Für ihren unermüdlichen Einsatz zum Schutz der Menschenrechte und im Kampf gegen Diskriminierung erhielt Doris Angst den Ehrendoktortitel der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Im Gespräch mit Alma&Georges spricht sie über ihren Antrieb – und über ihre Verbindung zur Unifr.
Sie sind eine der ausgezeichneten Personen unseres Dies Academicus 2022. Wie haben Sie sich an diesem Festtag gefühlt?
Der Tag gestaltete sich äusserst festlich, inklusive der Talare von Rektorin und Dekanen. Die grosse lateinische Urkunde in der Rolle, die uns Geehrten übergeben wurde, war traditionell – das darf es auch für einmal sein. Die Fakultät und besonders Dekan Hubertus Stöckli vermittelten mir eine echte Zugehörigkeit. Ich fühlte mich sehr geehrt – auch in der Runde der anderen ausgezeichneten Personen. Thematisch am nächsten waren mir der Schriftsteller Lukas Bärfuss und Prof. Marie-Jo Thiel mit ihrer Forschung zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Gerne hätte ich mich an dem Tag, an welchem alle fünf Geehrten anwesend waren, für einen kurzen Moment persönlich mit den anderen unterhalten, wozu es leider keine Gelegenheit gab. Beeindruckt hat mich die gelebte Zweisprachigkeit, der sich die Universität verschrieben hat. Das gemeinsam gesungene «Gaudeamus igitur» bildete einen bewegenden Abschluss der Feier in der Aula Magna.
Was bedeutet es in einer Karriere wie der Ihren, einen Ehrendoktortitel zu erhalten?
Schon im fortgeschrittenen Alter stehend darf ich das Ehrendoktorat als Würdigung meines Einsatzes für das Zusammenleben zwischen Mehrheit und Minderheiten und gegen Diskriminierung ansehen. Ich war in verschiedenen Bereichen quasi als Pionierin unterwegs. Oft folgte ein gewisser gesellschaftlicher Wandel in der angestrebten Richtung erst 15-20 Jahre später, sei es in der Begleitung von Asylsuchenden, in der Erkenntnis, dass Rassismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, usw. Als Vorläuferin wird man nicht mit Lorbeeren überschüttet. Auch folgte mein Lebensweg nicht den üblichen institutionell vorgegebenen Wegen, sondern nahm einige Umwege, die aber schliesslich auch meiner Forschungstätigkeit zugutekamen.
Ich war erfreut festzustellen, dass ich die vier Frauen, welche von der Fakultät in den letzten Jahren mit dem Dr. h.c. geehrt wurden, alle persönlich kennenlernen durfte: Dr. Margrith Bigler-Eggenberger (erste Bundesrichterin), Navanethem Pillay (ehemalige UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte), Ursula Müller-Biondi (Vorreiterin für eine Wiedergutmachung an die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen), Prof. Helen Keller (u.a. Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte). Uns verbinden die Menschen- und Frauenrechte!
Was hat Sie im Laufe Ihrer Karriere mit der Universität Freiburg verbunden?
Es ergaben sich über die Jahre Schnittstellen in den Forschungsinteressen: Prof. Damir Skenderovics’ Arbeiten zu Rechtsextremismus waren und sind für meine Lehrtätigkeit an der Berner Fachhochschule Soziale Arbeit zu ideologisch extremistischer Gewalt von Bedeutung. Prof. Marcel Alexander Niggli und Prof. Samantha Besson standen mit ihrer Forschung mit der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) in Verbindung, Herr Niggli durch seinen Kommentar zum Strafrechtsartikel 261bis StGB Rassendiskriminierung (heutiger Titel: Diskriminierung und Aufruf zum Hass), Frau Besson als zeitweiliges Mitglied der EKR, deren erste Geschäftsführerin ich war. Prof. Bernhard Waldmann seinerseits verfasste Gutachten zu institutioneller rassistischer Diskriminierung. Schliesslich lernte ich als Vizepräsidentin des Beirats des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR) Prof. Eva Maria Belser kennen, die Mitglied des Direktoriums ist. In Programmen des Zentrums Islam und Gesellschaft leitete ich mehrmals Workshops; auch sprach ich am Institut de plurilinguisme über den Schutz nationaler Minderheiten.
Kann man sich nach einer solchen Auszeichnung ausruhen oder haben Sie immer neue Pläne?
Nun, mit 70 kann man sich die Arbeit etwas aussuchen. Ich bin Mitglied einer vom EDA geleiteten Arbeitsgruppe zur Ausgestaltung der im Entstehen begriffenen Schweizer Nationalen Menschenrechtsorganisation nach Vorgaben der UNO, den sog. «Pariser Prinzipien». Den entsprechenden Gesetzestext dazu hat das Parlament im Oktober 2021 verabschiedet. An der Berner Fachhochschule Soziale Arbeit unterrichte ich zu den Themen Rassismus und extremistische Gewalt. Ich kann mich jeweils nicht über mangelndes Interesse der Studierenden beklagen, denn beide Phänomene sind in der Gesellschaft präsent und Sozialarbeitende können damit konfrontiert werden. Weiter lockt mich ein Forschungsthema, das ich aus dem Handkommentar zum Übereinkommen gegen Rassendiskriminierung (publiziert 2020) ableite.
Was würden Sie jungen Studierenden raten, die eine ähnliche Karriere anstreben?
Wie ich zu Anfang ausführte, verlief meiner eigener Weg nicht sehr gradlinig auf einer Karriereleiter. Ich bin der Meinung, dass der Ausbau des Schutzes vor Diskriminierung in der Schweiz in Zukunft ein spannendes und lohnendes Thema für Jurist_innen und Soziolog_innen darstellt. Unser Land weist in diesem Bereich beachtlichen Nachholbedarf aus. Um die nötigen Rechtsmittel auszubauen, sind Forschung und Lehre nötig, welche bestehende Diskriminierungen, deren Vorhandensein von der Politik weitgehend beiseitegeschoben wird, greifbar machen.
Die Menschenrechte stehen heute durch autoritäre Regimes und populistische Tendenzen vermehrt unter Druck. «Wir brauchen die Menschenrechte – Die Menschenrechte brauchen uns» lautet mein Motto, d.h. wir müssen die Menschenrechte hochhalten und immer wieder vor Angriffen verteidigen, damit wir gegebenenfalls ihren Schutz in Anspruch nehmen können.
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