12.04.2012

Er versteht sie nicht: Sind es die Gene?


Die genetische Grundlage eines Menschen bestimmt mit, wie eine Person auf negative und positive Gefühle des Partners reagiert und wie sehr sie sich davon beeinflussen lässt. Zu diesem Schluss gelangen der Psychologe Dominik Schöbi der Universität Freiburg in Zusammenarbeit mit Forschern der University of California (UCLA).


Die Ursache eines Beziehungstreits liegt vielleicht an den unterschiedlichen Gen-Varianten der Partner. (Foto: Thinkstock)

Serotonin ist ein wichtiger Botenstoff des menschlichen Gehirns und hat einen wesentlichen Einfluss auf die Stimmungslage des Menschen. Das Serotonin-Transporter-Gen aktiviert jenen Teil des Gehirns, der die Emotionen steuert und beeinflusst, wie etwa den Umgang mit den eigenen Gefühlen: Wie reagiert eine Personen auf negative Gefühle anderer? Wie kann sie sich davon wieder erholen? Und wie können positive Gefühle aufrechterhalten werden? Im Rahmen einer Studie konnten Dominik Schöbi des Departements für Psychologie der Universität Freiburg in Zusammenarbeit mit den beiden Psychologen Benjamin R. Karney und Thomas N. Bradbury der University of California (UCLA) und dem Genetikexperten Baldwin M. Way der Ohio State University erstmals zeigen, dass ein direkter Zusammenhang besteht zwischen dem genetischen Make-up einer Person und dem Grad der Beeinflussung durch die Gefühle des Partners während Interaktionen. Die Erkenntnisse der Studie unterstützen die Annahme, dass das Serotonin-System gefühlsbetonte Reaktionen auf soziale Stimuli beeinflusst. Die Studie ist in der Zeitschrift Emotion erschienen, die von der American Psychological Association publiziert wird.

Genetisches Make-up von Ehepaaren

Dominik Schöbi untersuchte gemeinsam mit Karney und Bradbury die Daten von 76 US-Paaren nach elf Ehejahren. Die Forscher erstellten, basierend auf einer Speichelprobe, einen genetischen Fingerabdruck – eine sogenannte Genotypisierung – der 76 Ehepaare. Sie analysierten dabei das 5-HTT-Gen, das für den Serotonin-Transporter in der Zellmembran von Nervenzellen kodiert. Bei diesem Gen kann man zwei genetische Varianten (Allele) unterscheiden: eine lange und eine kurze. Das lange Allel ist aktiver, so dass die Zellmembran von Nervenzellen mit dieser Variante mehr Serotonin-Transportermoleküle enthält. Der Mensch erbt je eine Genkopie von beiden Eltern und es können daher drei Genotypen unterschieden werden: lang-lang, kurz-kurz oder lang-kurz.

„Kurz-kurz“ macht sensitiver

Der Hypothese zufolge, dass soziale Sensitivität mit genetischen Faktoren zusammenhängt, prüften die Forscher ob Serotonin-Transporter-Gene die Sensitivität von Ehepaaren für positive und negative Emotionen ihrer Partner beeinflussen können. Dominik Schöbi und seine Kollegen analysierten sämtliche Berichte der 76 Paare über ihre emotionalen Zustände vor und nach den ehelichen Diskussionen. Die Forscher konnten zeigen, dass Personen mit einem oder zwei kurzen Allelen stärker auf die positiven Gefühle, aber auch auf Angst, Deprimiertheit und Nervosität des Partners vor der Interaktion reagieren als Personen mit der langen Variante. „Jene mit den kurzen Varianten zeigen eine erhöhte Bereitschaft, auf die positiven Gefühle des Partners einzugehen. Personen mit der langen Gen-Variante weisen eine gewisse Blindheit gegenüber den Gefühlen des Partners auf“, so Dominik Schöbi. Menschen mit der kurzen Variante neigen aber auch dazu, länger traurig, wütend oder glücklich zu bleiben, als Menschen mit der langen Gen-Variante. „Die Betroffenen leiden stärker unter schlimmen Erlebnissen, profitieren aber auch mehr von positiven Erfahrungen, wenn sie über ein gutes soziales Netzwerk verfügen “, unterstreicht Schöbi.

Beide Studien wurden vom National Institute of Mental Health, dem National Institute of Child Health and Human Development, dem UCLA Academic Senate und dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziert.

Link zur Studie: http://psycnet.apa.org/journals/emo/12/2/208/
Genetic moderation of sensitivity to positive and negative affect in marriage. Dominik Schoebi, Baldwin M. Way, Benjamin R. Karney, & Thomas N. Bradbury (2011). Journal of Personality and Social Psychology.

Kontakt: Dominik Schöbi, Senior Researcher (Ambizone, SNF) am Departement für Psychologie, Rue Faucigny 2, 1700 Freiburg, 026 300 74 70, dominik.schoebi@unifr.ch