Porträt

Willkommen in der (realen) Welt

Ideen haben viele. Aber nur Wenige ziehen sie durch. Zu diesen Wenigen gehören auch Matthew Wildhaber und Dario Kvasnicka, die Gründer der Erupt E-Sports Lounge in Bern.

«Zentrale Lage» ist im Falle von Erupt keine Übertreibung: Die grösste E-Sports Lounge der Schweiz befindet sich im Berner Bahnhofsgebäude. Im 3. Stock der Parkterrasse verbirgt sich eine Oase, deren Entdeckung nicht nur für Gamer_innen interessant ist. Einmal durch die Tür, fällt der Blick auf einen Plätscherbrunnen, umgeben von realem Grün und Tageslicht. Holztische, Sofas und eine Bar mit vielen farbigen Flaschen dahinter ergänzen den freundlichen Eindruck. «Viele kommen hierher, um bloss etwas zu trinken, zu chillen und, je nach Lust und Laune, noch ein bisschen zu gamen», so Dario Kvasnicka, einer der Gründer von Erupt. Im Juni 2021 war es so weit: Nach mehrjähriger Planung öffneten Dario Kvasnicka und Matthew Wildhaber die Türen der Gaming Lounge. Wurde damit ein Hobby zum Beruf gemacht? Dario lacht, «wenn es so wäre, dann ist der Plan nicht aufgegangen.» Vielmehr wollten sie ein Angebot schaffen, das in dieser Form noch nicht vorhanden war. «Wenn ich mit Freunden zusammen game, tue ich dies gerne am selben Ort», erklärt Dario. Er ist überzeugt, dass dieser soziale Aspekt auch dem Image des Gamens und natürlich den Gamer_innen selber guttut. Matthew Wildhaber, der sich höchstens als Gelegenheitsgamer bezeichnet, interessierte in erster Linie die Erfahrung, die eine Firmengründung mit sich bringt. Der 28-Jährige hat einen Bachelor in Betriebswirtschaft in der Tasche und wollte nach dem Studium Praxiserfahrung sammeln. Learning on the Job. «Es war ein hartes Ankommen in der Arbeitswelt», so Matthew. Auflagen erfüllen, Verträge aushandeln, Mitarbeitende einstellen, betreuen und – bestenfalls – auch bezahlen. «Zum Glück haben wir mit Dario einen Juristen mit an Bord.» Die richtige Location zu finden, war ein Geduldspiel. Über 75 Örtlichkeiten hat die motivierte Truppe in rund anderthalb Jahren «gescoutet». Bis dann der Glücksfall eintrat: Fast 500 Quadratmeter in bester Lage am Berner Bahnhof. Der Ort war perfekt – aber alles andere als bezugsbereit. «Wir haben Stunden hier gearbeitet, mit Handwerkern verhandelt, über Feuerschutzauflagen gebrütet und schliesslich gar eine neue Sprinkleranlage einbauen lassen», erklärt Dario. Das klingt nach harter Arbeit – und viel Geld. «Erupt ist eine Aktiengesellschaft mit rund 30 Aktionär_innen», so Matthew. Dazu kommen wichtige Business-­Partner und eine Menge Herzblut. «Dario und ich wohnen wieder daheim bei den Eltern – eine Wohnung liegt im Moment nicht drin», sagt Matthew. Von den 600 Stellenprozenten, die Erupt aktuell beschäftigt, können nur etwa die Hälfte entlöhnt werden. «Wir sind in einer Art WG-Feeling gestartet. Brüteten hier zusammen über den Tischen, schraubten und putzten. Lohn war nicht wichtig. Diese Phase ist vorbei, nun gilt es, auch auf dieser Ebene den Schritt in die Professionalität zu schaffen», ergänzt Matthew. Die Jungunternehmer sind aber zuversichtlich: Schliesslich war das erste halbe Jahr ab Eröffnung noch stark von Corona und den damit einhergehenden Einschränkungen geprägt.

 

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Gamen ist wie Wandern

Es ist frisch an diesem Morgen im noch menschenleeren Raum der Erupt Lounge. Umso einladender wirken die abgetrennten Gaming-Rooms, die je 10 PCs enthalten. Rotes und blaues Licht, grosse Sessel und eine wohlige, von den Rechnern ausgehende Wärme. Die zwei Räume sind ausschliesslich zum Gamen gedacht. «Vorne in der Lounge spielen die Leute mit Konsolen, sitzen auf Sofas und teilen sich einen gros­sen Bildschirm. Dazu vielleicht ein Bier und einen Flammkuchen, alles sehr gesellig», erläutert Dario. «In den PC-Rooms können mehr Nutzer_innen gegeneinander oder miteinander spielen, die Atmosphäre ist konzentrierter.» Und entsprechend weniger gesellig? Sowieso: Was genau ist am gemeinsamen Gamen gesellig? «Zusammen gamen ist wie zusammen wandern oder kochen», so Dario. «Man ist ständig im Austausch, muss kommunizieren und koordinieren.»

Der Gedanke der Geselligkeit gehört mit zur Ursprungsidee der Gründer. Sie wollten etwas tun gegen die soziale Isolation von Gamer_innen. «Wer den Schritt vor die Haustür macht, der ist in der Regel auch korrekt angezogen, geduscht und bereit, sich mit der Welt zu unterhalten.» Zum Publikum gehören ebenso Kinder ab etwa 10 Jahren, meist noch in Begleitung, wie der rüstige Senior, der neben dem Plätscherbrunnen in Ruhe seinen Kaffee geniesst. «Die meisten Gäste sind irgendwo dazwischen und haben einen Draht zu E-Sports, zum Gaming», meint Dario. So auch jene, die den regelmässigen Events beiwohnen, die in der Lounge stattfinden. Einmal im Monat gibt’s «Just Dance», eine Art Karaoke – nur eben mit Tanzen statt Singen. Es gibt Pub-Quiz, Gaming-Turniere und auch offizielle Challenges, die bei Erupt ausgetragen und gestreamt werden.

Nebst dem sozialen Gedanken liegt Erupt auch die Aufklärung in Sachen Gaming am Herzen – sei es für Eltern, Lehrpersonen oder auch Fachleute. Matthew und Dario verstehen gut, dass Gaming gerade den Eltern Angst macht. Aber sie sind auch davon überzeugt, dass die Angst nicht zuletzt auf Unwissen und Unkenntnis beruht. Ihr Rat: «Setzen Sie sich mal vor den Bildschirm mit dem Sohn oder der Tochter – und zocken Sie ein bisschen mit.»

 

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Dario Kvasnicka hat an der Unifr Rechts­wissenschaften studiert – er hat gerade seine letzte Master-Prüfung abgelegt. Auch Matthew Wildhaber hat an der Unifr abgeschlossen, und zwar mit einem Bachelor in Betriebswirtschaftslehre. Beide stammen aus Bern.

Die Erupt Lounge wurde am 4. März 2022 mit dem Hauptpreis des Prix Effort 2021 ausgezeichnet. Der mit 10’000 Franken dotierte Preis der Burgergemeinde Bern wird alljährlich vergeben und belohnt «Efforts» aus den Bereichen Kultur, Soziales, Design, Sport oder Wissenschaft.