Aktuelle Ausgabe

Volume 117 (2023)

THEMA - THÈME: LES RELATIONS DIPLOMATIQUES ENTRE LA CONFÉDÉRATION ET LE SAINT-SIÈGE

  • Lorenzo Planzi | Introduction au dossier thématique – La diplomatie de l’Église à l’écoute de la Suisse
  • Bernard Andenmatten | Les relations entre la papauté et l’espace suisse durant le Moyen Age

    Die Beziehungen zwischen dem Papsttum und dem Raum der heutigen Schweiz während des Mittelalters

    Aus offensichtlichen Gründen der Chronologie war die Eidgenossenschaft im Mittelalter kein institutioneller Gesprächspartner des Papsttums, zumal im Kerngebiet des eidgenössischen Raumes kein Bischofssitz errichtet war. Dennoch unterhielten die Päpste Beziehungen zu den eidgenössischen Gebieten, insbesondere wenn sie, auf ihren Reisen durch das Königreich Frankreich, die Alpen überquerten. Im Zuge der Krisen des Spätmittelalters (Einzug in Avignon, Grosses Abendländische Schisma, Konzilien von Basel und Konstanz) näherten sich das Papsttum und seine Gesandten dem heutigen Schweizer Raum an, während die Eidgenossen ihre eigene politische Identität entwickelten, die sie in den Konflikten mit den Habsburgern und später in den Burgunderkriegen geschmiedet hatten. Der Beginn der Italienischen Kriege und der Bedarf der Päpste an Söldnertruppen ermöglichten die Formalisierung der Beziehungen, die die Päpste mit der «Liga von Alemannia Superior» eingegangen waren.

    Schweizerische Eidgenossenschaft – Papsttum – Bischöfe – Grosses Schisma 1378 – Konzil von Konstanz – Konzil von Basel – Gegenpapst Clemens VII – Amadeus VIII von Savoyen – Gegenpapst Felix V – Papst Martin V – Papst Pius II.

  • Peter Opitz | Die Beziehungen der Päpste zur Eidgenossenschaft in der Zeit der Reformation

    Die Beziehungen der Päpste zur Eidgenossenschaft in der Zeit der Reformation

    Wenn die päpstlichen Legate nach altem Recht wohl vornehmlich eine religiös-theologische Mission hatten, so trifft dies für die hier untersuchte Periode der Reformation in der Eidgenossenschaft nicht zu. Entsprechend den Päpsten der Zeit, die sich kaum mit religiösen und kirchlichen Fragen befassten, war ihre Aufgabe ausschliesslich politischer Natur. Bis nach der Reformation wurde die Eidgenossenschaft von den Päpsten einzig als Truppenreservoir wahrgenommen und umworben. Mit der Etablierung der zweikonfessionellen Eidgenossenschaft 1532 gelangte diese Praxis zu einem Ende. Erhalten hat sich die Schweizer Garde als päpstliche Leibwache. Umgekehrt behandelte auch die religiös romtreue Eidgenossenschaft die sich als Kriegsfürsten betätigenden Päpste als solche. Auffallend ist, dass nicht nur die Päpste, sondern auch ihre in der Schweiz tätigen Gesandten den Charakter der Reformation
     ls einer religiös motivierten Bewegung überhaupt nicht wahrgenommen zu haben scheinen.

    Reformation – Papsttum – Eidgenossenschaft – Gesandtschaften – Söldnerwesen.

  • Mario Galgano | Das Bild der Schweiz bei den Nuntien in Luzern im 16. und 17. Jahrhundert

    Das Bild der Schweiz bei den Nuntien in Luzern im 16. und 17. Jahrhundert

    Die Papst-Gesandten in Luzern, die ab 1586 als Nuntien wirkten, haben in ihren Briefen und Instruktionen die Schweiz und die Schweizer beschrieben. Das Bild eines Bergvolkes, das aus etlichen Häretikern besteht und allgemein ein Gegenpol zur römischen Kultur bildet, prägte durchgehend die Einstellung der Gesandten aus Rom gegenüber den Schweizern. In den Schreiben sind keine nennenswerten Änderungen dieses Bildes festzustellen. Vielmehr haben die Nuntien im 16. und 17. Jahrhundert dieses Bild immer wiederholt und gefestigt. Auch wenn dieses negative Bild prägend war, bestand ein reger Austausch zwischen den Nuntien, die fast ausschliesslich Italiener waren, mit der Lokalbevölkerung nördlich der Alpen. Misstrauen und Faszination wechselten sich ab, doch grundsätzlich bestand ein Unverständnis gegenüber den Schweizern.

    Schweiz – Katholische Kirche – Nuntiatur – Instruktionen – Austausch – Papsttum – Italien.

  • Roger Liggenstorfer | Das Archiv der Luzerner Nuntiatur im Apostolischen Archiv des Vatikans (1585–1873)

    Das Archiv der Luzerner Nuntiatur im Apostolischen Archiv des Vatikans (1586–1873)
    Die Luzerner Nuntiatur wurde 1586 gegründet und 1873 mit dem Verlassen des letzten Geschäftsträgers aufgehoben. Dank eines Bundesratsbeschlusses konnte 1921 die Nuntiatur, nun in Bern und nicht mehr in Luzern, wiedereröffnet werden. Das Archiv der Luzerner Nuntiatur umfasst für diesen Zeitraum 452 Schachteln mit Dokumenten, Briefen, Materialien, Skizzen, Drucksachen. Die Archiveinheiten wurden Ende der zwanziger Jahre unter schwierigen Umständen von Bern ins Apostolische Archiv nach Rom transportiert. Inhaltlich sind die Bestände des Luzerner Nuntiaturarchivs, der «Lucerna», hauptsächlich unter den Rubriken «Diözesen» und «Klöster» sowie unter diversen Sachtiteln abgelegt. Weiter wird im Beitrag auf Desiderate der Nuntiaturforschung verwiesen. Im Fokus dabei ist die Feststellung, dass nur durch die Erschliessung aller Akten im Vatikan an eine Neubeurteilung möglicher Fragestellungen zur Nuntiatur gedacht werden kann. Nichtsdestotrotz kann auch festgehalten werden, dass bei der Durchsicht der Akten schon bekannte Stereotypen der Nuntiaturforschung bestätigt werden: Die Nuntien in Luzern, oft eigenwillige Charaktere, waren auf sich allein gestellt und litten oft an den Eigenheiten helvetischer Besonderheiten. Dass in Luzern, in der Nuntiatur, auch Netzwerke mit illustren Persönlichkeiten der Eidgenossenschaft entstanden sind, Freundschaften, die über das «Katholische» hinausgingen, das versteht sich von selbst. Eine Erkenntnis indes steht an erster Stelle, wenn es darum geht, was mit dem Material «anzufangen» ist. Es wird in Zukunft wichtig sein, mehr den Nuntius und seine Persönlichkeit in den Mittelpunkt zu stellen. Erst mit der Aufarbeitung «aller» Akten, eben auch mit den Materialien der «Lucerna», wird eine Neubeurteilung der Institution Nuntiatur und seiner Nuntien möglich sein.

    Nuntiaturforschung – Nuntien – «Lucerna» – Apostolisches Archiv – Eidgenossenschaft – Abschaffung der päpstlichen Nuntiatur.

  • Urban Fink | Die Luzerner Nuntiatur im 18. und 19. Jahrhundert

    Die Luzerner Nuntiatur im 18. und 19. Jahrhundert

    Die systematische Erforschung der Luzerner Nuntiatur bleibt bis heute ein Desiderat, auch wenn einige Nuntien des 17. und 18. Jahrhunderts gut erforscht sind. Was die Voraussetzungen und Grundzüge des Wirkens der päpstlichen Nuntien in Luzern betrifft, können in Sachen Amtsführung und Ausrichtung aber schon grundlegende Aussagen getroffen werden, die auch für die Nuntiaturen der Neuzeit und der Moderne in anderen Ländern gelten: Scheinempirie aufgrund jahrhundertealter Vorgaben; Abgrenzung anstatt Zusammenarbeit, Statik anstatt Veränderung usw. Die italienischen Nuntien erlebten in der Schweiz  aus ihrer Sicht Unordnung und Chaos, was durch ihre fehlenden Deutschkenntnisse, der ungewohnten wirtschaftlichen, politischen und konfessionellen Situation in der Schweiz und anderen sozialen und kulturellen Bedingungen als in der Heimat noch verstärkt wurde. Die vorgelegten Streiflichter auf das Verhalten von einzelnen Luzerner Nuntien des 18. und 19. Jahrhunderts verdeutlichen, dass die Art und Weise ihres Vorgehens, ihr Eifer und ihre diplomatische Begabung unterschiedlich waren. Die Ausrichtung der päpstlichen Diplomatie aber blieb gleich mit der Folge, dass die päpstlichen Diplomaten in der Schweiz meistens nur eine Appellfunktion ohne nachhaltige Wirkung hatten. Dazu trug bei, dass die von Rom her definierten Aufgaben und Fakultäten der Luzerner Nuntien nicht den sich verändernden Verhältnissen angepasst wurden.

    Nuntiaturforschung – Voraussetzungen und Befugnisse der Nuntien – Konfessionskrieg – Katholische Aufklärung – «Kulturkampf» – Abschaffung der päpstlichen Nuntiatur.

  • Lorenzo Planzi | De la rupture du Kulturkampf à la réouverture de la Nonciature à Berne (1873–1920)

    Vom Bruch im Kulturkampf bis zur Wiedereröffnung der Nuntiatur in Bern (1873–1920)

    Zwischen Zentrum und Peripherie ist die Wahrnehmung, die die katholische Kirche in ihren Beziehungen zur Schweiz in der Zeit fehlender diplomatischer Beziehungen (1873–1920) entwickelte, ein Forschungsfeld, das es zu vertiefen gilt. Wie zeigt sich die Diplomatie der Kirche in der Geschichte ihrer Beziehungen zur Schweiz? Von der Bollwerkskirche Pius’ IX. (bis 1878) zur Versöhnungskirche Leos XIII. (1878–1903), von der Lehrkirche Pius’ X. (1903–1914) zur humanitären Kirche Benedikts XV. (ab 1914) spielt die soziopolitische Sensibilität der aufeinanderfolgenden Päpste eine wichtige Rolle. Es ist kein Zufall, dass die bedeutendsten Schritte in der Annäherung zwischen Bern und dem Vatikan während der Pontifikate von Leo XIII. (Konfliktlösung in Genf und Gründung der Universität Freiburg) und Benedikt XV. (humanitäre Zusammenarbeit während des Ersten Weltkriegs) unternommen wurden. Diese Päpste waren an Vermittlung und Ausgleich orientiert. Die Wiedereröffnung der Nuntiatur in Bern im Jahr 1920 markierte den Übergang zu einem neuen Frühling diplomatischer Offenheit.

    Selbstverständnis der Kirche – Diplomatie – «Kulturkampf» – Nuntiatur Bern – Papsttum – Genf – Universität Freiburg – Modernismus – Humanitäre Zusammenarbeit – Erster Weltkrieg.

  • Claude Altermatt | Nouvelle étape vers la fin du Kulturkampf grâce à une diplomatie suisse plus active

    Ein Schritt hin zum Ende des Kulturkampfes dank einer aktiveren Schweizer Diplomatie

    Im Juni 1920 gelang es nach 47 Jahren abgebrochener Beziehungen dem katholisch-konservativen Bundesrat G. Motta, den Gesamtbundesrat davon zu überzeugen, der Wiedererrichtung der Nuntiatur zuzustimmen. Damit betrachtete der Bundesrat mit seiner protestantisch-freisinnigen Mehrheit den Kulturkampf als beendet. Die Zulassung einer päpstlichen Vertretung in der Bundesstadt entsprach auch der Öffnungspolitik der schweizerischen Diplomatie in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Besonders nach der gewonnenen Volksabstimmung über den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund (Mai 1920) wurden die diplomatischen Beziehungen mit etlichen Staaten über die Ausweitung des schweizerischen Gesandtschaftsnetzes und über neue diplomatische Vertretungen in Bern gefördert, darunter die Nuntiatur. Heikle Fragen, die durch die Rückkehr des Nuntius ausgelöst worden waren, wie der Vorrang und Kantonsbesuche, wurden dank Mottas persönlichem Einsatz pragmatisch und ohne Nebengeräusche gelöst. Das konfessionnelle Verhältnis konnte sich entspannen.

    Bundesrat – DPF (Eidgenössisches Politisches Departement) – Motta – Maglione – Nuntiatur – Vorrang

  • Barbara Hallensleben | Diplomatische Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Heiligen Stuhl 1920–2020 – Ökumenische Wegzeichen

    Diplomatische Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Heiligen Stuhl 1920–2020 – Ökumenische Wegzeichen

    Die diplomatischen Beziehungen des Heiligen Stuhls zeigen, dass die Katholische Kirche ihre ökumenischen Beziehungen nicht nur auf kirchlicher, sondern auch auf politischer Ebene pflegt. Frieden in Gerechtigkeit für alle Völker und die ganze Schöpfung kann als das umfassende ökumenische Ziel der Kirche betrachtet werden. Der Beitrag präsentiert «ökumenische Wegzeichen» während der 100 Jahre der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Heiligen Stuhl, beginnend mit einer Klärung der Begriffe «Ökumene» und «Ökumenische Bewegung». Der Schwerpunkt liegt auf «Schweizer Wegzeichen» in den Kategorien: 1) Strukturen, 2) gemeinsame pastorale Aufgaben, 3) spirituelle Aufbrüche, 4) Ereignisse und Initiativen, 5) prägende Persönlichkeiten. Der Ausblick greift auf die politische Dimension der Ökumene zurück: Am Beispiel der Schweiz wird aufgezeigt, dass die ökumenische Pluralität unterschiedliche Ausgestaltungen im Verhältnis von kirchlichem Zeugnis und politischer Ordnung mit sich bringt.

    Ökumene – Diplomatie – Schweiz – Hl. Stuhl – staatskirchenrechtliche Strukturen – Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz.

  • Denis Pelletier | Entre totalitarisme et sécularisation – Les chrétiens européens à l’épreuve du XXe siècle

    Zwischen Totalitarismus und Säkularisierung – Die Christen in Europa auf dem Prüfstand des 20. Jahrhunderts

    Der Artikel bietet einen Überblick über das europäische Christentum im 20. Jahrhundert anhand von zwei Themenbereichen: der Kritik am Totalitarismus einerseits und der kollektiven Besorgnis angesichts der Säkularisierung und der möglichen Auslöschung des Christentums in Europa andererseits. Christliche Akteure bringen diese Sorge und Kritik je nach den nationalen Traditionen, denen sie angehören, und je nach ihrer persönlichen politischen Ausrichtung auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck. Christliche Intellektuelle, die sich gegen den Totalitarismus stemmen, stellen eine Reflexion über die lange Geschichte des modernen Europas in den Vordergrund, die durch das Vergessen des christlichen Erbes geprägt ist. Viele von ihnen stellen sich jedoch Fragen, welchen Anteil das Christentum an der Geschichte in der Entstehung totalitärer Regime hatte. Der Kampf gegen die Entchristlichung wird regelmäßig von der Sorge über die interne Säkularisierung der Religionen selbst begleitet. Der Zusammenbruch des Ostblocks im Jahr 1991 fällt mit der Entstehung einer neuen historischen Konfiguration des europäischen Christentums zusammen, die von der Globalisierung und der Rückkehr der religiösen Frage in die politische Debatte geprägt ist.

    Christentum – Europa – Totalitarismus – Säkularisierung – politisches Engagement.

DOSSIER

  • Alexey Morozov, Franz Mali | Littérature pseudépigraphique – Clément de Rome et sa postérité

     

  • Bernard Pouderon | De quelques apports dans les recherches récentes sur le Roman clémentin

    Einige Beiträge zu den jüngsten Forschungen über den Clemens-Roman

    Der Pseudo-Clemens-Roman, ein Erbauungswerk, das eine romanhafte Handlung um Clemens, den späteren Bischof von Rom, und den Apostel Petrus in ihrer Auseinandersetzung mit Simon dem Zauberer miteinander verwebt, wurde aus zwei Hauptquellen zusammengesetzt: Einer Bekehrungsgeschichte jüdischen Ursprungs, deren Held wahrscheinlich bereits ein gewisser Clemens war (wahrscheinlich ein Ersatz für Flavius Clemens, den Konsul, der unter Domitian wegen «jüdischer Sitten» hingerichtet wurde), und einem oder mehreren ebionitisch inspirierten Lehrwerken. Die jüdische Bekehrungsgeschichte, die ausser durch den Clemens-Roman nicht mehr überliefert ist, ist ein gutes Beispiel für die Realität eines nicht missionarischen jüdischen Proselytismus, der auf persönlichen Kontakten beruht. Ein weiterer Beitrag betrifft den chronologischen und inhaltlichen Vorrang einer der beiden Versionen des Clemens Romans, der griechischen Homilien, vor der lateinischen Version der Reconaissances und sogar vor ihrem verlorenen griechischen Prototyp. Dieser Befund ermöglicht es, die allererste Version des Clemens- Romans (die Grundschrift) auf das Ende des 2. oder den Beginn des 3. Jahrhunderts zu datieren, als Origenes einen Auszug daraus zitierte. Eine so frühe Datierung kann Aufschluss über die Praktiken und Glaubensvorstellungen eines sogenannten ebionitischen Milieus geben, das der Urgemeinde in vielerlei Hinsicht sehr nahe stand. Schliesslich hat sich herausgestellt, dass die literarische Figur des Dr. Faustus viel von Simon dem Zauberer, wie er im Roman dargestellt wird, hat; es ist sogar anzunehmen, dass der Verfasser des Faustbuches (die erste schriftliche Version der Legende) sich bei der Beschreibung der Figur des teuflischen Dr. Faustus vom Clemens-Roman inspirieren liess.

    Apostel Petrus – Clemens von Rom – Flavius Clemens – Pseudoklementinische Homilien – Pseudoklementinische Anerkennungen – Ebionismus – Simon Magus – Doktor Faustus – Faustbuch.

  • Sara Giorgetti | Le epistole pseudo-clementine Ad Virgines nella tradizione manoscritta copta e nel Pandectes di Antioco di San Saba

    Die pseudo-klementinischen Briefe Ad Virgines in der koptischen Handschriftenüberlieferung und die Pandekten des Antiochus von St. Saba

    Ziel dieses Artikels ist es, die Geschichte der indirekten und direkten Überlieferung von Ad Virgines zu untersuchen. Es sind dies zwei Briefe über die Jungfräulichkeit, die Clemens von Rom zugeschrieben werden. Überprüft werden die koptischen Fragmente, die einige Kapitel des ersten Briefes wiedergeben, wobei ihr Inhalt und ihre Bedeutung für die Debatte über die Autorschaft und das historisch kulturelle Umfeld analysiert werden. Ausserdem wird das komplexe Problem der Rekonstruktion des griechischen Textes von Ad Virgines anhand der 29 Zitate der Pseudoklementinen in den Pandectes des Antiochus von St. Saba (7. Jahrhundert) dargestellt. Die umfangreiche Handschriftenüberlieferung dieses gelehrten Mönchs wird zum ersten Mal vorgestellt, um eruieren zu können, auf welche Handschriften sich die indirekte und teilweise Rekonstruktion des griechischen Originaltextes der Ad Virgines stützen kann, welcher nie gefunden wurde.

    Ad Virgines – Pseudo-Clemens – koptische Fragmente – Antiochus von St. Saba – Pandectes Scripturae Sacrae.

  • Marco Pavan | La traduzione degli scritti attribuiti a Clemente di Roma in ambito siriaco – Il caso delle epistole Ad Virgines

    Übersetzungen von Clemens von Rom zugeschriebenen Schriften im syrischen Kontext – Der Fall der Ad Virgines-Brief

    Die sogenannten Briefe Ad Virgines, die Clemens von Rom zugeschrieben werden, stellen einen komplexen Text dar, sowohl im Hinblick auf den historischen Ort ihrer Entstehung als auch, weil sie ein kurzes, aber hervorgehobenes Zeugnis einer asketischen Literatur der frühen christlichen Jahrhunderte darstellen. Vor allem die Textüberlieferung ist komplex: Der Text, der uns in griechischer Sprache nur in indirekten Zitaten in den Pandette des Antiochus von St. Saba überliefert ist, ist uns in der Tat nur durch syrische und koptische Übersetzungen bekannt, die beide in Fragmenten oder späten Handschriften bezeugt sind. Im vorliegenden Beitrag richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die syrische Übersetzung dieses Werks und analysieren einige interessante Elemente aus übersetzungswissenschaftlicher Sicht: die Aufteilung in zwei als «Briefe» bezeichnete Texte, das Vorhandensein von «anachronistischen» Elementen und die Bibelzitate. Die Schlussfolgerung ist, dass es sich bei Ad Virgines um ein einzigartiges Werk mit ermahnendem Charakter handelt, das vielleicht schon im griechischen Original in Analogie zu 1–2 Cl als «Briefe» gestaltet und im Umfeld von Edessa, in (proto-)monastischen Kreisen um das 3. und 4. Jahrhundert.

    Clemens von Rom – Episteln Ad Virgines – Askese – Jungfräulichkeit – Übersetzungsgeschichte (Syrisch).

  • Judith Hack | Die Pseudoklementinen und ihre Leser – Anmerkungen zur handschriftlichen Überlieferung des Klemensromans

VARIA

  • Stefan Bojowald | Eine syrische Analogie zum Bild des Schiffes im ägyptischen pAnastasi IV, 10, 4

    Eine syrische Analogie zum Bild des Schiffes im ägyptischen pAnastasi IV, 10, 4
    Der vorliegende Beitrag geht noch einmal auf den Schiffsvergleich im ägyptischen pAn IV, 10, 4 ein. Die richtige Erklärung scheint noch nicht gefunden zu sein. Das tertium comparationis besteht aus Sicht des Autors aus den ausgefahrenen Ruderstangen, die ausgebreiteten Vogelflügeln gegenübergestell werden. Das gleiche literarische Motiv kommt beim syrischen Kirchenvater Ephrem Syrus vor, wobei das geometrische Muster die Hauptrolle spielt. Die Gemeinsamkeit als solche lässt sich mit den annähernd ähnlichen
    kulturellen Voraussetzungen erklären.

    Ägyptische Philologie – Schiffvergleich in pAn IV, 10, 4 – Ephrem Syrus – Hymne de Fide 18, 6/7.

  • Horst Rupp | Die neu aufgebrochene Diskussion um den sogenannten Waltensburger Meister

    Die neu aufgebrochene Diskussion um den sogenannten Waltensburger Meister
    Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden im nördlichen Teil Graubündens, vorwiegend in Sakralbauten, Fresken entdeckt, die sich bald als zusammenhängendes Werk eines Malers bzw. seiner Werkstatt erwiesen. Nach seinem reifsten Werk in der Kirche Waltensburg, einem Passionszyklus, benannte man den unbekannten Künstler mit dem Notnamen «Waltensburger Meister». Sein Werk wurde im 20. Jahrhundert durch Kunsthistoriker*innen wie Johann Rudolf Rahn, Erwin Poeschel, Helga Reichel und Alfons Raimann intensiv erforscht. Mit Raimanns in den achtziger Jahren publiziertem monumentalen und äusserst detailreichen Werk bricht jedoch diese intensive Forschung ab. Erst in den letzten Jahren wird der Faden der Forschung zum Werk des Waltensburger Meisters wiederaufgenommen, beginnend mit einem Symposion in Waltensburg im Jahr 2014. Seitdem wurde jedoch eine ganze Reihe von Forschungsarbeiten zum Werk publiziert mit durchaus neuen, so bislang (noch) nicht fokussierten Aspekten, wie etwa die Darstellung der Juden in den Fresken. Zu wenig wurde wohl bisher auch die eminent religiös-theologische Prägung dieses Werkes gesehen. Der vorliegende Beitrag thematisiert diese neuen Forschungsperspektiven zum Werk des Waltensburger Meisters.

    Fresken des 14. Jahrhunderts – nördliches Graubünden – Waltensburger Meister – neue Forschungsperspektiven – Darstellung der Juden – religiös-theologische Prägung der Fresken

  • Cyrille Fauchère | Dans l’ombre du cardinal – Peter von Hertenstein et la création de la Garde Suisse Pontificale

    Im Schatten des Kardinals – Peter von Hertenstein und die Gründung der Päpstlichen Schweizergarde

    In Unkenntnis der Rolle Peter von Hertensteins ist es üblich, die Päpstliche Schweizergarde mit dem Walliser Prälaten Mathieu Schiner in Verbindung zu bringen. Es gibt viele Gründe, dass die Gründung der persönlichen Leibgarde des Heiligen Vaters dem ersten Kardinal von Sitten zugeschrieben wird. Zunächst einmal sind beide «Zeitgenossen» in der Geschichte der Schweiz: Die Institution wurde 1506 gegründet, während Schiner bereits 1499 Bischof von Sitten gewesen war. Beide waren auch an denselben Zielsetzungen beteiligt, nämlich der Durchsetzung der päpstlichen Autorität in Norditalien. Zweitens haben die Akteure – Hertenstein und Schiner – ähnliche Schicksale, die sie einander näher bringen, ohne dass sie direkten Kontakt gehabt hätten. Und drittens halten sich die Legenden hartnäckig. Sie werden von einer Zeichnung in der Chronik von Diebold Schilling (1513), einem Gemälde von Karl Jauslin (1896) und dem aktuellen Fresko in der Gästekantine der Kaserne der Schweizergarde in Rom kolportiert und zeigen einen purpurrot gekleideten Kardinal und ein Militärkontingent, das aus verschiedenen Kantonen stammt.

    Schiner – Sion – Kardinal – Schweiz – Hertenstein – Garde – Papst – Legende – Gründung.
    – Papsttum.

  • Dimiter Daphinoff | Byron und das Abendland

    Byron und das Abendland
    Dieser Aufsatz untersucht Lord Byrons frühe Faszination für den «Orient» und sein ambivalentes Verhältnis zu den Ursprüngen westlicher Kultur, Griechenland und Rom, welche er als junger Mann auf seiner «Grand Tour» besuchte und in seinem langen Gedicht Childe Harold’s Pilgrimage (1812–1818) beschrieb. Während das moderne Griechenland nicht den exaltierten Erwartungen seiner Jugend entsprach, das er als in jeder Hinsicht, ausser in seiner Form, vollkommen verändert wahrnahm, als unfähig und unwillig, das türkische Joch abzuwerfen, sah er Rom – obwohl ein «Chaos von Ruinen» – als resistenter gegenüber Zerstörungen der Zeit und (fremder) Tyrannei und als besser fähig, das Vermächtnis seiner Geschichte und Kultur zu bewahren und weiterzugeben. In Rom endet Harolds Pilgerreise, und der Sprecher des Gedichts (bzw. Byron selbst) findet einen kurzen Moment der Versöhnung mit seinem eigenen Schicksal und eine neue Entschiedenheit für Gerechtigkeit und Freiheit in der Welt, wie er sie kannte, zu kämpfen.

    Matthew Arnold – Erinnerungskultur – Goethe – Childe Harold’s Pilgrimage – «Orient»/«Abendland» – Griechenland – Italien – Rom – Ruinen – Unsterblichkeit – dynamischer Erinnerungsraum – Mythisierung Byrons in der Kunst.

  • Jan Nelis | Italian Fascism, Roman Antiquity and the Spectre of Racism

    Der italienische Faschismus, die römische Antike und das Gespenst des Rassismus
    Eine sehr eigentümliche, hochgradig politisierte und ideologisierte Vision des klassischen Altertums ist die des italienischen Faschismus, d.h. das faschistische Ideal der romanità, des «Römertums». Dieses Konzept könnte man als das Erbe, das kollektive Gedächtnis einer bestimmten, aber gleichzeitig sehr präsenten abendländischen, d. h. römischen Vergangenheit zusammenfassen. Die romanità war keine völlig neue Idee, da sie im italienischen (nationalistischen) Diskurs seit dem Risorgimento präsent war, aber ihr Ausmaß und ihre Allgegenwärtigkeit während des Faschismus waren beispiellos, während einige Aspekte, wie die militaristische imperiale Größe und die Konzentration auf die Vorherrschaft der abendländischen Kultur, im vorfaschistischen Diskurs weniger präsent waren. Als solches sollte es vom umanesimo-Prinzip unterschieden werden, dessen Wurzeln bis in die Renaissance zurückreichen. Während die meisten Aspekte der romanità umfassend untersucht worden sind, ist das spezifische Thema des Rassismus jahrzehntelang weitgehend ignoriert worden. Ziel dieses Artikels ist es daher, diese Lücke zu schliessen, indem er eine Auswahl von Publikationen vorstellt, in denen die romanità als Verweis auf die römische, abendländische Vergangenheit eine eindeutig rassistische oder auch antisemitische Dimension erhält. Eingeleitet wird der Artikel durch einen knappen Überblick zur aktuellen Faschismusforschung, wobei der Rolle der Kultur in dieser Bewegung und diesem Regime besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, da dieser Aspekt im Zentrum der Debatte um die romanità steht.
    (Italienischer) Faschismus – romanità – Nationalismus – Identität – Imperialismus – Rassismus – Kolonialismus.

  • Paul Oberholzer | «Abendland» bei Hugo Rahner – Die Heilsgeschichte als integrierender Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses zum Aufbau der Nachkriegsgesellschaft

    «Abendland» bei Hugo Rahner – Die Heilsgeschichte als integrierender Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses zum Aufbau der Nachkriegsgesellschaft
    In diesem Artikel wird in einem ersten Schritt Hugo Rahners Abendlandkonzept zusammenfassend dargestellt, womit er in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg eine christlich humanistische Gesellschaft aufbauen wollte. Diese sollte sich einerseits an den christlichen und klassischen Wurzeln Europas orientieren und andererseits kulturell offen und somit in allen Erdteilen verwirklichbar sein. Rahner bedient sich dabei theologischer und transzendenter Prämissen, was die Rezeption in einem säkularen Umfeld schwierig macht. Aus dem Grund werden in einem zweiten Schritt die Reflexionen Rahners auf ihre erinnerungskulturelle Dimension, unter Rezeption der Theorien zum kulturellen Gedächtnis und zu Erinnerungsräumen, untersucht.
    Abendland – Hugo Rahner – Europa – Zweiter Weltkrieg – kulturelles Gedächtnis – Erinnerungsräume.

  • Frank Britsche | Der christliche Abendlanddiskurs als Topos im Geschichtsunterricht der frühen Bundesrepublik – ein Beitrag zur Disziplingeschichte der Geschichtsdidaktik

    Der christliche Abendlanddiskurs als Topos im Geschichtsunterricht der frühen Bundesrepublik – ein Beitrag zur Disziplingeschichte der Geschichtsdidaktik

    Der Diskurs über historische Bildung und die Zielbestimmung von Geschichtsunterricht vollzieht sich im Spannungsfeld von Fachwissenschaft, Didaktik und gesellschaftlichen Anforderungen und ist immer auch zeitbedingter Ausdruck einer Epoche, wo sich brennglasartig kollektive Erinnerungsdiskurse bündeln. Nach dem Ende der NS-Herrschaft nach 1945 wurden im Westen Deutschlands Debatten zum (geistigen) Wiederaufbau des Geschichtsunterrichts öffentlich diskutiert. Der christlich-europäische Abendlanddiskurs fungierte als eine zentrale Referenzfolie für geschichtsdidaktische Ansätze und war Ausdruck zeitbedingter Neuorientierung in der frühen Bundesrepublik. Der Artikel skizziert Motive und Positionen und ordnet diese in den Diskurs der Zeit ein. Dazu werden exemplarisch Erinnerungsnarrative zum christlichen Abendlandbezug in Lehrplänen und Konzepten für den historischen Schulunterricht analysiert, wodurch sich der Aufsatz als Beitrag zur Disziplingeschichte der Geschichtsdidaktik versteht.

    Geschichtsunterricht – Geschichtsdidaktik – Abendlanddiskurs – Erinnerungsnarrative – christliches Europa – Geschichtsbewusstsein – Bildungspolitik – Lehrplandiskussion – NS-Vergangenheitsaufarbeitung – frühe Bundesrepublik – 1950/60er Jahre – Disziplingeschichte – historische Unterrichtsforschung – Schulbücher.

  • Albert Gasser | Bemerkungen zu «konservativ» und «katholisch» in Geschichte und Gegenwart

    Bemerkungen zu «konservativ» und «katholisch» in Geschichte und Gegenwart
    Häufig gebrauchter historiografischer und politischer Terminologie wird im vorliegenden Beitrag nachgegangen. Die Begriffe «katholisch» und «konservativ» sollten gerade in einem schweizerischen Kontext nicht über einen Leisten geschlagen werden. Oft werden sie aber als Bindestrich-Kategorien verwendet. «Konservativ», pauschal als Gegenbegriff zum linken Spektrum gesehen, vereint eine Fülle von Bedeutungen und Nuancen, und eignet sich kaum als platter Gegenbegriff, als welcher er aber oftmals beigezogen wird. Und dem «Katholischen» ist schon im Wortsinne («allumfassend») eine enorme Breite eingeschrieben.

    Terminologie – Historiografie – Schweiz – 19./20. Jahrhundert – Liberalismus – Katholizismus – «Katholisch» – «Konservativ».

  • Annina Sandmeier-Walt | Religion, Kirche und Frömmigkeit als Teil von «Zeitgeschichte Aargau 1950–2000» – Voraussetzungen, Eckpunkte und Forschungsdesiderate

    Religion, Kirche und Frömmigkeit als Teil von «Zeitgeschichte Aargau 1950–2000» – Voraussetzungen, Eckpunkte und Forschungsdesiderate

    Mit «Zeitgeschichte Aargau 1950–2000» hat die Historische Gesellschaft Aargau einen 4. Band der Kantonsgeschichte umgesetzt. Teilprojekte haben die Publikation vorbereitet und vermittelnd begleitet, so etwa gefilmte Interviews mit Zeitzeug:innen, Dokumentarkurzfilme und Zeitungsartikel. Als Teil der Gesellschaftsgeschichte hat «Zeitgeschichte Aargau» auch die aargauische Religions- und Kirchenlandschaft der letzten rund 80 Jahre untersucht. Diese Religionslandschaft war – wie anderswo in der Schweiz – bis in die 1960er-Jahre stark durch eine Dominanz der Landeskirchen geprägt, die in Alltag, Bildung und Freizeitgestaltung spürbar war. Bis zur Gegenwart hin erodierte diese Dominanz immer mehr, und es folgten eine Vielfalt an Glaubensgemeinschaften sowie eine wachsende Zahl Konfessionsloser. Dieser Artikel bietet einen Überblick über die Erkenntnisse aus der Arbeit im Projekt «Zeitgeschichte Aargau», benennt aargauische Alleinstellungsmerkmale der Religions- und Kirchenlandschaft und ergründet die zum Teil noch in der Kulturkampfzeit entstandene kantonale Gesetzgebung, die bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts nachwirkte. Darüber hinaus weist er auf Forschungsdesiderate hin, denen im Rahmen der Kantonsgeschichte nicht nachgegangen werden konnte.

    Aargau – Kanton Aargau – Zeitgeschichte – Religion – Religionsgemeinschaften – Konfessionen – Ausnahmeartikel – Kirchen – Landeskirchen – jüdisches Kulturerbe.

Weltausstellung Brüssel 1935 "Pavillon de la Vie Catholique" mit Restaurant "Rerum Novarum", vgl. wikimedia.org.