Med Home: Eine einzigartige Bildungserfahrung

Zum dritten Mal bietet die Universität Freiburg ihren Medizinstudierenden im zweiten Masterjahr die Möglichkeit an, mit der Dienstleistung Med Home durch den Kanton zu reisen. Dieser freiwillige Praxistag ermöglicht es ihnen, gemeinsam mit erfahrenen Hausärzten an Hausbesuchen teilzunehmen und so wertvolle Einblicke in den Berufsalltag zu gewinnen.

Seit seiner Gründung im Jahr 2017 bietet Med Home an sieben Tagen die Woche ärztliche Hausbesuche an. Neun Hausärzte sind mit GPS-ausgestatteten Einsatzfahrzeugen im gesamten Kanton Freiburg unterwegs. Unterstützt werden sie von weitern zehn Mitarbeitenden, die sich um alle logistischen und administrativen Aufgaben kümmern. „Wir übernehmen alles, was nicht direkt medizinisch ist, damit sich das Ärzteteam voll und ganz auf die Konsultation, den Patientenkontakt und den Besuchsbericht konzentrieren kann“, erklärt Alvaro Nieto, der Med Home gemeinsam mit Bénédicte Hagger leitet. Eine weitere zentrale Rolle spielen dabei sieben Regulatorinnen, die im Schichtbetrieb das Anrufe entgegennehmen, Anfragen nach Dringlichkeit einordnen und die Besuche entsprechend koordinieren.

Auch von den Ärzten wird Vielseitigkeit verlangt. „Man muss verstehen, warum man angerufen wird, und in der Lage sein, die richtigen Entscheidungen zu treffen“, erklärt Dr. Pierre-Olivier Müller, leitende Arzt des Unternehmens. Er betont zudem, dass bei der Beantwortung von Patientenanfragen eine gewisse Vorsicht geboten ist. „Wir wissen, dass wir manchmal gegenüber den behandelnden Ärzten instrumentalisiert werden können, sagt er, deshalb sind wir sehr darauf bedacht, die berufsethischen Grundsätze einzuhalten. Wir arbeiten mit absoluter Transparenz“.

Das Ärzteteam von Med Home behält sich stets vor, einen Patienten oder eine Patientin bei Bedarf an andere Fachstellen weiterzuvermitteln – insbesondere bei Mehrfacherkrankungen oder in akuten Situationen, in denen die Notfallabteilung des Freiburger Spitals eine unverzichtbare Ressource darstellt. „Es ist entscheidend, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu respektieren“, betont Dr. Müller. „Das ist besonders wichtig, weil viele Hausbesuche in komplexen psychiatrischen, psychosozialen oder umweltbedingten Kontexten stattfinden.“ Daher legt der Arzt grossen Wert darauf, sich bei jeder Konsultation ausreichend Zeit zu nehmen, um den Patientinnen und Patienten wirklich zuzuhören. „Es berührt mich immer wieder, wie stark das Bedürfnis der Menschen ist, einfach zu erzählen, was sie belastet“, sagt er.  

Dr. Pierre-Olivier Müller, leitende Arzt von Med Home

Praxisnah unterrichten

Vor einigen Jahren tauchte die Dienstleitung Med Home im Kursprogramm der Medizinstudierenden im fünften Studienjahr an der Universität Freiburg (Unifr) auf. 2020, nach 30 Jahren als Hausarzt mit eigner Praxis für Allgemeine Innere Medizin in Yverdon-les-Bains, trat Dr. Müller dem Hausbesuchsdient Med Home bei. Es war ein „glücklicher Zufall“: Zur gleichen Zeit übernahm Dr. Olivier Pasche die Funktion des Vizedirektors und Verantwortlichen für die Prägraduiertenausbildung am Institut für Hausarztmedizin der Unifr an. Die beiden Ärzte kannten sich bereits aus ihrer früheren Zusammenarbeit im Rahmen des Programms Formation des médecins omnipraticiens dans le Nord vaudois et la Broye. So kam es, dass sie ihre Zusammenarbeit erneut aufnahmen, mit dem Ziel, ein Seminar zu Hausbesuchen im Freiburger Medizinstudium zu etablieren.

Im Jahr 2023 zeigten zwei Medizinstudierende Interesse, einen praktischen Einblick in den Dienst von Med Home zu erhalten. Dr. Müller gab ihnen die Möglichkeit, das Ärzteteam einen Tag lang bei Konsultationen zu begleiten. „Das ist eine wertvolle Erfahrung in der Medizinausbildung, teilt er mit, denn hier geht es um den echten Berufsalltag der Allgemeinmedizin.“ Bei den Hausbesuchen steht die klinische Untersuchung im Mittelpunkt, was Dr. Müller den Medizinstudierenden näherbringen möchte. „Manchmal muss man die Hand auf den Bauch legen, oder muss man abhorchen, beobachten, spüren. Diese Dinge lernt man nicht im Studium. Gerade das macht den Reiz der Arbeit eines Hausarztes.“

Die Begeisterung der ersten beiden Teilnehmenden motivierte Dr. Pasche und Dr. Müller, das Angebot im darauffolgenden Jahr fortzusetzen. Diesmal meldeten sich fünf Studierende freiwillig für einen Schnuppertag bei Med Home. Das Feedback war durchweg hervorragend. Besonders hervorgehoben wurden der herzliche Empfang durch das Team, die didaktische Herangehensweise der Ärztinnen und Ärzte sowie ihre aktive Teilnahme an der Anamnese. Auch die Herausforderung, Patientinnen und Patienten ohne die gewohnte Umgebung einer Arztpraxis zu untersuchen, und die Möglichkeit, die Situation von Menschen unter Berücksichtigung ihres Lebensumfelds zu beurteilen, wurden positiv betont.

Auch die Patientinnen und Patienten zeigen sich begeistert von der Idee: „Die Studierenden werden mit offenen Armen empfangen, erzählt Dr. Müller, die Leute finden das grossartig!“ Er selbst ist ebenfalls beeindruckt von der Motivation der jungen Ärztinnen und Ärzte, sich an diesem sowie anderen praktischen Angeboten zu beteiligen: „Sie haben bereits diverse Praktika absolviert, Samariter- und Rettungskurse besucht... Man merkt, wie sehr sie sich engagieren.“

Eine der Regulatorinnen von Med Home 

Eine Gelegenheit zur langfristigen Etablierung?

Angesichts des bisherigen Erfolgs wird der Praxistag mit Med Home den Studierenden auch im Jahr 2025 angeboten. Für das dritte Mal wurde vorgeschlagen, die Teilnehmenden stärker in die differentialdiagnostischen Überlegungen einzubeziehen. Der leitende Arzt nahm diesen Vorschlag zur Kenntnis: „Es gibt Situationen, in denen das kein Problem ist, dann lasse ich die Studierenden aktiver mitwirken“, erklärt er. Wenn es der Zeitrahmen erlaubt, folgt auf den Besuch ein Austausch über die Diagnose und die möglichen Behandlungsschritte – gelegentlich wird der Verlauf eines Falls zu einem späteren Zeitpunkt weiterverfolgt. Dr. Müller ergänzt: „Das hängt auch davon ab, wie sehr sich die Studierenden einbringen und in einen Fall einarbeiten möchten. Ich gestalte das ganz nach Wunsch!“

Derzeit wird über die dauerhafte Etablierung dieses besonderen Bildungsangebots nachgedacht. Zwar ist es aufgrund der oft stark variierenden Anzahl und Art der Konsultationen schwierig, konkrete Lernziele für den Praxistag zu definieren, doch gerade diese Vielfalt verleiht dem Tag seinen besonderen Wert. Denn Unvorhersehbarkeit gehört zum klinischen Alltag, und es sind genau diese realen, nicht planbaren Situationen, die es jungen Ärztinnen und Ärzten ermöglichen, ihre praktischen Kompetenzen zu erweitern. Zugleich laufen Gespräche, um die Organisation dieses Praxistags zu strukturieren und ihn so einem grösseren Kreis von studierenden zugänglich zu machen. Eines ist jedoch klar: Med Home möchte das Angebot weiterführen. „Meine Kollegen haben genau so viel Freude daran, ihr Wissen weiterzugeben wie ich“, betont Dr. Müller abschliessend, „wir sind auf jeden Fall offen dafür.“

Text und Fotos :
Léa Chabaud

Übersetzung: Alicia Hayoz