Publikationsdatum 23.05.2025

Anhaltspunkte für eine qualitativ hochwertige Doktorierendenbetreuung


Eine Dissertation zu betreuen, bedeutet mehr als nur wissenschaftliche Beratung. Es geht auch darum, einen fortgeschrittenen Ausbildungsweg zu begleiten, ein komplexes Forschungsprojekt zu betreuen und die berufliche Entwicklung des Doktoranden oder der Doktorandin zu fördern. Neben wissenschaftlichen Qualitäten erfordert diese in der akademischen Welt wichtige Tätigkeit auch zahlreiche pädagogische Kompetenzen.

In der Literatur wird ein zentrales Element dieser Kompetenzen hervorgehoben: die Berücksichtigung der Beziehung zwischen Doktorierenden und Betreuungspersonen. Dies zeigt sich insbesondere in der Umsetzung einer strukturierten Betreuung, die auf die individuellen Bedürfnisse der Doktorierenden zugeschnitten ist (Polkinghorne et al., 2023), sowie in der Angleichung der Erwartungen von betreuenden Personen und Doktorierenden (Pyhältö et al., 2015). Diese Beziehung ist entscheidend für die Umsetzung einer Betreuung, die die Autonomie und den Fortschritt der Doktorierenden fördert und ihr physisches und psychisches Wohlbefinden bewahrt (Lambert, Niclasse & Charlier, 2020). Sie ist auch eine der wichtigsten Determinanten für den Erfolg der Promotion (Haag, 2018).

Eine theoretische und praktische Ressource für betreuende Personen

Die Broschüre „Bedingungen für eine erfolgreiche Betreuung von Doktorierenden. Konkrete Ansätze für Doktorierende und Betreuungspersonen“ (Lambert et al., 2020) bietet Anhaltspunkte, um die Herausforderungen einer qualitativ hochwertigen Supervision zu verstehen und konstruktive und wirksame Betreuungspraktiken zu entwickeln. Sie basiert insbesondere auf den Ergebnissen zweier Doktorarbeiten in Erziehungswissenschaften, die an der Universität Freiburg (CH) durchgeführt wurden (Lambert, 2013; Niclasse, 2019). Sie enthält konkrete Empfehlungen und lädt dazu ein, die eigene Betreuungspraxis zu hinterfragen und eine aufgeklärte Supervisionshaltung zu entwickeln.

Vier Säulen einer Supervision, die Beziehungsaspekte berücksichtigt

  1. Von Anfang an einen klaren Rahmen festlegen
    Eines der wichtigsten Prinzipien ist die Klärung der Erwartungen und Verantwortlichkeiten gleich zu Beginn der Supervision. Es geht darum, einen expliziten Rahmen und klare Arbeitsschritte festzulegen, um Missverständnisse zu vermeiden und den Fortschritt des Forschungsprojekts zu unterstützen. Auch viele praktische Aspekte sollen explizit gemacht und ausgehandelt werden, um eine solide Grundlage für die Zusammenarbeit zu schaffen, z. B. die Art und Weise der Kommunikation und des Feedbacks oder der Zeitplan für die Termine.
     
  2. Die Autonomie fördern und gleichzeitig eine regelmässige Betreuung aufrechterhalten
    Das Gleichgewicht zwischen Unabhängigkeit und Betreuung zu finden, ist eine zentrale Herausforderung. Regelmässiger Austausch, konstruktives Feedback und eine offene Kommunikation sind für die Bewältigung dieser Aufgabe von entscheidender Bedeutung. Insbesondere ist es wichtig, Anzeichen von Demotivation zu erkennen und in den entscheidenden Etappen des Doktoratsstudiums proaktiv zu handeln, da dieses für die Doktorandinnen und Doktoranden aus zahlreichen Herausforderungen und Phasen des Zweifels besteht.
     
  3. Isolation vermeiden und die akademische Sozialisation fördern
    Ein weiteres Grundprinzip besteht darin, die Integration der Doktorandinnen und Doktoranden in die lokale und internationale Wissenschaftsgemeinschaft zu erleichtern. Regelmässige Kontakte in Forschungsteams und die Unterstützung bei der Eingliederung in die akademische Gemeinschaft beugen der Isolation vor, fördern den Austausch unter Peers und unterstützen die Entwicklung der beruflichen Identität als Forscher/Forscherin.
     
  4. Drei grundlegende psychologische Bedürfnisse berücksichtigen
    Die Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit sind drei psychologische Bedürfnisse, die in der Supervisionsbeziehung unbedingt berücksichtigt werden müssen. Dadurch können die Motivation und das Engagement für anspruchsvolle Lernaktivitäten, wie sie während des Doktoratsstudiums erforderlich sind, aufrechterhalten werden. Die Förderung der Autonomie bedeutet, die Eigeninitiative innerhalb des vorgegebenen Rahmens zu fördern und angemessene Herausforderungen zu bieten; die Unterstützung der Kompetenzentwicklung beruht auf Feedback zu verschiedenen Produkten und der Förderung des kritischen Denkens; die Unterstützung der Zugehörigkeit beinhaltet wohlwollende und respektvolle Interaktionen und die Berücksichtigung der emotionalen Aspekte, die mit dem Doktoratsstudium verbunden sind.

Wir laden Sie ein, die Empfehlungen der Broschüre zu lesen und sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen und Ihren Doktorandinnen und Doktoranden zu diskutieren. Die DidaNum-Dienststelle steht Ihnen im Rahmen ihres Beratungsangebots ebenfalls für alle Fragen im Zusammenhang mit der Doktorierendenbetreuung zur Verfügung und bietet regelmässig spezielle Aktivitäten für Betreuungspersonen an.

Die Broschüre auf Deutsch, Englisch oder Französisch herunterladen

Um sich zu diesem Thema weiterzubilden und auszutauschen

Nächster Workshop am Donnerstag, 12. Juni 2025, 13.15-15.30 Uhr: „Le feedback constructif : un outil pour enrichir la supervision doctorale“ (auf Französisch, Teilnahme auf Deutsch willkommen)

Um sich zu diesem Thema zu informieren

Berthiaume, D., Bosson, M., Elston, V., & Skakni, I. (2020) L’expérience doctorale : état des lieux et propositions de restructuration. DevPro Centre HES-SO de Développement Professionnel. https://www.researchgate.net/publication/342077594_L%27experience_doctorale_etat_des_lieux_et_propositions_de_structuration

Hillebrand, H. & Leysinger, C. (2023). LERU’s view on holistic doctoral supervision. Advice Paper no.29. League of European Research Universities. https://www.leru.org/publications/lerus-view-on-holistic-doctoral-supervision

Niclasse, C. (2022). Le doctorat, aventure de (trans)formation singulière et sociale. Éclairages au prisme des émotions. Peter Lang. https://www.peterlang.com/document/1254981

Referenzen

Haag, P. (2018). Analyser et évaluer la relation entre doctorant et directeur de thèse. In B. Fusulier, N. Gurnet & F. Dubois-Shaik, Être jeunes chercheur·e·s aujourd’hui (p. 19-37). Emulations | n° 21. Presses universitaires de Louvain. https://pul.uclouvain.be/book/?GCOI=29303100525140

Lambert, M. (2013). Être assistant et se développer professionnellement ? Recherche descriptive et compréhensive sur le développement professionnel des assistants à l’Université de Fribourg. Thèse de doctorat présentée devant la Faculté des Lettres de l'Université de Fribourg, Suisse. http://doc.rero.ch/record/232541

Lambert, M., Niclasse, C. & Charlier, B. (2020). Bedingungen für eine erfolgreiche Betreuung von Doktorierenden. Konkrete Ansätze für Doktorierende und Betreuungspersonen (zweite überarbeitete und vervollständigte Version), herausgegeben vom Zentrum für Hochschuldidaktik der Universität Freiburg (CH) (auf Deutsch, Französisch und Englisch). https://www.unifr.ch/didanum/de/ressourcen/betreuung-von-doktorierenden.html

Niclasse, C. (2019). La thèse de doctorat comme parcours de (trans)formation : analyses longitudinales au prisme des émotions. Thèse de doctorat présentée devant la Faculté des Lettres de l'Université de Fribourg, Suisse. (publiée chez Peter Lang : https://www.peterlang.com/document/1254981)

Polkinghorne, M., Taylor, J., Knight, F., & Stewart, N. (2023). Doctoral supervision: A best practice review. Encyclopedia, 3, 46-59. https://doi.org/10.3390/encyclopedia3010004

Pyhältö, K., Vekkaila, J., & Keskinen, J. (2015). https://doi.org/10.1080/14703297.2014.981836