Dossier

Duale Welt der Drogen

Gute Drogen, schlechte Drogen. Legale Drogen – und illegale Drogen. Nach welchen Kriterien werden bewusstseinserweiternde und -verändernde Substanzen beurteilt? Ein Gespräch mit Psychiater Gregor Hasler und Pharmakologe Csaba Szabo.

Csaba Szabo, Gregor Hasler – haben Sie selber schon Erfahrungen mit Drogen gemacht?

Csaba Szabo: Ich habe nie geraucht, habe auch nie irgendwelche «richtigen» Drogen probiert. Im Medizinstudium habe ich manchmal ein Bier getrunken, aber das war eigentlich bloss dem Gruppendruck geschuldet. Und wenn Sie mich als Pharmakologen fragen, gilt das auch noch allgemeiner: Ich plädiere dafür, so wenige Medikamente wie möglich zu nehmen. Das macht mich wohl ein wenig zum Outsider in meiner Berufssparte.

Gregor Hasler: Ich war mal nikotinsüchtig, habe rund zehn Zigaretten pro Tag geraucht. Zum Glück bin ich davon wieder losgekommen – und bin heute ehrlich gesagt ziemlich erstaunt, dass man Tabak einfach so kaufen kann, dabei handelt es sich doch erwiesenermassen um die gefährlichste aller Drogen. Unlängst habe ich auch Psychedelika genommen, im geschützten Rahmen einer Weiterbildung, damit ich diese Substanzen bei meinen Patientinnen und Patienten auch selber anwenden kann.

Jemanden nach seinem Drogengebrauch zur fragen, ist ja eher ein gesellschaftliches Tabu. Warum eigentlich?

Csaba Szabo: Ich glaube das hat viel mit dem legalen Rahmen zu tun. Wenn die Droge offiziell erlaubt ist, dann gibt es ja auch kaum gesellschaftliche Ächtung. Das sieht man gut bei Marihuana. Wo dieses legal ist, «schämt» man sich auch viel weniger des Gebrauchs.

Gregor Hasler: Bei Alkohol wiederum erzählen wir das überhaupt gern als positive Geschichte, als eine Geschichte des Genusses. Schauen Sie doch mal die ganzen Weinbücher an!

Für manche Genuss, für andere Sucht – macht es Sinn von «guten» oder «schlechten» Drogen zu sprechen?

Gregor Hasler: Man kann eigentlich nicht über «die» Wirkung einer Droge reden, im Fachkontext betrachten wir immer zwei Ebenen: das Set und das Setting. Also erstens: was für eine Person nimmt die Droge und zweitens: unter welchen Umständen nimmt sie sie. Im Rahmen einer Therapie oder allein, im Wald, wo es leicht unheimlich werden kann?

Csaba Szabo: Jede Substanz hat ein Persönlichkeitsprofil. Verschiedene Menschen wählen verschiedene Drogen. Crack oder auch Opioide sind eher etwas für die Unterschichten, daher auch das schlechte Image. Und verschiedene Substanzen sind eben auch sehr unterschiedlich gefährlich, wenn man sich die Suchteigenschaften anschaut.

Gregor Hasler: Natürlich gilt hier auch: Die Dosis macht das Gift.

Csaba Szabo: Ja, aber es ist doch ein wenig verrückt, wenn man Marihuana in dieselbe Kategorie steckt wie harte Drogen. Da gibt es nur wenige Nebenwirkungen, gestorben ist auch noch nie jemand an Marihuana. Manchmal fragen mich die Studierenden: Welches ist das gefährlichste Medikament, das es gibt? Und die Zahlen sind erschreckend: Bei Überdosis von medizinischen Substanzen (z. B. Sedativa und Antidepressiva) rechnen wir vielleicht mit 10’000 Toten jährlich. Die Opioid-Krise verursacht wohl um die 100’000 Tote pro Jahr, doch aufs Konto von Tabak gehen pro Jahr 450’000 Tote. Dies sind die jährlichen US-Zahlen, die ich auswendig kenne.

Gregor Hasler: Dass der gesellschaftliche Umgang hochirrational ist, da sind sich ja eigentlich alle einig. Allerdings ist das Ganze nicht einfach grundlos absurd, da spielen Traditionen eine grosse Rolle. Das sieht man gut beim Alkohol, da wird seit jeher die positive soziale Funktion betont.

Csaba Szabo: Dass Drogen für viele Menschen eine positive Funktion haben, dass sie uns zum Beispiel helfen, uns zu öffnen und uns gehen zu lassen, dieses Bedürfnis hat die Pharmaindustrie schon lange erkannt. Und entsprechend bedient. Ein tolles Buch zu diesem Thema ist «Better Than Well: American Medicine Meets the American Dream» von Carl Elliott, das aufzeigt, wie sich in Amerika eine neue Krankheit ausgebreitet hat: die social anxiety disorder, auf Deutsch: Sozialphobie. Mit den entsprechenden Pillen, den sogenannten Antidepressiva, wie zum Beispiel Prozac, kann man diese Phobie ausgleichen – oder je nachdem, was man als Grundzustand nimmt, auch mehr als nur ausgleichen. Manche Leute sprechen von der «Prozac Nation» oder der «Prozac Generation».

Also ähnlich wie Alkohol. Damit helfen wir uns ja manchmal auch über soziale Defizite hinweg?

Csaba Szabo: Ja, insofern ist die traditionelle Verankerung und Akzeptanz des Alkoholkonsums in unserer Gesellschaft nachvollziehbar. Bei Tabak sieht das meines Erachtens ganz anders aus.

Gregor Hasler: Ja, Tabak könnte man einfach verbieten, finde ich. Beim Alkohol übrigens ist die Perspektive eben auch eine sehr westliche – andere Kulturen pflegen einen sehr anderen Umgang mit ihm. In der arabischen Welt zum Beispiel spielt er keine Rolle, dafür wird dann das Essen mehr zelebriert. Unsere Welt ist eine sehr alkoholselige.

Die westliche Welt als Drogenmekka?

Gregor Hasler: Nein, das wäre zu einfach. Menschen haben immer Substanzen konsumiert, das ist eine anthropologische Konstante.

Csaba Szabo: Alkohol wurde ja auch von ganz verschiedenen Kulturen entwickelt, unabhängig voneinander. Dennoch gibt es viele Hinweise darauf, dass die westlichen Länder legale Drogen in Form von verschiedenen Arten von Medikamenten vielleicht zu viel konsumieren. Zum Beispiel nehmen viele ältere Menschen täglich eine Handvoll Medikamente ein; oft beeinflussen sich diese Medikamente gegenseitig in ihrer Wirkung, und es gibt Studien, die belegen, dass eine Verringerung der Anzahl der Medikamente, die ältere Menschen einnehmen, manchmal die Lebensqualität und die allgemeine Lebenserwartung verbessern kann. Natürlich muss man sich gut überlegen, welche man behält und welche man aus dem «Mix» herausnimmt.

In letzter Zeit boomen Selbsterfahrungstrips mit psychedelischen Substanzen, da scheint es um etwas Tiefschürfenderes zu gehen, als darum, sozial ein wenig locker zu werden. Therapieren wir uns da ein wenig kollektiv?

Gregor Hasler: Ich glaube nicht, dass ein breiter Konsum von Drogen einen therapeutischen Effekt haben könnte. Ich sehe ein Potential im Bereich der Psychedelika, um eine psychotherapeutische Behandlung zu verbessern, aber das muss in einem entsprechenden Setting passieren.

Csaba Szabo: Und wie steht es mit Microdosing?

Gregor Hasler: In meinen Augen ist das ist aktuell ein Hype ohne wirkliche Grundlage. Alle Studien, die ich kenne, sind negativ. Wenn dann sollte man eher ein Augenmerk auf die negativen Effekte richten, zum Beispiel den Einfluss auf die Fahrtauglichkeit. Da gibt es einige Fragezeichen.

Wie funktionieren denn Psychedelika in der Therapie? Und bei welchen Krankheiten?

Gregor Hasler: Wichtig ist die enge Begleitung eines Trips. Aber ein Vergnügungstrip ist das nicht – in der Therapie ist das eher wie der Gang auf den Mount Everest: Etwas, das man nicht gleich noch einmal machen will, wenn man es geschafft hat. Gute Resultate sehen wir zum Beispiel bei schwer zu therapierenden Depressionen.

Csaba Szabo: Trotzdem werden solche Substanzen doch massenhaft genommen?

Gregor Hasler: Ja, offensichtlich erleben viele Menschen das Leben als so schlimm, dass sie gern ein wenig flüchten, etwa mit MDMA und Partys. Aber wenn man das jedes Wochenende macht: Tanz, Musik, Substanz, dann hat das ja nicht mehr viel mit Selbsterkundung zu tun, eher im Gegenteil.

Aus der Fotoserie USA Opioid crisis © Jérôme Sessini | Magnum Photos. März 2018, USA, Chillicothe, Ohio. Jessica, 27 (rechts) und ihre Cousine Missy, 30, präparieren eine Heroin-Injektion.

Eine andere Art von Flucht bieten Opioide. Es ist insofern sinnfällig, dass das Englische nur ein Wort für Drogen und Medikamente kennt. Wie ist denn das Verhältnis von Droge und drug?

Csaba Szabo: Ich würde sagen, die Sache ist einigermassen kompliziert. Der Chemiker Felix Georg Otto Hoffmann hat sowohl das Heroin wie auch das Aspirin erfunden; er arbeitete für die Firma Bayer. Heroin wurde ursprünglich als Hustenmedizin beworben – aber es ist eine sehr trügerische Droge. Heroin ist in der Tat äusserst wirksam als Schmerzmittel und hat fast keine akuten negativen Wirkungen auf den Körper. Aber es bewirkt mehr als nur die Beseitigung eines Schmerzgefühls. Es vermittelt auch ein Gefühl der Euphorie und das kann oft zu Sucht und Abhängigkeit führen. Wenn man aber abhängig wird, dann kommt man rasch in eine Spirale. Viele Leute «starten» eigentlich nicht mit Heroin, sondern mit verschreibungspflichtigen, legalen Opioiden. Und wenn der Arzt sich dann weigert, weitere Rezepte auszustellen, suchen die Süchtigen nach anderen Quellen für die Drogen. Da kann Heroin ins Spiel kommen. Und auf diese Weise finden sie auch Fentanyl, eine hochpotente opioidähnliche Substanz, eine Strassendroge, die in den letzten Jahren zum grössten Killer wurde. Die Gefahr einer Überdosis ist da sehr gross.

Gregor Hasler: Ja, das sehe ich auch als grosse Gefahr, dass die Pharmaindustrie daraufhin arbeitet, diese Mittel immer potenter zu machen.

Csaba Szabo: Viele Kritiker der Pharmaindustrie würden es sehr einfach ausdrücken: Dass ja genau dies der älteste Trick im Pharma-Rezeptbuch sei: Finde etwas, das abhängig macht, dann bewerbe es, was das Zeug hält.

Gregor Hasler: Man sollte die Industrie nun auch nicht einfach verteufeln. Noch ist jedes Medikament aus den privaten Forschungslabors gekommen, nicht von den Unis. Beim problematischen Substanzkonsum sehe ich eher Regulierungsfehler, das System hinkt den Entwicklungen da oft hinterher. Ist die Substanz an sich schlecht? Nein, es geht da wiederum um das Setting.

Csaba Szabo: Das stimmt, nicht jede Firma ist da gleich skrupellos. Bei Purdue, die das Opioid OxyContin entwickelt hat, ist der Fall allerdings klar. Die Firma hat stark auf die Regulierungsbehörden eingewirkt, sie hat das Suchtpotential vertuscht. Dafür mussten die Verantwortlichen ja auch juristisch büssen.

Warum sind Opioide legal, vergleichsweise harmlose Drogen aber nicht?

Csaba Szabo: Ja, das ist allerdings eine interessante Frage. Um noch einmal auf das Beispiel Marihuana zurückzukommen: Nach allem, was wir heute wissen, ging es da den Behörden nicht nur darum, Menschen vor den Gefahren einer Droge zu schützen.

Sondern?

Csaba Szabo: Um Politik. Um die Regulierung der Gesellschaft, nicht der Substanzen. Und weil sich die Politik seither geändert hat, stehen die Zeichen nun weitherum auf Legalisierung.

Gregor Hasler: Tatsächlich kann man Drogen leicht politisch instrumentalisieren. Nixon hat das ganz bewusst getan, als er den «War on Drugs» losgetreten hat, das wissen wir heute. Das ging gegen die Hippies und gegen die Minoritäten.

Csaba Szabo: Und man kann sich schon fragen, ob bei den Opioiden heute deswegen ein Laisser-Faire herrscht, weil in den letzten Jahrzehnten in manchen Gegenden Amerikas eine Menge Jobs verloren gegangen sind und das Leben für viele Menschen immer prekärer wurde. Die sitzen dann zuhause und werden zusehends unglücklich. Dennoch wäre die Situation ohne den aktiven «Beitrag» bestimmter «Speciality Pharma»-Unternehmen, ohne den Beitrag so genannter Fachgesellschaften und ohne die Fehler der verschiedenen Arzneimittelaufsichtsbehörden nicht so schlimm geworden, wie sie heute ist.

Moment, sehe ich das richtig? Sedierende Drogen werden toleriert, «subversive» werden verboten?

Gregor Hasler: Man könnte das schon so sehen, ja. Man kennt das aus der Geschichte: Schon die Engländer sollen den Chinesen Opiate gegeben haben. Das hat auch damit zu tun, dass dämpfende Substanzen eher von den tieferen Schichten konsumiert werden. Der durchschnittliche LSD-Konsument verdient viel mehr. Es ist doch interessant zu sehen, dass psychedelische Substanzen in so gut wie allen Kulturen unterdrückt werden. Ist LSD besonders gefährlich? Im richtigen Setting und bei ausgewählten Personen: Nein. Aber oftmals hatte die Politik offenbar das Gefühl, dass LSD-Konsumenten gefährlich seien. Und heute suchen plötzlich alle neue Wege der Kreativität, die Tech-Welt greift das auf und die Politik ändert sich.

Und wie ist denn die Situation hierzulande?

Gregor Hasler: Wir sind sehr liberal, die Schweiz mag Verbote nicht besonders, man will sich von höherer Stelle lieber nicht vorschreiben lassen, wie man zu leben hat. Grundsätzlich gilt aber auch: Je gebildeter, desto besser kann man mit Substanzen umgehen.

Csaba Szabo: Tatsächlich ist das Problem mit den Opioiden hier nicht annähernd so gravierend wie in den USA.

Warum?

Csaba Szabo: Die Ärzte spielen bestimmt eine zentrale Rolle, dazu kommt das bessere soziale Netz. Und die Gesundheitsversorgung ist insgesamt überlegen.

Gregor Hasler: Eine wichtige Rolle spielt sicher auch, dass die Pharmaindustrie in der Schweiz vergleichsweise wenig Einfluss auf die Ärzte hat. In den USA ist es so, dass sofort auf ein neues Medikament umgestellt wird, wenn etwas auf den Markt kommt. Bei uns ist die Regulierung der Medikamentenwerbung fast schon absurd restriktiv. Da kann eine gute neue Substanz kommen und niemand weiss davon.

Csaba Szabo: Nachdem ich 25 Jahre lang in den USA gelebt habe, muss ich sagen, dass ich es für besser halte, zu restriktiv zu sein als zu freizügig, wenn es um Arzneimittelwerbung in der Öffentlichkeit geht. Auch die Vermarktung an Ärzte ist eine komplizierte Angelegenheit; auf dem Papier ist sie gut geregelt, aber jeder, der in der Medizin arbeitet, weiss, dass die Realität anders aussieht.

Was wissen wir über die Wirkmechanismen von Drogen?

Gregor Hasler: Das ist je nach Substanz unterschiedlich. Bei Cannabis etwa wissen wir tatsächlich sehr wenig.

Csaba Szabo: Aus Sicht der pharmakologischen Forschung ist Cannabis eine Knacknuss – man hat lange versucht, es in eine wirksame Substanz zu verwandeln, aber bisher ohne Erfolg. Es gibt mehrere Rezeptoren für Cannabinoide in verschiedenen Teilen des Körpers, die grundlegende Funktionen wie Schmerzempfinden und Stoffwechsel regulieren. Die Modulation dieser Rezeptoren verspricht viel bei der Behandlung von Schmerzen, aber auch bei der Behandlung von Stoffwechselkrankheiten und Adipositas. Das Problem bestand bisher darin, Wirkstoffkandidaten zu finden, die selektiv genug sind und keine unerwünschten Nebenwirkungen haben. Auf dem gesamten wissenschaftlichen Gebiet der Cannabinoide wurde viel geforscht, und der wissenschaftliche Kenntnisstand ist beachtlich, aber bisher gibt es noch kein medizinisch genutztes Medikament, das heisst ein «echtes» niedermolekulares Medikament – nicht eine Art Cannabinoidöl oder -extrakt.

Weiss man, was da passiert im Gehirn, beim Rausch?

Csaba Szabo: Es geht zentral um Belohnungssysteme – Drogen wirken tendenziell positiv auf diese ein. Es wird auf chemische Weise ein Gefühl von «Gut gemacht! Job erledigt» ausgelöst. Und das macht Menschen glücklich, deswegen nehmen sie eine solche Droge gerne wieder. Das Dumme ist nur, dass das Gehirn nach und nach neu verdrahtet wird, das Gefühl schwächt sich allmählich ab, die Belohnung bleibt aus, ausser man erhöht die Dosis.

Gregor Hasler: Bei LSD ist die Wirkung viel spezifischer, allerdings ist auch da vieles noch geheimnisvoll. Was wir wissen: Während süchtig machende Substanzen in Hirnmechanismen eingreifen, die uns «nützen», tut das LSD nicht. Hier werden eher Filter aufgehoben, was neue Einsichten, vielleicht sogar einen echten Erkenntnisgewinn möglich macht. Das kann aber auch überfordernd oder verwirrend sein, und eben deshalb braucht es eine Begleitung auf diesem Trip und er ist nicht für alle geeignet. Man erlebt unmittelbar: Es gibt eine andere Welt, die alltäglich erlebte ist nicht so bestimmend, wie man gemeint hat. Das kann sehr befreiend sein.

Csaba Szabo: Aber hilft uns das wirklich, die Welt besser zu verstehen?

Gregor Hasler: Warum nicht? Es gibt ja die Vermutung, dass Francis Crick LSD genommen hat, sonst wäre er nie darauf gekommen, welche verblüffende Struktur die DNA hat. Ob uns LSD aber in einem produktiven Sinn kreativer macht, wie es zum Beispiel Elon Musk behauptet – das ist dann wieder eine andere Frage. Die Hippie-Kultur war ja eher auf ein «Dropping out» aus, nicht auf mehr Produktivität.

Besser funktionieren, sich zudröhnen, Einsichten gewinnen, glücklich werden – da geht eine Menge verschiedenes vor im Gehirn wenn wir Drogen nehmen.

Csaba Szabo: Auf jeden Fall scheint es ein biologisches Bedürfnis für solche Zustände zu geben. Geben Sie da die entsprechenden Substanzen mit hinzu und Sie haben eine sehr wirkungsvolle Mischung. Und das funktioniert eben nicht nur mit klassischen Drogen, ähnliches passiert im Zusammenhang mit der zunehmenden Medizinalisierung eigentlich normaler Zustände. Sie sind scheu und fühlen sich deswegen unglücklich? Das kann behandelt werden!

Gregor Hasler: Moment, da habe ich aber eine andere Meinung. Es gibt viele psychische Diagnosen, die früher schlicht weniger ein Problem darstellten, beispielsweise gab es viele Berufe, die bestens geeignet waren für Leute mit Konzentrationsstörungen und geringer mentaler Flexibilität. Ich sehe aber heute in meiner Praxis unmittelbar, wie diese Menschen leiden, das ist nichts irgendwie Konstruiertes, sie genügen einfach den aktuellen Ansprüchen der mentalen Fitness nicht mehr. Das müssen wir ernst nehmen. Zum Glück haben wir da auch entsprechende Wirkstoffe zur Verfügung.

Wäre die Welt eine bessere ohne Drogen?

Csaba Szabo: Definitiv nicht. Drogen – drugs, das heisst legale Drogen und damit die medizinisch-pharmakologische Therapie, haben die Lebensqualität im 19., 20. und 21. Jahrhundert massiv verbessert. Einige der Freizeitdrogen können auch einen «doppelten Verwendungszweck» haben, so etwa medizinisches Marihuana als Mittel zur Schmerzlinderung. Die Welt ist durch Drogen besser geworden, aber wir sollten auf jeden Fall die Art und Weise, wie wir sie einsetzen und wie wir mit Nebenwirkungen und Abhängigkeit umgehen, viel besser machen. Ich sehe immer noch keinen Grund, warum es einige dieser Drogen, etwa Tabak und Nikotin, gibt: Die Welt wäre ohne sie definitiv ein viel besserer Ort.

Unser Experte Csaba Szabo ist Leiter der Abteilung Pharmakologie der Universität Freiburg. Seine Forschungsinteressen sind oxidativer Stress, Stickstoffmonoxid, Schwefelwasserstoff und die Pathogenese von Herz-Kreislauf-, Entzündungs- und neurologischen Erkrankungen.
csaba.szabo@unifr.ch 

Unser Experte Gregor Hasler ist Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Freiburg und Chefarzt des Freiburger Netzwerks für Psychische Gesundheit, einem Kompetenzzentrum für psychische Gesundheit. Seine Forschungsschwerpunkte sind neurowissenschaftliche Psychiatrie, Stress, Depression und Essstörungen.
gregor.hasler@unifr.ch