Rechtsprechung des EGMR zu Art. 9 EMRK
Hier finden Sie eine Zusammenstellung der für die Schweiz relevanten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) über die Religionsfreiheit gemäss Art. 9 EMRK nach Ländern geordnet.
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Albanien
Zu Albanien ist bislang kein für die Schweiz relevantes Urteil des EGMR zur Religionsfreiheit ergangen.
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Andorra
Zu Andorra ist bislang kein für die Schweiz relevantes Urteil des EGMR zur Religionsfreiheit ergangen.
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Armenien
Adyan and Others v Armenia (2017)
Die Wehrpflicht verstösst in unzulässiger Weise gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, wenn es keine genügende zivile Alternative gibt.
Avanesyan v Armenia (2021)
Art. 9 EMRK ist verletzt, da Armenien für Bewohner von Bergkarabach keine Möglichkeit zur Leistung eines zivilen Wehrpflichtersatz bietet.
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Aserbaidschan
Zu Aserbaidschan ist bislang kein für die Schweiz relevantes Urteil des EGMR zur Religionsfreiheit ergangen.
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Belgien
Dakir v Belgium (2017)
Das auf kommunaler Ebene verankerte Verbot, im öffentlichen Raum gesichtsverhüllende Kleidung tragen zu dürfen, verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, da das Verbot das öffentliche Interesse des gesellschaftlichen Zusammenlebens ("vivre ensemble") verfolge sowie verhältnismässig sei.
Belcacemi and Oussar v Belgium (2017)
Das gesetzlich verankerte Verbot, im öffentlichen Raum gesichtsverhüllende Kleidung tragen zu dürfen, verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, da das Verbot das öffentliche Interesse des gesellschaftlichen Zusammenlebens ("vivre ensemble") verfolge sowie verhältnismässig sei.
Lachiri v Belgium (2018)
Das Verbot für Zivilparteien in einem Gerichtsprozess, eine Kopfbedeckung zu tragen, verstösst gegen Art. 9 EMRK, da die öffentliche Ordnung nicht gestört und keine Rechte Dritter beeinträchtigt wurden, was allenfalls eine Rechtfertigung für das Verbot gewesen wäre.
Anderlecht Christian Assembly of Jehova's Witnesses v Belgium (2022)
Die steuerliche Benachteiligung nicht anerkannter Religionsgemeinschaften verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Executief van de Moslims van Belgie and Others v Belgium (2024)
Die Nicht-Erneuerung der öffentlichen Anerkennung der muslimischen Gemeinschaft in Belgien verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK. Die Anerkennung war nicht erteilt worden wegen Mängel der internen Struktur, insbesondere wegen deren Intransparenz.
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Bosnien und Herzegowina
Hamidovic v Bosnia and Herzegovina (2017)
Das Verbot, als Prozess geladene Person vor Gericht eine Gebetskappe (Taqiyah) aus religiösen Gründen tragen zu dürfen, verstösst in unzulässiger Weise gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
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Bulgarien
Hasan und Chaush v Bulgaria (2000)
Bulgarien verletzte die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, da das bulgarische Justitzministerium selbständig eine religiöse Führungsperson (in diesem Fall einen Mufti) gegen den Willen der betroffenen Religionsgemeinschaft in ein offizielles Register eingetragen hatte.
Supreme Holy Council of the Muslim Community v Bulgaria (2004)
Das Einsetzen von religiösen Führungsorgane durch ein bulgarisches Gericht, ohne dass dieses ein dringendes gesellschaftliches Bedürfnis darlegen kann, stellt eine Verletzung der Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK dar.
Genov v Bulgaria (2017)
Das Nicht-Registrieren einer religiösen Gemeinschaft, weil sie einer bereits existierenden inhaltlich zu sehr gleiche, verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK und insbesondere gegen die Pflicht der staatlichen Neutralität.
The Religious Denomination of Jehova's Witnesses in Bulgaria v Bulgaria (2020)
Das Nicht-Registrieren der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehova's, ohne dass dafür triftige Gründe (wie bspw. eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung) vorliegen, verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Tonchev and Others v Bulgaria (2022)
Behördlich unterstützte Verbreitung von Flugblättern in Schulen und öffentlichen Einrichtungen, auf denen die protestantische Kirche (und insb. die Pfingsgemeinde) als gefährlich dargestellt wird, verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
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Dänemark
Kjeldsen, Busk Madsen and Pedersen v Denmark (1979)
Die Verpflichtung für dänische Kinder, an öffentlichen Schulen am Sexualkundeunterricht teilnehmen zu müssen, obwohl dieser laut den Beschwerdeführer:innen nicht genügend Rücksicht auf christlich-konservative Werte legt, verstösst nicht gegen Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls der EMRK (Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder in Übereinstimmung mit ihren weltanschaulichen und religiösen Überzeugungen).
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Deutschland
X gegen Deutschland (1981)
Das Verbot, nach dem Tod die Asche auf dem eigenen Grundstück zu verstreuen verstösst im vorliegenden Fall die Religionsfreiheit darum nicht, weil der Beschwerdeführer nicht eine genügende "coherent view on fundamental problems" dargelegt hat.
F.P. gegen Deutschland (1993) Entscheid der Europäischen Kommission für Menschenrechte
Die Entlassung eines Berufsoffiziers aus dem Militärdienst, weil dieser den Helocaust leugnete, stellt keine Verletzung des Art. 9 EMRK dar, da es sich bei solchen Äusserungen nicht um weltanschauliche Überzeugungen i.S.v. Art. 9 EMRK handle.
Johannische Kirche und Peters gegen Deutschland (2001)
Die Verweigerung einer Baugenehmigung für eine Kapelle aus Gründen der Umweltschutzes stellen einen gerechtfertigten Eingriff in die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK dar, da das Verbot in nicht in diskriminierender Weise auf Religionsgemeinschaften angewandt wird und verhältnismässig ist.
Fritz Konrad und Andere gegen Deutschland (2006)
Die gesetzliche Schulpflicht verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Leela Förderkreis E.V. und Andere gegen Deutschland (2008)
Eine öffentliche, kritische Bewertung einer Religionsgemeinschaft durch deutsche Behörden (insb. durch den Verfassungsschutz) verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, solange diese Bewertungen sachlich und begründet geschehen und verhältnismässig sind.
Obst gegen Deutschland (2010)
Es besteht aufgrund von Art. 9 EMRK keine Pflicht für den Staat, eine Entlassung eines Öffentlichkeitsarbeit leistenden Geistlichen zu verhindern, wenn die betreffende Religionsgemeinschaft der Ansicht ist, der Geistliche habe seine Loyalitätspflichten durch die Missachtung religiöser Gebote verletzt.
Schüth gegen Deutschland (2013)
Dass die katholische Kriche einen Organisten entlässt, der sich von seiner Ehefrau getrennt hatte, verstösst gegen Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung der Privatsphäre). Dies war das Ergebnis nach der Abwägung mit der kirchlichen Autonomie, die sich aus Art. 9 EMRK ergibt. Herr Schüths konkrete Tätigkeit habe nicht eine so zentrale religiöse Funktion eingenommen, dass die Loyalitätspflicht der Arbeitgeberin gegenüber es rechtfertigen würde, das Privatleben nach den religiösen Vorschriften der katholischen Kirche richten zu müssen.
Wasmuth gegen Deutschland (2011)
Die Pflicht eines Ehegatten, einen Kirchensteuerzuschlag auf seine Eingkommenssteuer zu zahlen, obwohl nicht er, sondern lediglich seine Gattin Mitglied der katholischen Kirche ist, verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, da die Kirchensteuerpraxis gesetzlich verankert sowie verhältnismässig ist und sich im vorliegenden Fall aus der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung ergab.
Siebenhaar gegen Deutschland (2011)
Es besteht aufgrund von Art. 9 EMRK keine Pflicht des Staates, eine Entlassung einer katholischen Erzieherin zu verhindern. Der Grund für die Entlassung war gewesen, dass die Erzieherin Einführungsseminare für die Universelle Kirche/Bruderschaft der Menschheit durchführte, allerdings laut ihrem Arbeitsvertrag den Loyalitätsanforderungen der evangelischen Kirche in Baden unterlag.
Hizb Ut-Tahrir und Andere gegen Deutschland (2012)
Ein islamistischer Verein, der zur gewaltsamen Zerstörung Israels und der Tötung seiner Bewohner:innen aufruft und darum von den deutschen Behörden verboten wird, kann sich nicht auf Art. 9 EMRK berufen.
IX/WABE eV (C-804/18) und MH Müller Handels GmbH/MJ (C-341/19); Vorabentscheidungsverfahren der EuGH zur Richtlinie 2000/78/EG vom 15. Juli 2021
Der Gerichtshof entschied, dass eine interne Regel in einem privaten Unternehmen, die Arbeitnehmer:innen in genereller Weise das Tragen von jedem sichtbaren Zeichen von religiösen Überzeugungen am Arbeitsplatz verbietet, noch keinen Verstoss gegen die Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie darstellt. Die interne Regel muss allerdings mit dem Willen des Arbeitgebers gerechtfertigt werden, eine Bild der religiösen Neutralität gegen aussen zu präsentieren, wenn dies tatsächlich ein Bedürfnis der Arbeitgeber:in ist - bspw. weil dies der Erwartungen der Kund:innen entspricht. Ausserdem muss die Regel auf das beschränkt sein, was unbedingt für die Umsetzung dieses neutralen Bildes notwendig ist, sowie in allgemeiner Weise und unterschiedslos auf alle Arbeitnehmer:innen angewendet werden.
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Estland
Zu Estland ist bislang kein für die Schweiz relevantes Urteil des EGMR zur Religionsfreiheit ergangen.
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Finnland
Tomi Autio v Finland (1991)
Dass der zivile Ersatzdienst anstelle der Militärdienstpflicht länger dauert, verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, auch wenn die Militärdienstverweigerung aus religiösen Gründen erfolgt.
Kuomo Konttinen v Finland (1996)
Die Entlassung eines Angestellten bei der finnischen Staatsbahn weil dieser aus religiösen Gründen am Freitag ab Sonnenuntergang nicht mehr arbeiten wollte, verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK. Es sei dem Beschwerdeführer möglich gewesen, das Arbeitsverhältnis zu beenden, wenn er es für unvereinbar mit seinen religiösen Überzeugungen halte.
Kustannus ay Vapaa Ajattelija AB and Others v Finland (1996) Entscheid der Europäischen Kommission für Menschenrechte
Die Pflicht eines Verlags, Kirchensteuern zu zahlen, verstösst nicht gegen Art. 9 EMRK, da juristische Personen sich grundsätzlich nicht auf Art. 9 EMRK berufen können.
Salonen v Finland (1997)
Die Berufung auf die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK ist nicht möglich, um seinem Kind einen Namen zu geben, der gegen das finnische Namensgesetz verstösst.
Jehova's Witnesses v Finland (2023)
Das Verbot des Sammeln personenbezogener Daten (z.B. zur Gesprächsbereitschaft) verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, da das Verbot gesetzlich vorgesehen und verhältnismässig ist sowie ein legitimes Ziel (Schutz der Privatsphäre) verfolge.
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Frankreich
Cha'are Shalom Ve Tsedek c France (2000)
Das Verbot, Tiere rituell schlachten zu dürfen, verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, wenn die Möglichkeit besteht, das Fleisch importieren zu können, ein öffentliches Interesse verfolgt (namentlich den Tierschutz) und verhältnismässig ist.
Pichon and Sajous c France (2001)
Das Gebot an einen Apotheker, Verhütungsmittel anzubieten, verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Phull c France (2005)
Sicherheitskontrollen, die das Abnehmen einer religiös motiviert getragenen Kopfbedeckung erfordern, sind mit der Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK vereinbar.
Mann Singh c France (2008)
Es besteht kein Verstoss gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, wenn die französischen Behörden von einem praktizierenden Sikh verlangen, den religiös motiviert getragenen Turban für das Führerscheinfoto abzunehmen - dies liege im Ermessensspielraum des Staates.
Association des Témoins de Jéhova c France (2011)
Die nachträglich Besteuerung von Spenden dreier Jahre (1993-1996) verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, weil diese Steuerlast von drei Jahren die kollektive Religionsausübung beeinträchtigt. Besteuerungen sind grundsätzlich legitim, müssen aber auf einer klaren gesetzlichen Grundlage beruhen und verhältnismässig sein, was im vorliegenden Fall nicht so war.
S.A.S. c France (2014)
Das ausnahmslose Verbot, in der Öffentlichkeit das Gesicht vollständig zu verhüllen zu dürfen, verstosse zwar gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK (weil dies dazu führt, dass das Tragen eines Niqabs verunmöglicht wird), sei aber gerechtfertigt, weil Frankreich damit das Ziel des "vivre ensemble" (also der gesellschaftlichen Kommunikation) verfolge und das Verbot auch verhältnismässig sei.
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Georgien
Members of the Gldani Congregation of Jehova's Witnesses and Others v Georgia (2007); Bagheluri and Others v Georgia (2014); Tsartsidze and Others v Georgia (2017)
Dass Georgien wissentlich keine Schutzmassnahmen erliess, was wiederum die religiös motivierten Angriffe in den Jahren 1999-2000 gegen Mitglieder der Zeugen Jehova's ermöglichte und anschliessend die strafrechtliche Ermittlung zu unterlassen, verletzt unter anderem Art. 9 EMRK.
Georgian Muslim Relations and Others v Georgia (2023)
Die Schliessung einer Moschee, die Verweigerung einer Baugenehmigung für eine neue Moschee und die systematisch Bevorzugung der georgisch-orthodoxen Kirche bei der staatlichen Unterstützung religiöser Infrastruktur stellen unter anderem eine ungerechtfertigte Verletzung von Art. 9 EMRK dar.
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Griechenland
Kokkinakis v Greece (1993 - erste Feststellung einer Verletzung von Art. 9 EMRK)
Strafrechtliche Verurteilungen wegen missionarischer Tätigkeit verstossen gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, wenn die Ausübung von unzulässigem Druck und missbräuchlicher Beeinflussung nicht sorgfältig genug dargelegt werden.
Holy Monasteries v Greece (1994)
Ein Gesetz, das dem Staat ermöglicht, auf Immobilien von Klöstern zuzugreiffen verletzt durch die wirtschaftliche Schwächung dieser Klöster indirekt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK (konkret das Recht auf Religionsausübung).
Efstratiou v Greece (1996); Valsamis v Greece (1996)
Dass keine Beschwerdeinstanz für Eltern besteht, bei der sie die Suspendierung ihrer Tochter beanstanden können, die diese Suspensierung erhalten hat, weil sie (resp. die Eltern) aus religiösen Gründen nicht an einer Parade teilnehmen wollte, verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Manoussakis and Others v Greece (1996)
Die Pflicht für Religionsgemeinschaften, ihre religiösen Gebäude durch die griechisch-orthodoxe Kirche genehmigen lassen zu müssen verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Larissis and Others v Greece (1998)
Die Beschwerdeführer, drei Offiziere, hatten versucht, sowohl Greichrangige, als auch untergebene Militärangehörige zum Protestantismus zu bekehren, weswegen sie nach griechischem Strafrecht verurteilt worden waren. Das Gericht urteilte, dass die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK im Falle der Verurteilung der Missionierungsversuche bei gleichrangigen Militärangehörigen verletzt wurde, nicht jedoch bei den Verurteilungen der Missionierungsversuchen von Untergebenen. Durch die hirarchische Beziehung könne ein Druck entstehen, was wiederum die Strafverfolgung legitimiere.
Serif v Greece (1999)
Die Verurteilung zur Amtsanmassung eines Mufti, der als religiöser Führer auftrat und entsprechende Kleidung trug, verstösst im konkreten Fall gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, da der Mufti keine rechtswirksamen Handlungen mit hoheitlicher Wirkung vorgenommen hatte.
Thlimmenos gegen Griechenland (2000)
Die Nichtzulassung zum Wirtschaftsprüfer nur aufgrund einer Verurteilung wegen religiös motiverter Wehrdienstverweigerung verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, wenn der Staat keine genügende Alternative zum Wehrdienst vorsieht.
Vergos v Greece (2004)
Die Verweigerung einer Genehmigung für die Errichtung einer Gebetsstätte auf privatem Grund ist ein legitimer Eingriff in die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, da das Verbot mit der Planungsgesetzgebung gesetzlich vorgesehen sei und einem legitimen Ziel diene (Schutz der öffentlichen Ordnung).
Alexandridis gegen Griechenland (2008)
Das Verfahren, in einem Gerichtssaal einen Eid auf die Bibel zu leisten, verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, auch wenn es möglich ist, eine alternative Erklärung ohne religiösen Bezug abzugeben.
Dimitras and Others v Greece (2010)
Im Rahmen eines Prozesses seine religiösen Überzeugungen offen legen zu müssen, weil standardmässig auf das Evangelium als "orthodoxer Christ" geschwört wird, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Molla Sali v Greece (2018)
Die Verwandtschaft des verstorbenen Mannes von Frau Molla Sali focht sein Testament auf Grundlage der Scharia an, das in Griechenland für die muslimische Minderheit in Thrakien traditionell staatlich durchgesetzt wird. Das Gericht stellte eine Verletzung des Art. 14 EMRK fest (Diskriminierungsverbot) und betonte, dass die Anwendung religiöser Normen nicht gegen den Willen der Beteiligten erfolgen darf.
Papageorgiou and Others v Greece (2019)
Die Pflicht für Eltern, belegen zu müssen, dass sie nicht orthodoxer Konfession sind, um ihre Kinder vom orthodox geprägten Unterricht befreien zu können, verstösst unter anderem gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Stavropoulos and Others v Greece (2020)
Der Hinweis in der Geburtsurkunde darauf, ob ein Kind christlich oder zivil getauft wurde, verstösst gegen die negative Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
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Irland
Johnston and Others v Ireland (1986)
Dass in Irland keine Möglichkeit bestand, sich scheiden lassen zu können, verletze die EMRK nicht.
Murphy v Ireland (2003)
Einen Webespot nicht im öffentlichen Fernsehen zeigen zu dürfen, in dem für das Christentum geworben wird, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK nicht.
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Island
Asatruarfélagid v Iceland (2012)
Die Mitfinanzierung der Evangelisch-Lutheranischen Staatskirche aus zwei staatlichen Fonds, die der Religionsgemeinschaft Asatruarfélagid nicht zukommt, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK nicht, da diese Finanzierung historisch begründet und gesetzlich verankert ist (und damit sachlich gerechtfertigt).
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Italien
Lautsi gegen Italien (2009-2011)
Das Aufhängen eines Kruzifix in einer staatlichen Primarschule verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK von den Kindern oder der Eltern nicht, solange kein Zwangselement besteht, und keine Indoktinierung passiert. Der Umgang mit religiösen Symnolen in Klassenzimmern falle in den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten.
Francesca Sessa v Italy (2012)
Die Ablehnung des rechtzeitig eingereichten Antrags, eine gerichtliche Verhandlung nicht am jüdischen Feiertag Jom Kippur durchzuführen, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
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Kroatien
Savez crkava "Rijec Zivota" and Others v Croatia (2010)
Wenn der Staat gewissen Religionsgemeinschaften finanzielle oder institutionelle Mittel gewährt (z.B. der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen oder Seelsorgemöglichkeiten), darf er dabei keine Religionsgemeinschaft in ungerechtfertigter Weise bevorzugen. Im vorliegenden Fall war darum die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK der religiösen Vereinigung Savez crkava "Rijec Zivota" verletzt.
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Lettland
Kovalkovs v Latvia (2012)
Die Ablehung der Bitte um Einzelhaft, resp. geeignete Räume für die Religionsausübung verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK nicht.
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Lichtenstein
Zu Lichtenstein ist bislang kein für die Schweiz relevantes Urteil des EGMR zur Religionsfreiheit ergangen.
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Litauen
Mockuté gegen Litauen (2018)
Die pathologisierung religiöser Überzeugungen (im konkreten Fall die Einweisung in eine psychiatrische Klinik) ohne wirksame gerichtliche Kontrolle oder medizinische Notwendigkeit, verletzt unter anderem die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Ancient Baltic Religious Association "Romuva" gegen Litauen (2021)
Die inhaltliche Bewertung des litauischen Parlaments einer Religionsgemeinschaft, sie sei eine kulturelle Bewegung statt eine Religionsgemeinschaft und dazu führt, dass diese den rechtlichen Status der "anerkannten religiösen Organisation" nicht erreicht (obwohl sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt), verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Teliatnikov gegen Litauen (2021)
Die Interpretation einer Satzungsbestimmung der jüdischen Religionsgemeinschaft, die dazu führt, dass der wieder gewählte Vorsitzende des jüdischen Religionsbundes von Litauen nicht wieder ins Vereinsregister eingetragen wird, verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
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Luxemburg
Zénon Bernard and others v Luxembourg (1993)
Die Verpflichtung zur Teilnahme am sog. Moral- und Sozialkundeunterricht stellt keine Verletzung der Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK dar, solange keine religiöse Indoktrinierung stattfindet.
Casimiro and Ferreira v Luxembourg (1999)
Die Ablenung des Antrags für dauerhafte Befreiung vom Schulunterricht am Samstagmorgen aus religiösen Gründen stellt zwar eine Einschränkung der Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK dar, ist jedoch durch die obligatorische Schulpflicht gerechtfertigt.
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Malta
Zu Malta ist bislang kein für die Schweiz relevantes Urteil des EGMR zur Religionsfreiheit ergangen.
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Monaco
Zu Monaco ist bislang kein für die Schweiz relevantes Urteil des EGMR zur Religionsfreiheit ergangen.
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Montenegro
Zu Montenegro ist bislang kein für die Schweiz relevantes Urteil des EGMR zur Religionsfreiheit ergangen.
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Niederlande
Vereinigung Rechtswinkel Utrecht (V.R.U.) v Netherlands (1986)
Rechtsberatendes Engagement fällt nicht unter den Schutz persöhnlicher religiöser oder weltanschaulicher Überzeugungen gem. Art. 9 EMRK.
Van Schijndel, Van der Heyden and Leenman v Netherlands (1997)
Die Verurteilung wegen Störung der öffentlichen Ordnung, weil die betroffenen Personen durch das Knien in einem Korridor den Zugang zu einer Abtreibungsklinik versperrten, stellt keinen Eingriff in die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK dar.
Staatkundig Gereformeerde Partij v Netherlands (2012)
Die orthodox-calvinistische Partei Staatkundig Gereformeerde Partij (SGP) wurde gerichtlich dazu verpflichtet, Frauen als vollwertige Mitglieder mit passivem Wahlrecht zuzulassen. Der EGMR bestätigte die Rechtmässigkeit dieses Urteils; Eingriffe in die Religionsfreiheit würden zwar allenfalls vorliegen, seien aber durch das öffentliche Interesse des Schutzes der Gleichstellung im politischen Leben gerechtfertigt.
Schilder v Netherlands (2012)
Die Verbot von Kirchglockengeläut während den Ruhezeiten stellt zwar einen Eingriff in die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK dar, dieser sei jedoch durch das legitime Ziel der Schutz der Nachtruhe und Rechte Dritter gerechtfertigt.
Fränklin-Beentjes and Ceflu-Luz da Floresta v Netherlands (2014)
Das Verbot, das Getränk Ayahuasca einzunehmen, das den halluzinogenen Wirkstoff DMT enthält, dessen Einnahme in den Niederlanden durch das Betäubungsmittelgesetz verboten ist, stellt zwar einen Eingriff in die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK dar, dieser sei allerdings gerechtfertigt.
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Nordmazedonien
Kosteski v Former Yugoslav Republic Macedonia (2006)
In arbeitsrechtlichen Kontexten ist ein gewisser Nachweis religiöser Zugehörigkeit, um sich für religiöse Feiertage dispensieren lassen zu können, mit der Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK vereinbar.
Orthodox Ohrid Archdiocese (Greek-Orthodox Ohrid Archdiocese of the Pec Patriarchy) v the Former Yugoslav Republic of Macedonia (2017)
Die Nicht-Registrierung einer religiösen Gemeinschaft mit der Begründung, es bestehe Verwechslungsgefahr mit einer anderen Religionsgemeinschaft, stellt unter anderem eine Verletzung der Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK dar (und insbesondere der Pflicht der staatlichen Neutralität).
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Norwegen
Folgerø and Others v Norway (2007)
Die Notwendigkeit der Offenlegung der religiösen Überzeugungen der Eltern, damit sie ihre Kinder von einem christlich geprägten Schulfach befreien können, verstösst gegen das Recht der Eltern, ihre Kinder gemäss ihren religiösen Überzeugungen erziehen zu dürfen (Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK).
Abdi Ibrahim v Norway (2021)
Das Recht auf Achtung des Familienlebens (Art. 8 EMRK) wird unter anderem dadurch verletzt, dass ein Kind in eine christliche Pflegefamilie gegeben wide, wenn die Mutter es muslimisch erziehen will. (Art. 9 EMRK wird nicht isoliert geprüft, sondern in der Bewertung der Verletzung von Art. 8 EMRK miteinbezogen.)
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Österreich
Verein Kontakt-Information-Therapie KIT und Siegfried Hagen gegen Österreich (1988) Entscheid der Europäischen Kommission für Menschenrechte
Die Verweigerung, in einem Strafverfahren als Zeug:in auszusagen, ist nicht von der Gewissensfreiheit gem. Art. 9 EMRK gedeckt, insbesondere wenn für die betroffene Person der Zeugnisverweigerungsschutz nicht gesetzlich verankert ist.
Otto-Preminger-Institut gegen Österreich (1994)
Den Film "Das Liebeskonzil" zu verbieten, weil dieser gerechtfertigte religiöse Empörung hervorruffen kann durch blasphemische Darstellung zentraler religiöser Figuren, verletzt die Meinungsfreiheit gem. Art. 10 EMRK nicht, da das Verbot einem legitimen Ziel diene (namentlich dem Schutz der religiösen Gefühle) und verhältnismässig sei.
Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas und Andere gegen Österreich (2008)
Eine Zehnjahresfrist als starres Kriterium für die gesetzliche Anerkennung der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehova's, wodurch sie im Vergleich zu den anerkannten Kirchen schlechtergestellt werden, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Löffelmann gegen Österreich (2009); Gütl gegen Österreich (2009)
Löffelmann und Gütl, beide Mitglieder der Zeugen Jehova's, konnten sich nicht auf eine Regelung berufen, die es für Angehörige anerkannter Religionsgemeinschaften mit bestimmten geistlichen Funktionen ermöglicht, sich vom Wehrdienst zu befreien. (Sowohl Löffelmann als auch Gütl nahmen innerhalb der Religionsgemeinschaft eine Führungsrolle ein.) Das Gericht befand, dass dies die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK verletzt, insbesondere, weil die Differenzierung allein nach dem formellen Status einer Religionsgemeinschaft nicht eine genügende Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung ist.
Jehovas Zeugen in Österreich gegen Österreich (2012)
Der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas, die in Österreich zwar eine registrierte, nicht aber eine anerkannte Religionsgemeinschaft sind, wurde es wegen einem Verbot im Ausländerbeschäftigungsgesetz untersagt, ausländische Geistliche anzustellen. Für anerkannte Religionsgemeinschaften ist eine entsprechende Ausnahme vom Ausländerbeschäftigungsgesetz vorgesehen. Das verstösst unter anderem gegen Art. 9 EMRK.
E.S. gegen Österreich (2018)
Die strafrechtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin zu einer Busse, weil diese den muslimischen Propheten Mohammed im Rahmen eines Seminarvortrags indirekt als pädophil bezeichnet hatte, verstösst nicht gegen die Meinungsfreiheit gem. Art. 10 EGMR, da die Busse dem Schutz religiöser Gefühle Dritter diene.
Polat gegen Österreich (2021)
Der Entzug der elterlichen Sorge, der dazu führt, dass der Vater die Kinder nicht mehr religiös (in diesem Fall muslimisch) erziehen kann, verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, wenn der Entzug gesetzlich vorgsehen ist, das Kindeswohl zum Ziel hat und verhältnismässig ist.
Föderation der Aleviten Gemeinden in Österreich gegen Österreich (2023)
Die Ablehnung der Anerkennung der Aleviten-Gemeinden in Österreich als "Religionsgemeinschaft" nach österreichischem Recht, mit der finanzielle und institutionelle Vorteile einhergehen würden, mit der Begründung, sie sei keine eigenständige Religion, sondern Teil des Islams und es lägen keine allgemein bekannte Glaubenslehren vor, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Kiliç gegen Österreich (2023)
Die Ablehnung der Forderung eines Häftlings nach halal-zertifiziertem Fleisch stellt keine Verletzung der Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK dar, wenn eine genügende vegetarische Alternative angeboten wird.
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Polen
Dubowska und Skup gegen Polen (1997)
Die Nicht-Verurteilung wegen öffentlicher Beleidigung religiöser Symbole von Personen, die eine Madonna mit Gasmaske abgebildet hatten, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK nicht, wenn ein genügendes Verfahren stattgefunden hat.
Sanievski gegen Polen (2001)
Die Pflicht, im Rahmen des Arbeitsverhältnises an katholisch geprägten Zeremonien teilnehmen zu müssen, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK nicht, da die genügende Eingriffsintensität im vorliegenden Fall nicht erreicht wurde.
Grezlak gegen Polen (2010)
Die Kennzeichnung im Schulzeugnis, dass ein Schüler den Religionsunterricht nicht besucht hatte, was zu sozialer Ausgrenzung und Diskriminierungserfahrungen führte, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Jakobski gegen Polen (2011)
In einem Gefängnis keine vegetarischen Malzeiten anzubieten, was dazu führt, dass ein Buddhist entgegen seiner religiösen Überzeugungen Fleisch wegwerfen muss, verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Rabczewska gegen Polen (2015)
Die Verurteilung der Popsängerin Dorota Rabczewska wegen öffentlicher Beleidigung religiöser Gefühle zu einer Busse, weil diese in einem Interview ausgesagt hatte, sie glaube nicht an die Bibel, verletzt die Meinungsfreiheit gem. Art. 10 EMRK.
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Portugal
Zu Portugal ist bislang kein für die Schweiz relevantes Urteil des EGMR zur Religionsfreiheit ergangen.
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Republik Moldau
A.O. Falun Dafa und Andere gegen die Republik Moldau (2021)
Das Verbot des religiösen Symbols der spirituellen Bewegung Falun Gong (das sog. Falun), verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
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Rumänien
Paroisse Greco-Catholique Sâmbata Bihor gegen Rumänien (2010)
Die Pflicht der griechisch-katholischen Kirche, für die Rückgabe ihrer Kirchgebäude nach der Aufhebung des Verbots ihrer Existenz 1989 die Zustimmung der orthodoxen Kirche einholen zu müssen, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK nicht eigenständig.
Sindicatul "Pastorul Cel Bun" gegen Rumänien (2013)
Die Nicht-Eintragung einer Gewerkschaft für Geistliche der Kirche, ohne dass diese die Zustimmung der Kirche eingeholt hatte, verstösst nicht gegen die Vereinigungsfreiheit gem. Art. 11 EMRK.
Constantin-Lucian Spînu gegen Rumänien (2022)
Das Ablehnen des Antrags auf eine:n Seelsorger:in für einen Inhaftierten, der der Pfingstkirche angehört, mit der Begründung, die Pfingstkirche sei nicht in den Kooperationsvereinbarungen mit der Orthodoxen Kirche vorgesehen und der Zugang stehe nur religiösen Vertretern anerkannter Religionsgemeinschaften zu, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Neagu gegen Rumänien (2020)
Das Nichtbeachten der religiösen Bedürfnisse eines Häftlings, der während der Haft zum Islam konvertiert war, weil dieser seine Religionszugehörigkeit nicht mit einem offiziellen Bestätigungsschreiben einer anerkannten religiösen Organisation beweisen konnte, verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Erlich und Kastro gegen Rumänien (2020)
Die koscheren Mahlzeiten auf Kosten der Inhaftierten zuzubereiten, die die koscheren Mahlzeiten essen, stellt keine Verletzung der Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK dar.
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Russland
Infolge des Ausschlusses der Russischen Föderation aus dem Europarat am 16. März 2022 ist sie seit dem 16. September 2022 keine Hohe Vertragspartei der Europäischen Menschenrechtskonvention mehr.
Pitkevich gegen Russland (2001)
Die Entlassung einer Richterin, weil diese ihre richterliche Position dazu gebraucht hatte, religiöse Aktivitäten zu fördern (z.B. durch Gebete währed den Verhandlungen) verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK nicht.
Moscow Branch of the Salvation Army gegen Russland (2006)
Die Ablehnung der behördlichen Neuregistrierung der Moskauer Niederlassung der Heilsarmee unter der Begründung, sie sei eine militärisch strukturierte ausländische Organisation, und damit mit dem Gesetz über religiöse Vereinigungen unvereinbar, verletzt unter anderem die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Church of Scientology Moscow gegen Russland (2007)
Die systematische Ablehnung der behördlichen Registrierung der Kirche des Scientology in Moskau verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, da das wiederholte und unbegründete Verweigern der Registrierung faktisch ein Verbot der religiösen Betätigung darstelle, das nicht durch objektiv nachvollziehbare oder verhältnismässige Gründe gerechtfertigt wird.
Ismailova gegen Russland (2007)
Einer Mutter das Sorgerecht ihrer Kinder unter anderem darum nicht zu übertragen, weil sie sich den Zeugen Jehova's angeschlossen hatte, verstösst nicht gegen Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Familienlebens) und Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot). Das Gericht entschied mit vier zu drei Stimmen und verzichtete auf eine gesonderte Prüfung einer möglichen Verletzung der Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Kimlya und Andere gegen Russland (2009)
Die Ablehung des Antrags auf staatliche Registrierung als religiöse Organisation, was die Möglichkeit des Handelns als juristische Person ermöglichen würde, verstösst gegen Art. 9 EMRK.
Krupko and others gegen Russland (2014)
Die polizeiliche Auflösung eines Gottesdienstes verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Biblical Centre of the Chavish Republic gegen Russland (2014)
Die Auflösung der evangelisch-pfingstlichen Religionsgemeinschaft der "Biblical Centre of the Chuvash Republic" durch die russischen Behörden, weil sie ohne staatliche Lizenz eine Bibel- und Sonntagschule betrieben hatten, verletzt unter anderem die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK. Die Konsequenz der Auflösung sei unverhältnismässig und nicht in genügender Deutlichkeit gesetzlich vorgesehen.
Dyagilev gegen Russland (2014)
Die Ablehnung des Antrags auf Leistung eines Zivildienstes wegen pazifistischer Überzeugungen mit der Begründung, die Ernsthaftigkeit der Gewissensüberzeugung sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK nicht. Das Gericht entschied mit vier zu drei Stimmen.
Preovy gegen Russland (2020)
Dass ein Junge im Rahmen eines Schulbesuchts an orthodoxen Zeremonien teilnimmt, ohne dass die Eltern informiert werden oder zustimmen, verletzt unter anderem die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK des Jungen und der Eltern.
Centre of Societies for Krishna Consciousness in Russland und Frolov gegen Russland (2021)
Die Veröffentlichung einer Broschüre durch eine staatliche Behörde, in der unter anderem die Krishna-Bewegung als totalitäre Sekte dargestellt wurde, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Corley und Andere gegen Russland (2021)
Der Entzug der Aufenthaltserlaubnis und die Verweigerung der Einreise, weil die Beschwerdeführer "missionarische Tätigkeiten" durchgeführt hatten, ohne die notwendige Bewilligung dazu gehabt zu haben, verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Taganrog LRO und Andere gegen Russland (2022)
Die LRO Taganrog wurde wegen angeblichen extremistischen Aktivitäten von den russischen Behörden verboten, dessen Räumlichkeiten beschlagnahmt und einige Mitglieder strafrechtlich verfolgt. Der EGMR stellte unter anderem eine Verletzung der Religionsfreiheit gem. Art. 9 EGMR fest, weil die Auflösung der LRO Taganrog nicht auf einer tatsächlichen Gefahr für die öffentliche Ordnung, sondern einer ablehnenden Haltung des Staates gegenüber der Religionsgemeinschaft geschah.
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San Marino
Buscarini and others gegen San Marino (1999)
Die Pflicht, als Parlamentsabgeordnete bei der Amtseinführung auf das Evangelium einen Eid leisten zu müssen, ohne den die betreffende Person ihren Parlamentssitz verliert, verstösst gegen Art. 9 EMRK.
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Schweden
X. and Church of Scientology v Sweden (1979) Entscheid der europäischen Kommission für Menschenrechte
Aussagen religiösen Natur, die im Rahmen gewinnorientierter Produktwerbung gemacht werden, fallen nicht in den Schutzbereich der Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Angeleni v Sweden (1986) Entscheid der europäischen Kommission für Menschenrechte
Die Pflicht, an einem Religionsuterricht der öffentlichen Schule teilnehmen zu müssen, der religiös neutral gestalten war und verschiedene Weltanschauungen thematisierte, verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
B.N. and S.N. v Sweden (1993) Entscheid der europäischen Kommission für Menschenrechte
Dass in Schweden für die Oberstufe keine Möglichteit mehr des Heimunterrichts durch die Eltern besteht, verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem Art. 9 EMRK.
Bruno v Sweden (2001)
Die Pflicht, einen Kirchensteuerbetrag zu zahlen, der für die Erfüllung von nichtreligiösen Aufgaben der Kirche (z.B. das Bestattungswesen, die Pflege alter Kirchenbücher, der Erhalt historischer Gebäude) verwendet wird, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK nicht.
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Schweiz
Eine umfassende Darstellung von schweizer Fällen über die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK vor dem EGMR finden Sie hier.
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Serbien
Zu Serbien ist bislang kein für die Schweiz relevantes Urteil des EGMR zur Religionsfreiheit ergangen.
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Slowakische Republik
Klein v Slovakia (2006)
Die strafrechtliche Verurteilung eines Journalisten wegen öffentlicher Verunglimpfung einer religiösen Gruppe, der sich kritisch zur Haltung eines Erzbischofs äusserte, verstösst gegen de Meinungsfreiheit gem. Art. 10 EMRK, auch wenn der Schutz religiöser Gefühle ein legitimes Ziel ist.
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Slowenien
Zu Slowenien ist bislang kein für die Schweiz relevantes Urteil des EGMR zur Religionsfreiheit ergangen.
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Spanien
Iglesia Bautista El Salvador and José Aquilino Ortega Moratilla v Spain (1992) Entscheidung der europäischen Kommission für Menschenrechte
Dass nur die katholische Kirche von der Grundsteuer für ihre religiösen Gebäude befreit wird, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK nicht, da diese kein Recht auf Steuerbefreiung verankert.
Jiménez Alonso and Jiménez Merino v Spain (2000)
Die Plicht, an einem sachlich objektiven und nicht indoktrinierendem Sexualkundeunterricht teilzunehmen, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK der Tochter oder der Eltern nicht.
Fernandez Martinez v Spain (2014)
Dass eine öffentliche Schule einen Arbeitsbertrag mit einem weltlichen Religionslehrer nicht verlängert, dessen Stelle vom Bistum Murcia finanziert wurde, weil dieser sich öffentlich gegen den Zölibat aussprach, verletzt das Recht auf Privatsphäre gem Art. 8 EMRK nicht, unter Anderem weil die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK auch der katholischen Kirche zukommt.
Pindo Mulla gegen Spanien (2024)
Einer Patientin entgegen ihrem religiös motivierten Willen eine Bluttransfusion zu verabreichen, verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, auch wenn es sich um eine Notfallsituation handelte.
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Tschechische Republik
Zur tschechischen Republik ist bislang kein für die Schweiz relevantes Urteil des EGMR zur Religionsfreiheit ergangen.
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Türkei
Kalaç v Turkey (1997)
Die Entlassung eines Juristen von der türkischen Luftwaffe wegen disziplinwidrigem Verhalten und der mutmasslichen Nähe zu einer religiösen Sekte verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK nicht, weil sich Militärangehörige freiwillig einer besonderen Disziplin unterwerfen.
Institut de Prêtre Français and others v Turkey (1998) Entscheid der europäischen Kommission für Menschenrechte
Einer katholischen Ordensgemeinschaft ihr Kirchgebäude zu entziehen verstösst unter anderem gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, auch wenn das Gebäude auch für wirtschaftliche Tätigkeiten genutzt wurde.
Leyla Sahin v Turkey (2005)
Das Verbot, ein Kopftuch an einer Universität zu tragen (und damit während Vorlesungen, in Prüfungen oder Praktika) greifft in die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK ein. Der Eingriff sei allerdings im vorliegenden Fall gerechtfertigt, da das Verbot gesetzlich verankert war, damit das öffentliche Interesse der öffentlichen Ordnung verfolgt werde und gerade angesichts der strengen Laizität in der Türkei verhältnismässig sei.
I.A. v Turkey (2005)
Die Verurteilung zu Freiheitsstrafe eines Verlags, der ein Buch mit provokanten Aussagen über den Islam und Mohammed veröffentlichte, liegt im Ermessensspielraum der türkischen Gerichte. Eine Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit gem. Art. 10 EMRK liegt darum nicht vor.
Hasan and Eylem Zengin v Turkey (2007)
Die Pflicht für eine Tochter an einem Religionsunterricht teilzunehmen, der nur die sunnitische Orthodoxie thematisierte, nicht aber andere Glaubensrichtungen wie das Alevitentum, dem die Tochter angehörte, verletzt das Recht der Eltern auf Bildung in Übereinstimmung mit der religiösen Überzeugung der Eltern gem. Art. 2 des 2. Zusatzprotokolls zur EMRK.
Sinan Izik v Turkey (2010)
Die Pflicht zur Angabe einer religilsen Zugehörigkeit auf Ausweisdokumenten stellt eine Verletzung der Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK dar. Weiter pochten die Behörden im vorliegenden Fall auf die Eintragung "Islam", obwohl der Beschwerdeführer"Alevi" eintragen wollte - die Behörden lehnten dies mit der Begründung ab, das Alevitentum sei keine eigene Religion, sondern eine Abspaltung des Islam. Diese Bewertung verletzt ebenfalls die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Ahmet Arslan and Others v Turkey (2010)
Die Verhaftung und Verurteilung der Beschwerdeführer, weil diese in der Öffentlichkeit traditionelle religiöse Kleidung trugen, verrstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Izzetin Dogan and Others v Turkey (2016)
Es bestehe eine strukturelle Schlechterbehandlung der alevitischen Glaubensgemeinschaft gegenüber anderen Religionsgemeinschaft, da die alevitische Glaubensgemeinschaft nicht staatlich anerkannt werde und auch von finanzieller Unterstützung ausgeschlossen sei. Dies verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
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Ukraine
Poltoratskiy v Ukraine (2003)
Die wiederholte und grundlose Verweigerung des Zugangs zu einem Geistlichen, damit dieser seelsorgerischen Beistand für einen Häftling leistet, der bald mit der Vollstreckung seines Todesurteil rechnen musste, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Svyato-Mykhaylivska Parafiya v Ukraine (2007)
Der orthodoxen Kirchengemeinde "Svyato-Mykhaylivska Parafiya" die Umregistrierung unter einem neuen kirchlichen Namen zu verweigern und so ihre volle rechtliche Anerkennung zu verhindern, was dazu führte, dass die Gemeinde nicht als religiöse juristische Person agieren und ihr Eigentum darum nicht halten konnte, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Religious Community of Jehova's Witnesses of Kryvyi Rih's Ternivsky District v Ukraine (2019)
Die Weigerung des Stadtrats, der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehova's die Baugenehmigung sowie die Bewilligung zur Verpachtung eines Grundstücks zu erteilen, verletzt die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
Ilyin and Others v Ukraine (2022)
Die Nichtregistrierung eines irreführenden Namens verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK.
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Ungarn
Magyar Keresztény Mennonita Egyhaz and Others v Hungary (2014)
Dass die Religionsgemeinschaft der Mennoniten durch eine neue Regelung ihren Status als "anerkannte Kirche" und dadurch verschiedene finanzielle und institutionelle Vorteile verliert, verstösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK. Zwar steht es den Staaten offen, rechtliche Kriterien für die Anerkennung religiöser Körperschaften festzulegen, diese sind jedoch im diesem Fall zu intransparent formuliert gewesen.
Süveges v Hungary (2016)
Einer Person, die sich im Hausarrest befindet, den Freigang zum Besuch der Sonntagsmesse zu verweigern, versösst gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, weil die Verweigerung unverhältnismässig war.
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Vereinigtes Königreich
Arrowsmith v the United Kingdom (1978) Entscheid der europäischen Kommission für Menschenrechte
Pazifismus gilt als Weltanschauung i.S.v. Art. 9 EMRK und fällt darum unter dessen Schutzbereich. Allerdings falle der Aufruf zu Ungehorsam im Militär nicht unter den Schutzbereich von Art. 9 EMRK, da der nicht mehr Ausdruck der Weltanschauung sei, sondern darauf ziele, die militärische Disziplin zu untergraben.
Choudhury v the United Kingdom (1991) Entscheid der europäischen Kommission für Menschenrechte
Die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK garantiert kein Recht darauf, strafrechtlich gegen die Äusserungen Salman Rushdies Buch "Die satanischen Verse" vorzugehen, auch wenn diese religiöse Gefühle verletzen.
ISKCON and Others v the United Kingdom (1994) Entscheid der europäischen Kommission für Menschenrechte
Dass der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein (ISKCON) das verteilen von Flugblättern und Büchern auf öffentlichen Flächen des Flughafens Heatrow verboten worden war, verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, da das Verbot gesetzlich vorgesehen war, ein legitimes Ziel verfolge (der Schutz der Rechte anderer und die öffentliche Ordnung) und verhältnismässig sei.
Wingrove v the United Kingdom (1996)
Einem Film die Vorführgenehmigung zu verweigern, da dieser als blasphemisch eingestuft wurde, was im Vereinigten Königreich strafbar ist, verletzt die Meinungsfreiheit gem. Art. 10 EMRK nicht, da die Massnahme gesetzlich vorgesehen war, ein legitimes Ziel verfolgte (der Schutz religiöser Gefühle) und verhältnismässig sei. Das Gericht betonte den weiten Ermessensraum der britischen Gerichte.
O'Donoghue and Others v the United Kingdom (2010)
Dass der Beschwerdeführer keine Genehmigung zur religiösen Trauung erhielt, diese Genehmigung aber Angehörige der Mitglieder der Church of England nicht einholen müssen, verstösst unter anderem gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, da religiöse Minderheiten benachteiligt werden.
Eweida and Others v the United Kingdom (2013)
Private Arbeitgeber:innen dürfen die Religionsfreiheit ihrer Arbeitnehmer:innen nicht grundlos einschränken. Es muss jeweils eine Interessensabwägung gemacht werden. Im vorliegenden Fall wog einerseits das Interesse der Arbeitgeber:in an einem einheitlichen Auftreten nicht schwer genug, um das Verbot, ein Kreuz um den Hals tragen zu dürfen, zu rechtfertigen. Ein Verbot aus hygienischen Gründen rechtfertigt hingegen den Eingriff in die Religionsfreiheit, genauso wie der Schutz Dritter oder das Interesse an einem diskriminierungsfreien Dienstleistungsangebot. (Dies im Fall der Weigerung aus religiösen Gründen, homosexuelle Paare zu registrieren bzw. zu betreuen.)
Church of Jesus Christ of Latter-Day Saints of United Kingdom v the United Kingdom (2014)
Eine Steuerregelung, die besagt, dass nur Gebäude für den öffentlichen Gottesdienst vollständig von der Gewerbesteuer befreit werden, solche mit beschränktem Zugang jedoch nur zu 80 Prozent, verstösst nicht gegen die Religionsfreiheit gem. Art. 9 EMRK, wenn sie religiös neutral ist (also auf alle Religionsgemeinschaften gleichermassen angewandt wird).
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Zypern
Zu Zypern ist bislang kein für die Schweiz relevantes Urteil des EGMR zur Religionsfreiheit ergangen.