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Recht auf Zugang zur Krankengeschichte eines Verstorbenen

Kanton Genf – 27.10.2015

Im Jahr 2003 erlitt der Vater des Beschwerdeführers, D.B., einen Schlaganfall. Dieser Zustand führte zu mehreren Krankenhausaufenthalten und der Verschreibung zahlreicher Medikamente. Im Jahr 2011 unterzeichnete D.B. eine Urkunde zur Errichtung eines Trusts und brachte am selben Tag fast sein gesamtes Vermögen in Form von Aktien verschiedener Unternehmen in diesen ein. Zudem unterzeichnete er am 14. März 2012 einen Erbvertrag mit seiner Ehefrau und seinen drei ältesten Kindern (ohne Beteiligung des Beschwerdeführers). Im Jahr 2014 verstarb D.B. in Genf. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass seine erbrechtlichen Ansprüche durch die von seinem Vater getroffenen Verfügungen offensichtlich verletzt wurden. Zudem ist er der Ansicht, dass sein Vater angesichts seines Gesundheitszustands nicht über die nötige Urteilsfähigkeit verfügte, um die ihm vorgelegten Urkunden und Dokumente frei zu unterzeichnen und deren Auswirkungen zu beurteilen. Um dies festzustellen, wollte sich der Beschwerdeführer Zugang zur Krankengeschichte seines verstorbenen Vaters verschaffen. Zu diesem Zweck beantragten mehrere Ärzte bei der Berufsgeheimniskommission die Aufhebung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Art. 321 des Strafgesetzbuches (StGB). Mit Entscheid vom 13. November 2014 lehnte die Kommission die Aufhebung des Berufsgeheimnisses ab. Der Beschwerdeführer legte daraufhin bei der Verwaltungskammer Beschwerde gegen den Entscheid der Kommission ein und beantragte, dieser sei aufzuheben. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung des Bundesrates zum Bundesgesetz über den Datenschutz (VDSG) sieht vor, dass Einsicht in die Daten einer verstorbenen Person gewährt wird, wenn die gesuchstellende Person ein Interesse an der Einsichtnahme nachweist und keine überwiegenden Interessen von Angehörigen der verstorbenen Person oder von Dritten entgegenstehen. Nach Art. 48 des Gesetzes über die Information der Öffentlichkeit, den Zugang zu Dokumenten und den Schutz personenbezogener Daten (LIPAD) können die Angehörigen einer verstorbenen Person nur dann Zugang zu deren personenbezogenen Daten erhalten, wenn sie ein schutzwürdiges Interesse nachweisen können, das etwaige entgegenstehende Interessen anderer Angehöriger der verstorbenen Person überwiegt. Art. 55A des Gesundheitsgesetzes (LS) sieht vor, dass die Angehörigen eines verstorbenen Patienten über die Todesursache und die vorangegangene Behandlung informiert werden können, sofern sie ein schutzwürdiges Interesse nachweisen können und der Verstorbene sich nicht ausdrücklich dagegen ausgesprochen hat. Das Gericht stellt zuerst fest, dass nichts darauf hindeutet, dass der Verstorbene D.B. sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen hätte, dass seinen Angehörigen nach seinem Tod Informationen im Sinne von Art. 55A LS zur Verfügung gestellt werden. Das Gericht nimmt daher eine Interessenabwägung vor, indem es einerseits das Interesse des Beschwerdeführers an der Einsicht in die Krankengeschichte seines verstorbenen Vaters und andererseits die Wahrung des Arztgeheimnisses im Sinne von Art. 55A LS abwägt. Der Beschwerdeführer hat ein privates, an sich legitimes Interesse an der Einsicht in die Krankenakte seines verstorbenen Vaters, um dessen Urteilsfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung des Trusts und des Erbvertrags festzustellen. Diesem Interesse steht das private Interesse der anderen Angehörigen des Verstorbenen, d.h. seiner Ehefrau und seiner ersten drei Kinder, gegenüber, dass der Beschwerdeführer nicht allein von Informationen profitieren soll, die unter das Arztgeheimnis fallen. Die Angehörigen haben ebenfalls ein Interesse daran, sich bezüglich der Aufhebung des Arztgeheimnisses äussern zu können. Zudem sind drei erbrechtliche Prozesse zwischen den Angehörigen und dem Beschwerdeführer hängig. Die Angehörigen haben demnach ein Interesse daran, dass der Beschwerdeführer in diesem Punkt keinen angemessenen Wissensvorsprung hat und dass sich die Prozessparteien unter gleichen Bedingungen gegenüberstehen. Das Gericht kommt schließlich zu dem Schluss, dass die Interessenabwägung dazu führt, dass dem Beschwerdeführer der Zugang zur Krankenakte seines verstorbenen Vaters verweigert wird. Dies selbst wenn der Zugang auf bestimmte Punkte beschränkt und über einen Arzt übermittelt würde. Der Beschwerdeführer legte gegen die Entscheidung des Gerichts beim Bundesgericht Beschwerde ein. In seinem Urteil 2C_1084/2015 hiess das Bundesgericht seine Beschwerde gut und hob den Entscheid des Gerichts auf. Die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

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