Datenbank zur Rechtsprechung auf kantonaler Ebene zum Datenschutzrecht

Details

Weitergabe eines Berichts über eine Verwaltungsuntersuchung an die Presse

Kanton Neuenburg – 03.08.2017

Im Jahr 2012 kommt es in einem Asylbewerberzentrum, dessen Leiterin X. ist, zu Auseinandersetzungen. Eine Strafuntersuchung wird eingeleitet. Auf Antrag des Staatsrats wird eine Verwaltungsuntersuchung durchgeführt. Journalisten verlangen Einsicht in den Bericht der Administrativuntersuchung, was der Staatsrat ablehnt. Zwei Monate nach einem erfolglosen Schlichtungsversuch vor dem Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten wenden sich die Journalisten an die Datenschutz- und Öffentlichkeitskommission und beantragen den Zugang zum Bericht. Die Kommission erlässt daraufhin eine Entscheidung, in der sie den Staatsrat auffordert, den Untersuchungsbericht in einer anonymisierten Version zu übermitteln. X. legt gegen diesen Entscheid beim Kantonsgericht Beschwerde ein. Gemäss Art. 69 Abs. 1 CPDT-JUNE (RS-NE 150.30) hat jede Person das Recht auf Zugang zu amtlichen Dokumenten in dem in dieser Vereinbarung (CPDT-June) vorgesehenen Umfang. Nach Ansicht des Gerichtes handelt es sich bei dem Bericht über die Administrativuntersuchung tatsächlich um ein amtliches Dokument. Der Zugang zu einem amtlichen Dokument wird verweigert, wenn ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse dem entgegensteht (Art. 72 Abs. 1 CPDT-JUNE). Grundsätzlich hat der Schutz von Personendaten Vorrang vor dem Recht auf Zugang. Dieser Vorrang ist jedoch nicht absolut. Die Behörde verfügt über einen erheblichen Ermessensspielraum. Sie kann den Zugang gewähren, wenn sie der Ansicht ist, dass das öffentliche Interesse an der Transparenz überwiegt. Im Rahmen der Interessenabwägung sind die Rolle und die Stellung der betroffenen Person zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall ist X. in ihrer Funktion als Leiterin des Zentrums für Asylsuchende eine öffentliche Person. Tatsächlich waren die Eröffnung des Zentrums und die Ereignisse, die dort stattfanden, Gegenstand mehrerer Zeitungsartikel und Reportagen. Dennoch müssen die Auswirkungen, die die Veröffentlichung des Berichts auf die berufliche Tätigkeit von X. im Asylbewerberzentrum haben würde, dazu führen, dass der Zugang zum Bericht verweigert wird. Ein Asylbewerberzentrum ist ein sensibles Umfeld, und es ist wichtig zu vermeiden, dass die Veröffentlichung des Berichts zu den bereits bestehenden Spannungen, die sich aus dem Zusammenleben einer geschwächten und heterogenen Bevölkerung unter einem Dach ergeben, noch weitere Spannungen hinzufügt. Das Gericht gab daher der Beschwerde statt und reformierte die angefochtene Entscheidung dahingehend, dass die Anträge auf Zugang zum Untersuchungsbericht abgelehnt wurden. Die Journalisten beschweren sich beim BGer (Urteil 1C_472/2017 vom 29. Mai 2018). Das BGer heisst die Beschwerde gut, hebt das angefochtene Urteil auf und bestätigt die Entscheidung der Kommission. Die Risiken für die Verwaltung des Asylbewerberzentrums, auf die sich das Kantonsgericht beruft, seien in Wirklichkeit nur hypothetisch. Darüber hinaus besteht ein klares öffentliches Interesse daran, Zugang zu einem Bericht zu erhalten, der die Missstände aufzeigt, die in einem vom Staat geführten Zentrum aufgetreten sind.

Download