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Verwendbarkeit von Videoaufnahmen einer Tankstelle im Strafprozess

Kanton Aargau – 14.06.2022

A. wird am 13.09.2021 aufgrund des Fahrens in fahrunfähigem Zustand und Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gesprochen. Gegen das Urteil legt der Beschuldigte am 24.01.2022 Berufung ein. Insbesondere bestreitet A., tatsächlich am Lenker des Fahrzeugs gewesen zu sein, und beantragt in diesem Zusammenhang die Feststellung der Unverwertbarkeit der von einer Tankstelle aufgenommenen Überwachungsvideos im ihn betreffenden Strafverfahren. A. beanstandet, dass die fraglichen Aufnahmen an einem öffentlich zugänglichen Ort und ohne sein Einverständnis oder sonstige Rechtfertigung erstellt worden seinen. Das Obergericht stellt zunächst fest, dass es sich bei den Aufnahmen um Personendaten gemäss Art. 3 lit. a aDSG handelt. Die Erstellung dieser Aufnahmen ist folglich als eine Bearbeitung von Personendaten nach Art. 3 lit. e aDSG zu klassifizieren. Gemäss Art. 4 Abs. 4 aDSG muss der Zweck der Bearbeitung von Personendaten für die betroffene Person erkennbar sein. Die Kunden/Kundinnen einer Tankstelle können nicht annehmen, dass die Videoaufnahmen abgesehen von der Aufklärung von Straftaten gegenüber der Betreiberin der Tankstelle auch für die Aufklärung von Strassenverkehrsdelikten verwendet werden. Somit verstösst die Verwertung der Videos vorliegend gegen den Zweckbindungsgrundsatz sowie den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 4 Abs. 2/3 aDSG). Geprüft werden muss, ob ein Rechtfertigungsgrund für eine Persönlichkeitsverletzung (Art. 12 aDSG) gemäss Art. 13 aDSG vorliegt. Ein überwiegendes Interesse der Tankstellenbetreiberin ist zu verneinen, da das Zweckbindungsprinzip nicht nur auf die Erstellung, sondern auch auf die Verwertung der Aufnahme zu beziehen ist. Somit kann eine rechtmässige Beschaffung keine darauffolgende unrechtmässige Verwertung derselben Aufnahme rechtfertigen (vgl. Art. 4 Abs. 3 aDSG). Ein öffentliches Sicherheitsinteresse vermag vorliegend ebenfalls nicht das private und gesellschaftliche Interesse an einem überwachungsfreien Zustand zu überwiegen. Somit kommt das Gericht zum Schluss, dass die Auswertung der Videoaufnahmen eine Persönlichkeitsverletzung darstellt, die aufgrund fehlender Rechtfertigungsgründe rechtswidrig ist. Der Beschuldigte ist von dem betroffenen Straftatendossier mangels anderer Beweise freigesprochen und obsiegt teilweise mit seiner Berufung.

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