Osteuropa-Studien Bern-Freiburg: aktuell, spannend – und ab Herbst auch unkompliziert

Osteuropa-Studien Bern-Freiburg: aktuell, spannend – und ab Herbst auch unkompliziert

Die Osteuropa-Studien Bern-Freiburg sind schon heute hochinteressant, sagt Bachelor-Studentin Petra Zürcher im Interview. Administrativ war das Studium an den beiden Universitäten bisher allerdings eine Herausforderung. Mit einem «Joint Degree» wird sich das ab dem Herbstsemester ändern.

Interfakultär, multilingual, interuniversitär – in Ihrem Studium kommt einiges zusammen. Erzählen Sie von Ihrem Alltag bei den Osteuropa-Studien Bern-Freiburg.
Es ist tatsächlich ein sehr breit gefächertes Studium. Wir können Kurse aus fünf verschiedenen Bereichen wählen. In meinen ersten beiden Semestern hatte ich bereits Kurse in Literaturwissenschaften, Religionssoziologie, Islamwissenschaften, Geschichte oder Sozialanthropologie – themenspezifisch geht es dabei aber immer um Osteuropa. Derzeit fahre ich zweimal pro Woche nach Bern, die restlichen Veranstaltungen besuche ich in Freiburg. Andere Studierende sind mehrheitlich in Bern und kommen ab und zu nach Freiburg. Wir alle erlernen eine osteuropäische Sprache, das ist Pflicht. Bei mir ist es Russisch, im ersten Jahr sind es derzeit drei Mal pro Woche eineinhalb Stunden.

Welche Vorteile bringt es mit sich, an zwei verschiedenen Universitäten zu studieren?
Ich finde es schön, dass wir uns an zwei verschiedenen Orten vernetzen können. Für diejenigen, die in Bern studieren, ist es zudem cool, einige Veranstaltungen in Freiburg in einer anderen Sprache besuchen zu können. Einige haben zwar Hemmungen, Kurse in französischer Sprache zu belegen, aber es mindert die Berührungsängste. Zudem erweitert es schlicht auch das Angebot, wenn man an zwei Universitäten studiert. An der Uni Bern hat es zum Beispiel Professor_innen, die spezialisiert auf osteuropäische Geschichte sind, deshalb gehe ich für Veranstaltungen in diesem Bereich nach Bern.

Und wo liegen die Nachteile?
Die Anreise dauert einen Tick länger, als wenn man nur in einer Stadt studiert. Je nachdem, wie man sich den Stundenplan zusammenstellt, hat man am selben Tag Vorlesungen in Freiburg und Bern. Mühsam war bis jetzt aber vor allem, dass wir es mit zwei komplett verschiedenen Systemen zu tun hatten. Derzeit haben wir zwei E-Mailadressen, zwei Konten mit vier verschiedenen Plattformen und müssen manchmal über gefühlt drei verschiedene Stellen gehen, damit eine Note angerechnet wird. Was das Administrative angeht, ist es derzeit sehr herausfordernd.

Genau deshalb gibt es ab dem kommenden Semester einen «Joint Degree», also einen gemeinsamen Abschluss. Was halten Sie davon?
Ich habe schon mit vielen Studierenden darüber gesprochen, die Reaktion ist immer die gleiche: Erleichterung! Die Masterstudierenden erzählten mir, man diskutiere schon seit Jahren darüber. Entsprechend happy sind wir alle, dass es nun endlich so weit ist.

Mal unabhängig von den universitären Rahmenbedingungen – warum haben Sie sich für die Osteuropa-Studien entschieden?
Meine erste Idee war es gewesen, Geschichte zu studieren. Ich habe dann aber gemerkt, dass mich andere Bereiche ebenfalls interessieren, dachte mir, Politikwissenschaften wären cool, eine neue Sprache zu lernen wäre lässig, mich mit Literatur auseinanderzusetzen ebenfalls. Als ich dann per Zufall auf die Osteuropa-Studien stiess, wurde mir bewusst, dass das Studium wie auf mich zugeschnitten ist. Zumal mich Osteuropa und seine Kultur auch ganz grundsätzlich faszinieren. Unter dem Strich war es ein absoluter Glücksfall.

Sind Ihre Erwartungen im Studium erfüllt worden?
Ja, ich bin ein Megafan von diesem Studiengang. Er ist wirklich spannend, auch wenn sich abzeichnet, dass wir nicht sämtliche Länder Osteuropas behandeln werden. Das Studium ist ziemlich Russland-lastig. Natürlich steht nun auch noch die Ukraine stark im Zentrum. Hinzu kommen Veranstaltungen über Polen und Ungarn. Das sind, mit punktuellen Ausnahmen natürlich, die Schwerpunkte. Es wäre aber auch vermessen zu glauben, man könne nach dem Studium Expert_in für jedes einzelne Land Osteuropas sein.

Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist Osteuropa in den Fokus des Weltgeschehens gerückt. Inwiefern fühlen Sie sich durch die aktuellen Ereignisse in Ihrer Studienwahl bestätigt?
Sehr. Es ist der Beweis, dass das Thema Osteuropa auch 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Kriegs weiterhin sehr aktuell ist, dass die Spannungen all die Jahre geblieben sind. Wenn man studiert, kommt irgendwann immer die Frage: Was wollt ihr später damit machen? Es ist deshalb motivierend zu sehen, dass es unser Fachwissen brauchen wird, sei es in der Forschung, im Journalismus, in der Diplomatie oder bei einer Behörde.

Die Fachschaft Osteuropa-Studien Bern-Freiburg bietet derzeit Hilfe an für Studierende aus der Ukraine und Russland. Wie sieht die konkret aus?
Zu Beginn wurden wir regelrecht überrannt mit Anfragen. Direkt nach Kriegsausbruch versuchten wir bei der Frage zu helfen, wo Flüchtende aus der Ukraine untergebracht werden können. Wir halfen auch mit Übersetzungen und bei administrativen Dingen. Nach ein paar Wochen hat sich die Situation dann beruhigt. Derzeit gleisen wir ein Sprachcafé auf, die Idee ist ein sprachlicher Austausch im Tandem-System. Wir werden laufend neu analysieren, wie und wo wir helfen können.

Joint Degree: «Auf dem Arbeitsmarkt ein zusätzlicher Trumpf»

Die Osteuropa-Studien Bern-Freiburg gibt es bereits seit 2009. Schon heute gehen Freiburger Studierende für gewisse Veranstaltungen nach Bern und umgekehrt. Im Rahmen eines Joint Degree wird das Studium auf das Herbstsemester hin nun aber restrukturiert. Aus zwei parallel an zwei Universitäten laufenden Studiengängen wird ein gemeinsamer Studiengang – mit einem gemeinsamen Abschluss. «Dadurch vereinfachen sich Studium und Studienberatung, alles wird transparenter», sagt Jens Herlth. Er ist Professor für Slavistik an der Universität Freiburg und hat als Präsident des Departements für Europastudien und Slavistik die Arbeit auf Freiburger Seite koordiniert. «Die Studierenden beider Unis haben nun einen einzigen Studienplan für das jeweilige Programm. Bis jetzt sahen die Studienpläne zum Teil komplett anders aus, die Anforderungen waren manchmal je nach Uni unterschiedlich.»

Hinter der Harmonisierung steckt jahrelange Arbeit. «Zwei Universitäten, zwei Fakultäten, zwei verschiedene Kantone – da kommt einiges zusammen. Das Regelwerk an der Uni Bern ist ein völlig anderes als dasjenige an der Uni Freiburg», sagt Herlth. «Am Ende entstand eine lange Liste von grösseren und kleineren Kompromissen.»

Jens Herlth ist überzeugt, dass sich der Aufwand gelohnt hat. Als Vertreter eines eher kleinen Fachs erkenne er die Vorteile umso deutlicher. Die Slavistik hat eine lange Tradition an der Universität Freiburg, sie besteht seit der Gründung 1889. «Doch ich bin der einzige Professor, und wir haben nur wenige Mitarbeitende.» Das Ziel sei jedoch nicht, ein Minimalprogramm anzubieten, sondern ein international kompetitives Programm. «Das funktioniert schon seit Jahren in Zusammenarbeit mit der Uni Bern. Es gibt in Bern und Freiburg so viel Kompetenz zu Osteuropa, nicht nur im Bereich Sprache und Literatur, den wir in der Slavistik bedienen, sondern auch in anderen Bereichen wie Geschichte und Politikwissenschaft.» Herlth ist deshalb froh, dass die Idee, die Kräfte zu bündeln, nun mit dem Joint Degree zementiert wird. «Und am Ende erhalten die Studierenden ein Diplom mit den Logos beider Universitäten ­– das ist auch auf dem Arbeitsmarkt ein zusätzlicher Trumpf.»

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Author

Matthias Fasel ist Gesellschaftswissenschaftler, Sportredaktor bei den «Freiburger Nachrichten» und freischaffender Journalist.

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