Publikationsdatum 23.10.2007

Gibt es ein Spiegelbild von unserem Universum?


Die moderne Physik unterscheidet vier fundamentale Kräfte, welche allen Phänomenen unseres Universums zugrunde liegen. Die Schwerkraft und die elektromagnetische Kraft sind im Alltagsleben wohlbekannt. Auf der subatomaren Ebene hält die sogenannte starke Kraft die Atomkerne zusammen, während die schwache Kraft für gewisse Formen der Radioaktivität verantwortlich ist. Seit einem halben Jahrhundert wissen wir, dass die schwache Kraft nur auf die linkshändigen Varianten von gewissen Elementarteilchen wirkt. Die Entdeckung dieser Verletzung der Spiegelsymmetrie wurde 1957 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Um eine globale Links-Rechts-Symmetrie der Welt wieder herzustellen, haben Physiker über die Existenz eines Universums spekuliert, welches eine Spiegelkopie unseres eigenen Universums ist, und in dem die schwache Kraft nur mit rechtshändigen Teilchen wechselwirkt. Die beiden Universen durchdringen sich, doch die Galaxien, Sterne und Planeten darin sind unterschiedlich verteilt. Zudem können die beiden Universen nur über die Schwerkraft miteinander wechselwirken. Unter gewissen Bedingungen kann zwischen ihnen ein Austausch von Elementarteilchen stattfinden.

Die Hypothese eines Spiegeluniversums folgt aus einem allgemeinen physikalischen Prinzip, nach dem jedes System oder Phänomen, das nicht durch Naturgesetze verboten ist, (im Prinzip) existieren kann. Aber nur Experimente können entscheiden, ob es ein solches System in der Natur auch wirklich gibt. Die Forschungsgruppe von Prof. Antoine Weis (Dr. Paul Knowles, Martin Rebetez) am Departement für Physik ist in einer internationalen Kollaboration an einem solchen Experiment am Institut Laue-Langevin in Grenoble beteiligt. In diesem Experiment sucht man nach einem Hinweis für das Verschwinden von ultrakalten Neutronen in das Spiegeluniversum. Erste Resultate wurden kürzlich in der Zeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht. Sie zeigen, dass der Übergang eines Neutrons in die Spiegelwelt, sofern er denn stattfindet, mehr als 100 Sekunden braucht. Zukünftige Messungen an der zurzeit am Paul Scherrer Institut in Villigen gebauten Quelle für ultrakalte Neutronen werden eine genauere Bestimmung dieser Zeitskala erlauben.


Kontakt: Prof. Antoine Weis, antoine.weis@unifr.ch

G. Ban et al., Direct Experimental Limit on Neutron–Mirror-Neutron Oscillations, Phys. Rev. Lett. 99 (2007) 161603, http://dx.doi.org/10.1103/PhysRevLett.99.161603
http://en.wikipedia.org/wiki/Mirror_matter#_note-bad