UNESCO-Lehrstuhl verlängert – Im Gespräch mit Sarah Progin-Theuerkauf

UNESCO-Lehrstuhl verlängert – Im Gespräch mit Sarah Progin-Theuerkauf

Der UNESCO-Lehrstuhl für Menschenrechte und Demokratie an der Universität Freiburg sichert sich eine Verlängerung bis 2024, wobei Prof. Eva Maria Belser und Prof. Sarah Progin-Theuerkauf erneut als Lehrstuhlinhaberinnen bestätigt wurden. Erfahren Sie mehr über diese Auszeichnung im Gespräch der Alma&Georges-Redaktion mit Progin-Theuerkauf.

Wie würden Sie die Mission UNESCO-Lehrstuhls für Demokratie und Menschenrechte an der Unifr zusammenfassen?
Progin-Theuerkauf: Der UNESCO-Lehrstuhl beforscht interdisziplinär Themen im Zusammenhang mit Menschenrechten und Demokratie, organisiert Tagungen, Konferenzen und Kurse und verfasst Publikationen. Eine Achse der Forschung widmet sich speziell den kulturellen Menschenrechten, darunter auch denen von Migrant_innen, eine andere konzentriert sich auf Demokratie und Föderalismus. Eben alles, was sich auch die UNESCO zum Ziel gesetzt hat.

Wie einflussreich ist der UNESCO-Lehrstuhl bei der Entwicklung und Umsetzung ethischer politischer Normen und bei der Förderung der Menschenrechte?
Progin-Theuerkauf: Die UNESCO bietet uns eine Plattform für Austausch mit anderen UNESCO-Lehrstühlen und macht unsere Aktivitäten sichtbarer. Im Bereich der kulturellen Menschenrechte hat der UNESCO-Lehrstuhl an der Universität Freiburg sich international einen Namen gemacht, vor allem mit der «Déclaration de Fribourg», die von vielen Akteuren unterzeichnet wurde. Der Lehrstuhl arbeitet auch mit dem UN-Hochkommissariat für Menschenrechte und dem Europarat zusammen. Seit einigen Jahren stehen wir in engem Austausch mit einem UNESCO-Lehrstuhl in Laval, Canada. Mit diesem haben wir Studientage zu kulturellen Menschenrechten von Migrant_innen organisiert, u. a. zur Kunstfreiheit. Für viele Migrant_innen ist der Zugang zu Kultur ein Luxus, und sie getrauen sich oft nicht, ihre eigene Kultur im Aufnahmestaat öffentlich zu zeigen, aus Angst, dass man ihnen vorwerfen könnte, nicht integriert zu sein. Es gibt auch wenig Möglichkeiten für Künstler_innen aller Bereiche, legal zu migrieren. Sie erhalten z.B. seltener feste Arbeitsverträge. Man kann also schon sagen, dass wir hier auf wichtige gesellschaftliche Fragen hinweisen und auch gehört werden.

Der Lehrstuhl hat sich auf die Erforschung der «droits culturels» spezialisiert. Könnten Sie erklären, was unter diesen Rechten zu verstehen ist und warum sie so wichtig sind?
Progin-Theuerkauf: Die kulturellen Menschenrechte sind in verschiedenen internationalen Dokumenten verankert, u. a. im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966, auch UNO-Pakt 1 genannt. Die kulturellen Menschenrechte werden in Forschung und Lehre traditionell aber eher vernachlässigt. Prominent sind jedoch das Recht auf Bildung und das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben. Auch die Wissenschafts- und Kunstfreiheit oder die Religionsfreiheit gehören zu den kulturellen Rechten. Wir vertreten zudem die Auffassung, dass eigentlich jedes Menschenrecht eine kulturelle Dimension hat. Auch Rechte, die auf den ersten Blick nichts mit Kultur zu tun haben, wie z. B. das Recht auf Freiheit, haben eine kulturelle Komponente –  so wollen Menschen, die im Gefängnis sitzen, oft Zugang zu Büchern oder Medien wie Fernsehen und Internet – natürlich in einer Sprache, die sie auch verstehen.

Kultur ist nur schwer definierbar, aber nach der UNESCO muss der Begriff weit verstanden werden, als «die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen». Dies schliesst nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen. Auch was wir essen und wie wir sprechen, ist Kultur. Sogar das Recht selbst Teil unserer Kultur.

Bilder: Stéphane Schmutz / www.stemutz.com

Wie haben sich die Aktivitäten des UNESCO-Lehrstuhls über die Jahre hinweg entwickelt und welche Projekte werden aktuell durchgeführt? Und welche langfristigen Ziele stehen in Aussicht?
Progin-Theuerkauf: Wie bereits erwähnt ist eines unserer grossen Projekte die «Déclaration de Fribourg», die wir jetzt gerne noch einmal überarbeiten und modernisieren würden. Hierzu haben sich verschiedene Arbeitsgruppen gebildet. Auch der Austausch mit dem UNESCO-Lehrstuhl in Laval soll weitergeführt werden, dies insbesondere im Bereich der kulturellen Rechte von Migrant_innen.

Zudem hat meine Kollegin und Co-Lehrstuhlinhaberin, Eva Maria Belser, sehr spannende Projekte im Bereich der Demokratie und des Föderalismus. Sie beschäftigt sich damit, wie unser demokratisches System krisenfester gemacht werden kann – am Beispiel des Umgangs mit der Covid-19-Pandemie.

2022 war für Sie ein intensives Jahr: Sie wurden Co-Direktorin des Instituts für Europarecht, des Zentrums für Europastudien, des interdisziplinären Instituts für Ethik und Menschenrecht und Sie wurden Mitglied der Direktion des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft. Können Sie uns etwas über diese Funktionen erzählen und welche Schwerpunkte Sie in Ihrer Arbeit setzen?
Progin-Theuerkauf: Oh, ja, 2022 war sehr spannend. Insgesamt habe ich mit meinem Forschungsfeld, dem Migrationsrecht, überall Anknüpfungspunkte. Ich habe zum Beispiel im CAS für muslimische Seelsorger_innen, das das SZIG anbietet, eine Kurseinheit zum Asylverfahren und zum Migrationsrecht übernommen. Mit dem Zentrum für Europastudien und dem Institut für Europarecht haben wir den Europatag mit den jeweiligen Tagungen in verschiedenen Fakultäten organisiert. Das Institut für Europarecht gibt auch ein Jahrbuch heraus. Ich könnte da noch viele Beispiele nennen! Jedes Institut und Zentrum hat seine Besonderheiten, seine Mitarbeitenden mit ihren Anliegen und Projekten, und jede Funktion hat andere Herausforderungen. Bislang habe ich bei jeder neuen Aufgabe viel gelernt, und da ich überall tolle Co-Direktor_innen habe, bin ich selbst eigentlich gar nicht so wichtig. Generell muss man als Mitarbeitende an einer Universität Menschen mögen und respektieren, und die jeweilige Forschungsfreiheit der einzelnen Mitarbeitenden in möglichst grossem Umfang und in einem möglichst angenehmen Umfeld gewährleisten. Mir ist es wichtig, dass sich alle wohlfühlen, angefangen bei der Gastforscherin, die nur drei Monate bleibt.

Ab 1. Februar 2024 werden Sie auch Vizerektorin. Wie sehen Ihre zukünftigen Aufgaben und Ziele in dieser Position aus und wo sehen Sie Synergien?
Progin-Theuerkauf: Die Verteilung der Ressorts wird dann zu gegebener Zeit verkündet, das möchte ich nicht vorwegnehmen. Ich habe als Juristin natürlich besonders bei juristischen Fragen Kompetenzen. Ich bin mittlerweile seit 14 Jahren Professorin. Ich werde einfach meine Erfahrungen und Vorstellungen einbringen, wo das gewünscht ist. Möglichst immer mit guter Laune und in respektvoller Zusammenarbeit mit allen anderen. Die Erfahrungen in Instituten und Kommissionen und die Arbeit mit Menschen aus diversen Kulturen werden mir da sicher helfen.

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Author

Lovis Noah Cassaris ist Germanist_in, Philosoph_in und Autor_in, seit 2018 zudem Redaktor_in und Social-Media-Expert_in im Team Unicom. Lovis bezeichnet sich selbst als Textarchitekt_in und verfasst in der Freizeit Romane und Kurzgeschichten.

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