Die Freude an der Vielfalt weitergeben
Seit einigen Jahren haben Medizinstudierende im Master an der Universität Freiburg die Möglichkeit, medizinische Handgriffe zu üben, die in einer Praxis durchgeführt werden können, aber manchmal in Vergessenheit geraten sind. Dr. Carlos Muñoz leitet nicht nur den Workshop dieses Tages, sondern unterrichtet die Hausarztmedizin auch in anderen Kursen des Freiburger Curriculums sowie in seiner Arztpraxis im Kanton Jura. Sowohl dort als auch hier vermittelt er den angehenden Ärztinnen und Ärzten eine sehr menschlich geprägte Sichtweise des Berufs.
Am 6. März 2025 nahmen die Medizinstudierenden im fünften Studienjahr an der Universität Freiburg (Unifr) an eher ungewöhnlichen Praxisworkshops teil. Diese wurden von Lehrärztinnen und Lehrärzten des Instituts für Hausarztmedizin (IHM) geleitet und sollten einen Einblick in die Vielzahl von Handgriffen geben, die in der Praxis durchgeführt werden können – vorausgesetzt, man weiss, wie sie auszuführen sind. „Diese Handgriffe werden im Kurs für Allgemeine Innere Medizin nicht unbedingt praxisnah gelehrt, denn man neigt schnell dazu, sie der Notaufnahme des Spitals vorzubehalten", erklärt Dr. Carlos Muñoz. Dabei müssen Hausärztinnen oder Hausärzte durchaus häufig Gliedmassen ruhigstellen, einen eingewachsenen Zehennagel behandeln oder ein verstopftes Ohr reinigen. Jeder Eingriff, der in der Hausarztpraxis erledigt wird, entlastet die Notaufnahme und spar damit auch erhebliche Kosten.
Dieses vielseitige Know-how macht den Reichtum des Hausarztberufs aus. „Wir sind wie Spezialistinnen und Spezialisten, aber in vielen verschiedenen Bereichen", vergleicht Dr. Muñoz. „Auf diese Vielfalt wollen wir auch ein wenig stolz sein." Vielfalt erlebt er täglich in seiner Praxis in der Gemeinde Pruntrut. Einer seiner zentralen Grundsätze, den er den Studierenden auf den Weg gibt, lautet: Die medizinische Praxis muss sich an die jeweiligen Menschen anpassen, denen man begegnet. „Wenn man sich in einer ländlichen Gegend niederlässt, muss man vielfältiger sein als in einer Stadtpraxis", betont er. „Ein Blick ins Wartezimmer genügt: Da kann gleichzeitig ein Kinderwagen stehen, eine Grossmutter neben einem Sportler sitzen und ein Kind weinen, weil es gestürzt ist."
Kreative Lehrmethoden
Für angehende Ärztinnen und Ärzte, die später einmal in einer Praxis arbeiten möchten, ist es von Vorteil, wenn sie bereits während ihrer Ausbildung verschiedene kleinere Eingriffe erlernen können. Aus dieser Überlegung heraus haben die Lehrärztinnen und Lehrärzte des IHM vor vier Jahren den Praxistag zum Thema Hausarztmedizin ins Leben gerufen. Bei der Gestaltung der Workshops war Kreativität gefragt. „Man kann schlecht Schauspieler engagieren, um Abszesse zu simulieren", sagt Dr. Muñoz, „also kam uns die Idee, sie selbst herzustellen." Die Lösung? Hühnerschenkel, in die er Senfbeutel injiziert. „Das kommt dem Original ziemlich nahe und die Studierenden schätzen es sehr, auf diese Weise das Aufschneiden von Abszessen zu üben", fügt er hinzu.
In einem Nebenraum liegt ein Stück eines Wiener Würstchens, das von einem Bleistift durchbohrt ist, an dem die Studierenden die Lokalanästhesie eines Zehs üben können. In der praktischen Augenheilkunde, beim Anlegen von Schienen und bei Beratung zu sexuell übertragbaren Infektionen übernehmen die Studierenden abwechselnd die Patientenrolle, stets unter Aufsicht einer Ärztin oder eines Arztes. Theorieeinheiten gibt es zu Themen, die schwieriger praktisch umzusetzen sind, wie beispielweise die Entfernung von Ohrenschmalzpfropfen oder das Zusammenstellen einer Reiseapotheke.
Mehr als nur Medizin
Über den Workshop zu Abszessen hinaus gibt Dr. Muñoz seit fünf Jahren mehrere Kurse im Rahmen des medizinischen Curriculums der Unifr. „Diese Kurse haben einen sehr direkten Bezug zu dem, was wir in der Praxis tun", erklärt er. Er arbeitet dabei mit klinischen Fallvignetten aus seinem eigenen Praxisalltag – selbstverständlich unter Wahrung der Vertraulichkeit. Was der Arzt den Studierenden besonders gerne vermittelt, ist die Kontinuität, die die Hausarztmedizin auszeichnet. „Man sieht die Patientinnen und Patienten nach Wochen oder Monaten wieder und baut eine Beziehung auf, die über das Medizinische hinausgeht." Um dies zu veranschaulichen, greift er in späteren Vorlesungen immer wieder die Entwicklung einer realen Situation, die zuvor Gegenstand einer klinischen Vignette war, wieder auf. „Das zeigt den Studierenden auch, wie wichtig es ist, eine tiefe Beziehung zu einer Patientin oder einem Patienten aufzubauen", sagt er.
Neben seinen Vorlesungen an der Universität Freiburg heisst Dr. Muñoz auch gerne Praktikantinnen und Praktikanten in seiner Praxis willkommen. „Es ist motivierend, sich wieder in die Lage der Studierenden zu versetzen und gemeinsam mit ihnen zu arbeiten", erzählt er. „Mit der Erfahrung schleichen sich manchmal Abkürzungen ein, die man hinterfragen muss, sobald man eine Praktikantin oder Praktikanten begleitet. Dann ist es notwendig, das Denken neu zu ordnen und methodischer vorzugehen, um Schritt für Schritt erklären zu können, wie man zu einer bestimmten Schlussfolgerung gelangt."
Durch seine Lehrtätigkeit, sowohl in der Praxis als auch im Hörsaal, hofft der Arzt, bei den Studierenden so früh wie möglich das Interesse an der Hausarztmedizin zu wecken. „Es ist spannend, sich Gedanken darüber zu machen, wer eines Tages an unsere Stelle tritt, wenn wir nicht mehr da sind", sagt er. „Und es ist ebenso wichtig, Gelegenheiten zu schaffen, in denen wir unsere Erfahrung – und vor allem die Begeisterung für unseren Beruf – weitergeben können."

Text und Fotos
(ausser Porträt) :
Léa Chabaud
Übersetzung: Alicia Hayoz