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Zugang zur archivierten Krankenakte des Urgrossvaters

Kanton Waadt – 30.01.2020

Von 1892 bis zu seinem Tod im Jahr 1936 war B. in mehreren psychiatrischen Einrichtungen stationär behandelt worden. Im Jahr 2018 beantragt seine Urenkelin A. Zugang zu seiner Krankenakte. Diese Anfrage erfolgt im Rahmen einer Erinnerungsarbeit über ihre Vorfahren. Obwohl das Kantonsarchiv Waadt eine positive Vormeinung zu diesem Antrag abgegeben hat, verweigert der Gesundheitsrat den Zugang. A. legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Die Beschwerdeführerin bestreitet zunächst die Zuständigkeit des Gesundheitsrats. Gemäss Art. 10 Abs. 2 ArchG-VD ist nach Ablauf der Schutzfrist die Einsichtnahme in die historischen Archive frei. Art. 12 Abs. 4 und 5 ArchG-VD besagt, dass nach Ablauf der Schutzfrist die Einsichtnahme in Ausnahmefällen verweigert werden kann. Das Arztgeheimnis unterliegt einem erheblichen Schutz; es handelt sich also um einen Ausnahmefall im Sinne von Art. 12 Abs. 4 und 5 ArchG-VD. Folglich kann die Konsultation nur mit Zustimmung des Gesundheitsrats genehmigt werden; die Rüge seiner Unzuständigkeit muss zurückgewiesen werden. Art. 10 Abs. 1 ArchG-VD sieht vor, dass die zuständige Behörde (in diesem Fall der Gesundheitsrat) im Einklang mit der Gesetzgebung über die Information und den Schutz personenbezogener Daten entscheidet. Sowohl das InfoG-VD als auch das DSG-VD verlangen, dass eine Interessenabwägung vorgenommen wird. Es geht also darum, das Interesse an der Einsicht in die Krankenakte eines Angehörigen gegen den Schutz des Verstorbenen abzuwägen, dem es wichtig ist, zu gewährleisten, dass die in seiner Akte enthaltenen Informationen nach seinem Tod nicht weitergegeben werden. Im vorliegenden Fall hat die Einsichtnahme in die Krankenakte für A. eine informative Bedeutung, da sie sich über die medizinischen Gründe für die Internierung ihres Urgrossvaters informieren und Erinnerungsarbeit über ihre Vorfahren leisten möchte. Die Unterlagen, die sich im Archiv befinden, betreffen lediglich die Daten seiner Ein- und Austritte in die Einrichtungen, die Gründe für seine Einweisungen, Hinweise auf sein Verhalten sowie die Krankheit, an der er litt. Es handelt sich hierbei um Fakten, nicht um Informationen, die besonders schützenswert sind. Da seit dem Tod von B. über 80 Jahre vergangen sind, muss die Notwendigkeit, das Arztgeheimnis zu schützen, zudem relativiert werden. In Anbetracht der Interessenlage ist das Gericht der Ansicht, dass es keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen gibt, die A. die Einsichtnahme in die Akte verwehren. Das Gericht gibt der Beschwerde statt und ändert die Entscheidung des Gesundheitsrates dahingehend, dass A. die archivierte Akte ihres Urgrossvaters einsehen darf.

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