und die Verbreitung von Einwegverpackungen. Diese Bewegungen machen die Spannungen sichtbar, die dem konsumorientierten Wachstumsmodell der „Trente Glorieuses“ innewohnen — und zeigen, wie Hausfrauen die ihnen zugeschriebene Rolle als Konsumentinnen unterschiedlich ausfüllten oder sogar unterliefen.
Dr. Karim Zuhra
Karim Zuhra ist Biomediziner und untersucht, wie Zellen Energie erzeugen und regulieren — und wie diese Prozesse die menschliche Gesundheit beeinflussen. Er konzentriert sich auf kleine gasförmige Moleküle wie Stickstoffmonoxid, Schwefelwasserstoff und sogar Blausäure und erforscht, wie sie die zelluläre Signalweiterleitung und die Funktion der Mitochondrien beeinflussen. Seine Arbeit hat dazu beigetragen, zu zeigen, dass Blausäure, lange nur als Gift betrachtet, möglicherweise auch eine natürliche Signalfunktion im Körper erfüllt.
Können Sie uns Ihr Forschungsprojekt kurz vorstellen?
Mein Projekt untersucht, wie unser Körper auf natürliche Weise geringe Mengen gasförmiger Signalmoleküle produziert — und wie dieser Prozess zur Entstehung von Darmkrebs beitragen könnte.
Was war für Sie die grösste Herausforderung im Bewerbungsprozess?
Ehrlich gesagt war die Vorbereitung auf das Interview am schwierigsten. Das Evaluationsgremium bestand aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ganz unterschiedlicher Fachrichtungen, und nicht alle waren mit meinem Forschungsgebiet vertraut. Sich auf ein Gespräch mit einem so heterogenen Publikum vorzubereiten, war definitiv anspruchsvoll. Ich musste Wege finden, meine Forschung verständlich und spannend für alle zu präsentieren — nicht nur für Fachleute.
Haben Sie einen Rat für zukünftige Bewerber_innen?
Wenn Ihr Antrag für ein Interview ausgewählt wird, üben Sie mit so vielen Personen wie möglich — insbesondere ausserhalb Ihres Fachgebiets. Oft kommen die besten Hinweise von ihnen!
Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Ihr Projekt startet?
Ich freue mich sehr darauf, mein eigenes Forschungsteam aufzubauen. Eine Forschungsgruppe zu leiten, ist zugleich spannend und herausfordernd. Eine gute Leitungsperson ist nicht nur eine gute Wissenschaftlerin oder ein guter Wissenschaftler — es geht darum, andere zu inspirieren, sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen und gemeinsam etwas Sinnvolles zu schaffen.
