RaubjournalePublié le 05.11.2025
Die Schattenindustrie der Wissenschaft
Sogenannte Paper Mills und Raubjournale bedrohen die Integrität der Forschung. Gefälschte Studien und gekaufte Publikationen untergraben das Vertrauen in Wissenschaft und Qualitätssicherung. Wie funktioniert diese Schattenindustrie, und was können wir dagegen tun?
Haben Sie als Forscherin oder Forscher auch schon ein Angebot bekommen, einen Artikel gegen eine «Bearbeitungsgebühr» von 5000 Dollar beschleunigt zu begutachten und in einem renommierten Journal zu platzieren? Solche «Angebote» sind Ausdruck einer wachsenden Schattenindustrie, die die Wissenschaft in ihrer Glaubwürdigkeit untergraben und schwächen. Dazu gehören die sogenannten Paper Mills, aber auch Raubjournale («Predatory Journals»).
Wie funktionieren Paper Mills und Predatory Journals?
Für einige tausend Franken liefern Paper Mills «fertige» Publikationen, oft inklusive erfundener Daten, manipulierter Bilder und fingierter Begutachtungsverfahren (Peer-Reviews). Die Kundschaft besteht meist aus Forschenden, die unter enormem Publikationsdruck stehen.
Predatory Journals versprechen ein Peer-Review, führen es jedoch ungenügend oder gar nicht durch. Dazu gehören zahlreiche Spezialausgaben, mit denen manche Journals und Verlage den Markt regelrecht überschwemmen. Diese «Special Issues» dienen oft nicht der vertieften Auseinandersetzung mit einem Fachgebiet, sondern der kostenpflichtigen Publikation von kaum oder gar nicht begutachteten Artikeln.
Meist erscheinen diese Zeitschriften digital und als Open-Access und haben renommiert klingende Namen – es sind aber reine Geldfabriken. Schätzungen gehen von global weit mehr als 10'000 Predatory Journals aus.
Industrielles Ausmass des Betrugs
Reese A. K. Richardson und ihr Team zeigten kürzlich in einem lesenswerten Artikel, veröffentlicht in der Fachzeitschrift PNAS und zusammengefasst in diesem Blog-Artikel, das riesige Ausmass des organisierten Betrugs. Dieser umfasst international aktive organisierte Netzwerke verschiedener Akteure: Fachjournale, Verlage, Vermittlungspersonen und Autor_innen. Richardson und ihr Team konnten beispielsweise nachweisen, dass Bildduplikationen Tausende von Artikeln umfassen, die oft zur gleichen Zeit in denselben Fachzeitschriften erscheinen. Dies deutet darauf hin, dass Paper Mills nicht nur einzelne Artikel produzieren, sondern ganze Pakete koordinierter Publikationen und dabei mit Verlagen zusammenarbeiten.
Was können Forschende tun?
Der Aufruf von Reese Richardson ist eindringlich: Wir brauchen eine Wissenschaft, die von Kooperation statt Konkurrenz, von echter Erkenntnis statt von Show geprägt ist. Wichtig ist auch, dass insbesondere Nachwuchswissenschafter_innen lernen, zwischen legitimen und betrügerischen Publishers und Zeitschriften zu unterscheiden. Hilfe können Listen wie die Beall’s List oder die Initiative ThinkCheckSubmit anbieten.
Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) hat bereits vor zwei Jahren reagiert und mitgeteilt, dass er Open-Access-Publikationen in Spezialausgaben nicht mehr finanziert.
Die Universität Freiburg erarbeitet zurzeit einen Code of Conduct zur wissenschaftlichen Integrität, der bald veröffentlicht werden wird und der die für uns wichtigen Punkte der guten wissenschaftlichen Praxis zusammenfasst. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.
