Digital Neuroscience bringt Digitalisierung und Neurowissenschaften zusammen. Für Aussenstehende klingt das vorerst etwas abstrakt. Michael Schmid, Professor für Systems Neuroscience, erklärt, was es damit auf sich hat – und worin die Einzigartigkeit dieses neuen Masters besteht.
Michael Schmid, worum geht es bei dieser Verbindung von Digitalisierung und Neurowissenschaften?
Digital Neuroscience soll Studierende befähigen, intelligente digitale Lösungen für real world Anwendungen im Bereich Mental Health zu entwickeln. Das steht im Gegensatz zum herkömmlichen Studium der Neurowissenschaften, bei dem die Studierenden lernen Experimente im Labor durchzuführen und dann vor allem in der Grundlagenforschung tätig werden. Ich möchte ein Beispiel geben: Um neue Therapieansätze für die Behandlung von Depressionen zu entwickeln, lernt man im experimentell orientierten Studium der Neurowissenschaften, wie sich Depression im Tiermodell nachbilden lässt und es werden dann bestimmte Psychopharmaka hinsichtlich ihrer Wirkmechanismen getestet. Im neuen Studiengang lernen die Studierenden Apps fürs Smartphone zu entwickeln, die anhand von Verhaltensmustern den Nutzer_innen Feedback geben, um eine Depression besser zu verstehen und idealerweise in den Griff zu bekommen. Tom Insel, bis vor einiger Zeit Direktor des US-amerikanischen National Institute of Health, hat diesen neuen Ansatz als Digital Phenotyping bezeichnet. An unserer Uni implementieren wir dies, indem sich die drei traditionell verschiedene Studiengänge Biomedizin, Psychologie und Informatik zusammengeschlossen haben. Mit Digital Neuroscience haben wir an der Unifr einen Studiengang, der in der Schweiz einzigartig ist.
Welche Interessen oder Fähigkeiten sollte man für das Studium mitbringen?
Nebst Neugier und Fleiss – den generellen Faktoren für ein erfolgreiches Studium – verlangen wir einen Bachelor-Abschluss in einem naturwissenschaftlichen Studiengang oder der Psychologie. Darüber hinaus sollte man sich für Gehirn und Verhalten begeistern und bereit sein, sich mit Mathematik und Informatik aktiv auseinanderzusetzen.
Was lernen die Studierenden der Digital Neuroscience?
Die Studierenden erlernen zum einen die neurowissenschaflichen Grundlagen von Verhalten und vertiefen aktuelle Themen. Zum anderen erhalten sie eine solide Ausbildung in computerwissenschaftlichen Methoden, wie zum Beispiel machine learning, human-computer interfaces, social media analytics oder auch app development. In der Masterarbeit geht es dann darum diese Felder zu verknüpfen und Anwendungen zu entwickeln.
Wie viele Studienplätze stehen offen? Und wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Interesse für den Studiengang?
Wir wollen jedes Jahr gerne eine kleine feine Gruppe von 10 bis 20 Studierenden ausbilden. Das Interesse am neuen Studiengang ist erwartungsgemäss hoch und damit sind wir natürlich sehr zufrieden.
Welche beruflichen Perspektiven haben Absolvent_innen? Und wie sehen die Jobchancen aus?
Absolvent_innen sollen das Wissen und die Fertigkeiten erhalten, um in der Industrie, der öffentlichen Verwaltung oder in der akademischen Forschung gute Jobchancen haben. Gerade in der Freizeitindustrie setzen grosse Sportartikel- und Elektronikhersteller sehr stark auf intelligente individualisierte Lösungen. Ähnliches gilt im Gesundheitssektor, zum Beispiel für Krankenversicherungen und medizinische Diagnostik. Diese Felder expandieren und so sehe ich sehr attraktive Perspektiven für unsere Absolvent-innen.
Einen Tipp für einen guten Studienstart?
Verlassen Sie ihre Komfortzone. Nutzen Sie die Interdisziplinarität unseres Studiengangs dafür, sich Wissen und Fähigkeiten anzueignen, die Sie so aus dem Bachelor noch nicht kannten. Mein Tipp hierfür ist ein Tandem mit einem Studierenden des anderen Bereichs zu bilden. Wenn sich also eine Psychologin und eine Informatikerin gegenseitig helfen, dann ist dies für beide bereichernd und es können sich im Idealfall sogar professionelle Kooperationen für die Zeit nach dem Abschluss entwickeln.
- Informationen zum Master in Digital Neuroscience