Publikationsdatum 18.06.2025
Das Wort des Dekans Joachim Negel - HS 2025/III
Liebe Mitglieder der Theologischen Fakultät
Liebe Freundinnen und Freunde
Das Frühjahrssemester geht zuende und mit ihm meine Zeit als Dekan der Theologischen Fakultät. Am 1. August wird für die kommenden drei Jahre Veronika Hoffmann, Professorin für Dogmatik und Theologische Propädeutik, dieses schöne, aber auch zeitraubende und bisweilen schwierige Amt übernehmen. Ich danke der Kollegin sehr für ihre Bereitschaft, sich in die Pflicht nehmen zu lassen – gerade in Zeiten wie den jetzigen. Denn es wird nicht leichter. Wir wissen alle um die Belastungen, die uns der sog. „Rapport Gaillard“ beschert. In „Bundesbern“, wie man so schön sagt, rechnet man in den kommenden Jahren mit strukturellen Defiziten von rund fünf Milliarden Franken jährlich. Deshalb muß im Bund gespart werden, nicht zuletzt im Bereich Bildung und Erziehung.[1] (Ob uns dies gefällt, danach werden wir nicht gefragt.) Es liegt auf der Hand, daß diese Sparmaßnahmen Auswirkungen auch für unsere Universität haben, zumal im Vergleich mit den anderen Landesteilen der Schweiz der Kanton Freiburg finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet ist und deswegen seinerseits ein Sparprogramm ausgerufen hat.[2] Und auch hier trifft es einmal mehr den Bereich Bildung und Erziehung. Unsere Universität stellt im kantonalen Haushaltsplan den prominentesten Posten dar (ca. 251 Mio. CHF jährlich),[3] und so wird unserer Universität nicht nur aus Bern durch Kürzungen der Bundesmittel, sondern auch aus Freiburg durch Kürzung der kantonalen Förderung ein Sparpaket auferlegt, das sich gewaschen hat: Im Laufe der kommenden drei Jahre soll das Universitätsbudget um ca. 18 Mio. Mio. Franken jährlich gesenkt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, haben die fünf (bzw. demnächst sechs) Fakultäten ihr Scherflein beizutragen, wobei es die Theologische Fakultät als die international vielleicht zwar prominenteste, in jedem Fall aber kleinste Fakultät am härtesten trifft. Denn im Zuge einer fragwürdigen Gerechtigkeitslösung sollen alle fünf Fakultäten den gleichen effort bringen: Reduzierung der Fakultätsbudgets um jährlich 750.000 CHF, zu erreichen bis Ende 2027. Für die Theologische Fakultät kommt diese Summe der Streichung dreier Lehrstühle gleich, was natürlich nicht zu leisten ist, wenn wir nicht unseren „Kanonischen Status“ gefährden wollen, d.h. unser Angebot an Studiengängen, die den Standards römischer Master-, Lizentiats- und Doktoratsdiplome entsprechen. (Gerade aufgrund dieser Möglichkeit ist unsere Fakultät international gesehen ja so erfolgreich.) Und so galt es in den vergangenen Monaten, kreativ zu sein, d.h. Wege zu finden, wie die uns abverlangten Sparmaßnahmen unter Vermeidung größerer Schäden halberlei zu realisieren wären.
Ich kann die Ergebnisse hier nicht im Einzelnen aufzählen. Mir scheint aber, daß wir auf einem guten Weg sind, die uns gestellten Herausforderungen nicht nur zu meistern, sondern aus der Not auch noch eine Tugend zu machen (so wird ab dem kommenden Semester zusätzlich zum regulären Präsenzunterricht schrittweise ein Digitalunterricht eingerichtet; Ziel ist es, die Zahl der Studierenden an unserer Fakultät zu erhöhen). Mein Dank gilt deshalb dem Planungskomitee der Fakultät, das im vergangenen Semester die Hauptlast der hierzu nötigen Arbeit zu tragen hatte, sowie, neben den Departementen, Instituten und der Arbeitsgruppe „Digitalunterricht“, dem Fakultätsrat insgesamt, der sich konstruktiv in die nicht immer leichten Diskussionen eingebracht hat. In besonderer Weise aber gilt mein Dank den Dekanen unserer vier bzw. fünf Schwesterfakultäten: Dominik Schoebi, Jacques Dubey, Dirk Morschett, Ulrich Ultes-Nitsche und Philippe Genoud; sie haben in den vergangenen Monaten in beeindruckender Solidarität der spezifischen Situation der Theologischen Fakultät Rechnung getragen. Mes chers collègues doyens : de tout cœur, merci beaucoup pour votre solidarité !
Für ein letztes „Wort des Dekans“ am Ende einer dreijährigen Amtsperiode gäbe es über das Gesagte hinaus noch manches andere zu berichten und zu bedenken – so etwa, daß vor acht Wochen, am Ostermontag, nach einem höchst eindrücklichen, eben deshalb aber auch nicht unumstrittenen Pontifikat Papst Franziskus gestorben ist, der römische Bischof „vom Ende der Welt“.[4] Muchas gracias, Francesco! Requiescas in pace!
Zu bedenken und zu kommentieren gäbe es desweiteren, daß wir seit sechs Wochen in seinem Nachfolger einen Papst haben, der sich „Leo“ nennt (der Name ruft jedem, der mit der jüngeren Kirchengeschichte vertraut ist, den „erste[n] Papst der Moderne“, Leo XIII, in Erinnerung, Autor der ersten Sozialenzyklika „Rerum novarum“).[5] Es war eindrücklich, wie sehr die Weltöffentlichkeit Anteil genommen hat an diesen beiden katholischen Ereignissen. Auch von Menschen, die religiös eher desinteressiert sind und der Kirche fernstehen, war in diesen Tagen und Wochen wie oft die Frage zu hören: „Was bleibt von Franziskus?“ „Wie geht es jetzt weiter?“ „Wie schätzt du den neuen Papst ein?“ – Kann es sein, daß in Zeiten der politischen Egoshooter, der Hardcore-Demagogen, der schmierigen Halbwelt-Narzißten und neo-imperialistischen Klerofaschisten die Sehnsucht nach einer Stimme jenseits der Nationalismen, Ideologien und wirtschaftlichen Interessen größer wird? Einer Stimme, der man zutraut, für die Menschheitsfamilie zu sprechen und nicht nur für den eigenen Club? Es scheint, daß man im Repräsentanten des römischen Bischofsamtes eine solche Stimme zu vernehmen hofft. So las man in einem Kommentar der Neuen Zürcher Zeitung unmittelbar nach der Wahl von Robert Prevost zum Pontifex Romanus: „Im überwältigenden Interesse am Papst zeigt sich auch der Wunsch nach einer moralischen Stimme in einer Welt, die zusammenbricht.“[6] Ja, solche Stimmen brauchen wir – im Großen wie im Kleinen. Auch die kleine Welt unserer Universität braucht solche Stimmen, auch die noch kleineren Welten unserer Fakultäten. Denn die Zeiten sind alles andere als schön. Die drei Jahre meines Dekanates standen und stehen weiterhin unter dem Zeichen dreier Kriege: Putins verbrecherischer Angriff auf die Ukraine und die durch sie repräsentierte offene, liberale Gesellschaft (vor nichts mehr als einer selbstbewußten Bevölkerung hat dieser „lupenreine Demokrat“ Angst); desweiteren die Pogrome der Hamas gegen Israel am 7. Oktober 2023 und der sich daran anschließende, bis heute andauernde Gazakrieg mit seinen fürchterlichen Folgen für die Zivilbevölkerung (hemmungslose Gewalt auf beiden Seiten); und seit wenigen Tagen nun der Krieg Israels gegen den Iran und dessen Atomprogramm (die Mullahs gegen einen halb- oder dreiviertelkriminellen Ministerpräsidenten). Wie mag das alles nur enden? Wir wissen es nicht. Niemand weiß es. Man wagt kaum noch Prognosen.
Das, liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde unserer Fakultät, ist unsere Zeit. Fast möchte man sagen: Das sind wir. So ist der Mensch: in all seiner Größe eine höchst fragwürdige Spezies. Möge Gott uns behüten in den Jahren die vor uns liegen.
Es grüßt Sie von dieser Stelle zum letzten Mal in herzlicher Verbundenheit
Ihr Joachim Negel
[1] Hansueli Schoechli, Gaillard-Bericht: Der Bund kann seinen Haushalt um 4 bis 5 Milliarden Franken pro Jahr ohne Steuererhöhung entlasten, in: NZZ 5. September 2024.
[2] Jean-Michel Wirtz, Gewerkschaften stellen Sparzwang bei Freiburgs Finanzen in Frage. Für die Gewerkschaften ist die finanzielle Lage des Kantons nicht so dramatisch, wie sie vom Staatsrat dargestellt wird. Sie appellieren, die Schuldenbremse zu lockern, in: Freiburger Nachrichten 2. April 2025.
[3] Vgl. die Kostenaufstellungen im Jahresbericht 2023 der Universität: https://www.unifr.ch/rapport-annuel/de/2023/dok/voranschl%C3%A4ge-und-rechnung.html (aufgerufen am 17. Juni 2025).
[4] Ich empfehle zur Einschätzung dieses Pontifikats als Lektüre das wenige Wochen vor Franziskus‘ Tod erschienene Buch des italienischen Vatikanspezialisten Marco Politi, Der Unvollendete. Franziskus‘ Erbe und der Kampf um seine Nachfolge, Freiburg i.Br. 2025. Als Gegenlektüre zu Politi ließe sich verweisen auf das ein Jahr zuvor erschienene Buch von Michael Meier: Der Papst der Enttäuschungen. Warum Franziskus kein Reformer ist, Freiburg i.Br. 2024. – Jedes der beiden Bücher müßte man im Spiegel des jeweils anderen lesen, wobei mir persönlich (soviel sei gesagt) das nüchterne Buch von Politi näher liegt als das von Meier.
[5] Jörg Ernesti, Leo XIII: Papst und Staatsmann, Freiburg i.Br. 32019.
[6] Thomas Ribi, Auch der neue Papst wird die Kirche nicht einen. Aber vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig, in: NZZ 16. Mai 2025, S. 17.