MedNIS: Für eine bessere Betreuung elektrohypersensibler Personen

Das schweizerisches medizinisches Beratungsnetz für nichtionisierende Strahlung (MedNIS), koordiniert von Dr. Diana Walther, Romane Challet und Sophie Rigolet am Institut für Hausarztmedizin der Universität Freiburg, hat zum Ziel, die Behandlung von Personen mit Elektrohypersensibilität zu verbessern. Das Projekt basiert auf drei Säulen: spezialisierten ärztlichen Konsultationen, einer Kohortenstudie zu elektromagnetischen Feldern und Gesundheit sowie Informationsangeboten für Betroffene, die wissenschaftliche und medizinische Gemeinschaft sowie die breite Öffentlichkeit.

Vom sichtbaren Licht über Hochspannungsleitungen bis hin zu Mikrowellen und Frequenzen der Telekommunikation – täglich sind wir von einem Spektrum elektromagnetischer Strahlung umgeben. Diese sogenannten „nichtionisierenden Strahlungen“ (NIS) haben nicht genügend Energie, um Moleküle zu verändern. Ausserdem ist ihre Intensität gesetzlich unter den Werten zu halten, ab denen sie biologische Auswirkungen haben können. Die Mehrheit der Bevölkerung nimmt diese Wellen daher gar nicht wahr.

Anders verhält es sich jedoch bei einem Teil der Bevölkerung, der unter der so genannten Elektrohypersensibilität (EHS) leidet. Betroffene leiden unter einer Vielzahl von Symptomen, die sie auf die Exposition gegenüber elektromagnetische Felder zurückführen und die sich durch keine andere Diagnose erklären lassen. Zu diesen Symptomen zählen Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten oder Tinnitus. All diese Beschwerden sind unspezifisch, das heißt, sie können viele verschiedene Ursachen haben.  Häufig wird jedoch ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten dieser Symptome und Veränderungen im Lebensumfeld gesehen, etwa einem Wohnortwechsel in die Nähe einer 5G-Antenne oder der Installation eines neuen WLAN-Routers.

Um ein tieferes Verständnis für das Phänomen zu gewinnen und die Versorgung der Betroffenen zu verbessern, wurde das schweizerisches medizinisches Beratungsnetz für nichtionisierende Strahlung (MedNIS) 2023 vom Institut für Hausarztmedizin im Auftrag des Bundesamts für Umwelt ins Leben gerufen. Das Projekt umfasst drei Säulen: spezialisierte Konsultationen für EHS-Betroffene, eine wissenschaftliche Studie zu elektromagnetischen Feldern und Gesundheit sowie Informationsangebote für Patientinnen und Patienten, Angehörige, Gesundheitsfachpersonen, die Wissenschaftsgemeinde und die breite Öffentlichkeit.

Viele Wege zur Besserung

Die über die ganze Schweiz verteilten Konsiliarärzte/-ärztinnen des Netzwerks MedNIS empfangen Personen mit EHS, die eine spezialisierte medizinische Beratung wünschen. Um die Arbeit sowohl für Ärztinnen und Ärzte als auch für Patientinnen und Patienten zu erleichtern, werden die Konsultationen von Sophie Rigolet, administrative Mitarbeiterin des Koordinationsteams, organisiert. Nach der ärztlichen Untersuchung übermittelt der Konsiliararzt oder die Konsiliarärztin eine Behandlungsempfehlung an das Koordinationsteam, an die Patientin oder den Patienten sowie an den behandelnden Arzt oder Ärztin, welche anschliessend die medizinische Betreuung übernimmt.

„Es ist wichtig zu erwähnen, dass die meisten Fälle von EHS vorübergehend sind“, versichert Dr. Diana Walther, leitende Ärztin von MedNIS. „Es handelt sich um eine funktionelle Störung des Körpers. Das Ziel der Therapie ist es also, diese Funktionsfähigkeit wiederherzustellen“, fährt die Expertin für Prävention und öffentliche Gesundheit fort. Man kann auf verschiede Weise intervenieren, angefangen bei der Umgebung der betroffenen Person. Neben dem Vorhandensein von elektromagnetischer Strahlung können auch Aspekte wie Umgebungslärm, Luftqualität oder Lichtverhältnisse den Genesungsprozess beeinflussen.

„Der Lebensstil ist ein weiterer bedeutender Faktor“, ergänzt Dr. Walther. Gesunde Konsumgewohnheiten, erholsamer Schlaf, ausreichende Bewegung und stabile soziale Beziehungen fördern Gesundheit und Wohlbefinden. Zudem ist es wichtig, mögliche Begleiterkrankungen – ob physischer oder psychischer Natur – zu behandeln, um die Resilienz des Körpers gegenüber EHS zu stärken. Schliesslich sollte auch der Umgang mit dem durch die Symptome verursachten Stress nicht vernachlässigt werden. „Grundsätzlich geht es darum, Bedingungen zu schaffen, die die Genesung fördern – und am wirksamsten ist die Betreuung, wenn sie auf mehreren Ebenen gleichzeitig ansetzt“, fasst Dr. Walther zusammen.

Den Betroffenen eine Stimme geben

Ein wissenschaftlicher Kausalzusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und EHS-Symptomen wurde bislang nicht nachgewiesen. Dennoch ist es laut Dr. Walther essenziell, betroffene Personen ernst zu nehmen. „Es ist eine Bevölkerungsgruppe, die oft ignoriert wird. Dabei ist ihr Leidensdruck real.“ Ziel der MedNIS-Kohortenstudie ist es deshalb, den Betroffenen eine Stimme zu geben, um ihre Erfahrungen besser zu verstehen.

Die Teilnahme an dieser Studie steht allen volljährigen, in der Schweiz wohnhaften Personen mit EHS offen und ist bis Ende August 2025 möglich. Sie besteht aus der anonymen Beantwortung eines Fragebogens über das eigene Umfeld, die auftretenden Symptome und die ergriffenen Massnahmen zur Linderung. Nach der Rekrutierungsphase werden zur Beobachtung der gesundheitlichen Entwicklung weitere Fragebögen an die Teilnehmenden verschickt. Romane Challet, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei MedNIS, wertet derzeit die erhobenen Daten von rund 250 Teilnehmenden aus.

Währenddessen kümmert sich Sophie Rigolet um die Rekrutierung weiterer Teilnehmender – mit dem Ziel, die für optimale Ergebnisse erforderliche Zahl von 500 zu erreichen. „Je mehr teilnehmende Personen wir haben, desto repräsentativer wird das Bild ihrer Erfahrungen sein“, betont Dr. Walther. Da sich EHS auf vielfältige Weise manifestiert, ist eine gross angelegte Stichprobe erforderlich, um anschliessen die bestmöglichen therapeutischen Lösungen anbieten zu können.

Vielfältige Informationsangebote

Ein weiteres wichtiges Ziel der Studie ist es, die gewonnenen Erkenntnisse nicht nur der wissenschaftlichen Gemeinschaft, sondern auch der Bevölkerung zugänglich zu machen. Neben den Betroffenen und ihren Angehörigen sollen auch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte, die im Umgang mit der Problematik oft ratlos sind, sowie die breite Öffentlichkeit informiert werden. Das MedNIS-Team möchte auf seiner Website dauerhaftes und allgemein zugängliches Material wie Informationsblätter oder Übungshefte zur Verfügung stellen, „um Betroffene und Fachpersonen auf dem Weg zum Verständnis und zur Genesung von EHS zu begleiten“, wie Dr. Walther erklärt.

MedNIS sucht derzeit noch nach Konsiliarärztinnen und -ärzte. Alle in der Schweiz niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzte, die sich für das Thema EHS interessieren, sind herzlich willkommen. Wer dem Projekt teilnimmt, erhält eine Grundausbildung zum Thema sowie eine jährliche Weiterbildung in Form eines Symposiums. Darüber hinaus organisiert das Koordinationsteam viermal jährlich Qualitätszirkel, um die von MedNIS angebotene Dienstleistung kontinuierlich zu verbessern. „Es ist ein Pionierprojekt“, sagt Dr. Walther. „Wir wünschen uns, dass es im Laufe der Zeit weiter verbessert werden kann, um den Bedürfnissen der Betroffenen und der Ärzteschaft bestmöglich gerecht zu werden.“

Dr. Diana Walther, leitende Ärztin
Romane Challet, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Sophie Rigolet, administrative Mitarbeiterin

Text: Léa Chabaud

Übersetzung: Alicia Hayoz

Bannerbild von Joe von Pixabay