Edition der Pindar-Scholien mit deutscher Erstübersetzung und Erläuterungen
Ziel dieses Editionsprojekts ist es, eine neue, zuverlässige Textgrundlage der Scholien zu Pindars Epinikien zu erarbeiten. Sie basiert auf den von der heutigen Forschung als verbindlich angesehenen Handschriften des Pindartexts. Diesem auf den neuesten Erkenntnissen fussenden Originaltext wird eine Übersetzung in eine moderne Sprache (Deutsch) beigegeben, um das Werk einem breiten Leserkreis zugänglich zu machen. Dabei werden die zum Verständnis der schwierigen Scholiensprache notwendigen Erläuterungen in Form von kurzen Anmerkungen beigefügt.
Forschungsstand
Die bis heute massgebende griechische Textausgabe der Pindar-Scholien ist jene von A.B. Drachmann in drei Bänden (1903–1927). Sie beruht auf den Handschriften und der Textdarstellung nach Kola, die T. Mommsen seiner Pindar-Ausgabe zugrunde legte (1864). Heute ist nicht nur Mommsens Text und seine Handschriftenauswahl überholt, sondern auch die Zitierweise nach Kola; zudem sind die Zitatnachweise in Drachmanns Ausgabe veraltet. Als neue Textgrundlage für die pindarischen Epinikien hat sich die Teubneredition von H. Maehler etabliert (Leipzig 1987), die auf 15 Haupthandschriften basiert. Neben der Arbeit am Pindartext selbst sind aber auch im Bereich der Überlieferungsgeschichte antiker Texte sowie der Editionstechnik (insbesondere von Fachliteratur) grosse Fortschritte erzielt worden, so dass Drachmanns Scholien-Ausgabe nunmehr als völlig überholt gilt.
Editionsprinzipien
Die hier angestrebte Neuedition der Pindar-Scholien geht von den Haupthandschriften des Pindartextes aus, auf welchen Maehlers Edition von Pindars Epinikien beruht. Damit wird eine vollständige Übereinstimmung zwischen den Überlieferungsträgern von Pindars Text und den Scholien erreicht. Folgende moderne Editionsprinzipien kommen dabei zur Anwendung:
– Konstitution des griechischen Textes, der auf den heute für Pindars Epinikien verbindlichen Haupthandschriften basiert.
– Darstellung der Scholien nach den Editionsprinzipien neuer Scholien-Ausgaben (z.B. M.R. Dilts, Scholia in Aeschinem, Stuttgart/Leipzig 1992; F. Pontani, Scholia graeca in Odysseam, Rom 2007–).
– Struktur nach Lemmata und deren Nummerierung nach Versen.
– Positiv gestalteter kritischer Apparat, der abweichende Lesarten und Konjekturen erfasst.
– Deutsche Übersetzung.
– Anmerkungsapparat als Verständnishilfe (Sprache und Inhalt).
Arbeitsplan
Dem Editionsprojekt liegt ein mehrstufiger Arbeitsplan zugrunde: Da Pindars Isthmien und Nemeen zum allergrössten Teil in nur zwei Handschriften überliefert sind, werden die Scholien zu diesen beiden Epinikien-Büchern als erstes ediert und übersetzt. Für die anderen Bücher müssen die Haupthandschriften, die von Drachmann nicht oder nur zum Teil herangezogen wurden, neu kollationiert werden. Auf dieser Grundlage können dann die Pythien und zuletzt die Olympien, deren handschriftliche Überlieferung am komplexesten ist, bearbeitet werden. Der Arbeitsplan schreitet somit vom einfacheren Scholienbestand der Isthmien und Nemeen zum schwierigeren der Pythien und Olympien vor.
Bedeutsamkeit des Editionsprojekts
Die geplante Edition in vier Bänden (gegliedert nach der traditionellen Einteilung der pindarischen Epinikien) hat den Anspruch, zur neuen Standardedition für die Pindar-Scholien zu werden, indem sie eine verlässliche Textgrundlage mit Übersetzung schafft und dadurch ein längst erkanntes Desiderat erfüllt. Dabei tragen die Scholien an manchen bis in die moderne Forschung umstrittenen Stellen zu einem besseren Verständnis der Schwierigkeiten bei, die der Pindartext aufwirft, und schärfen zugleich den Blick für die Arbeitsweise antiker Exegeten sowie für deren – manchmal unerwartet grossen – Einfluss auf die neuzeitlichen Philologen. Dank der Übersetzung mit Erläuterungen werden die Pindar-Scholien, die in der bislang greifbaren Edition nur von Gräzisten konsultiert werden können, erstmals einer breiten Leserschaft zugänglich gemacht. Davon werden insbesondere all jene profitieren, die sich für die Wertvorstellungen und die Sozialgeschichte der antiken Sportwelt interessieren. Zugleich enthalten die Scholien aber auch zahlreiche Fragmente griechischer Historiker, die sich sowohl auf die mythische Vergangenheit als auch auf zeitgenössische Ereignisse beziehen. Für die Literaturwissenschaft andererseits sind die Pindar-Scholien, neben ihren sprachlichen Erklärungen, als Textsorte an sich interessant, da nur sie die Gelehrsamkeit der antiken Pindar-Kommentare bewahrt haben. So wird diese Edition nicht nur die Grundlage für vertiefte Studien zu den Pindar-Scholien bilden, sondern auch die Auseinandersetzung mit diesem für die Altertumswissenschaften bedeutenden antiken Erbe fördern.
Kontakt
Dr. Arlette Neumann-Hartmann (arlette.neumann-hartmann@unifr.ch)
PD Dr. Orlando Poltera (orlando.poltera@unifr.ch)
Prof. Dr. Thomas Schmidt