Zwischen Opferdiplomatie und Entschädigungsforderungen. Das Verhalten der Schweizer Behörden gegenüber den Schweizer Opfern der NS-Gewaltherrschaft und ihr Umgang mit den deutschen Behörden, 1933-1965

 

Verantwortliche Gesuchstellerin

Prof. Dr. Christina Späti

 

Das Forschungsprojekt trägt zur internationalen NS- und Holocaustforschung sowie zur Nachgeschichte des NS und des Holocaust bei. Ziel ist die Untersuchung der folgenden Fragen: Welche Handlungen unternahmen die Schweizer Behörden als Repräsentanten eines neutralen Staats in der Zeit zwischen 1933 und 1945, um schweizerische Opfer der NS-Gewaltherrschaft zu schützen, und welche Motive und Leitlinien lagen den Handlungen zugrunde? Welche Einschätzungen und Handlungsweisen nahmen die Schweizer Behörden nach dem Zweiten Weltkrieg im Zusammenhang mit entschädigungspolitischen Fragen vor? Und schliesslich: wer waren die Schweizer Opfer der NS-Gewaltherrschaft und wie gestaltete sich ihre Verfolgung?

Entsprechend konzentriert sich die Forschungsarbeit erstens auf die Diplomaten und Behörden, die mit dem Opferschutz betraut waren, auf deren Meinungen und Einstellungen wie auch deren Handlungsweisen. Zweitens geht es um die Art und Weise, wie die Frage der Entschädigung nach dem Zweiten Weltkrieg debattiert und wie mit den ehemaligen Opfern der NS-Gewaltherrschaft umgegangen wurde. Drittens geht es um die Identifizierung und Kategorisierung der NS-Opfer, wobei sowohl auf Kategorisierungen der bisherigen NS-Forschung wie auf Opfer-Definitionen im Zusammenhang mit der Entschädigungspolitik zurückgegriffen wird.

Das Forschungsprojekt wird im Rahmen einer Dissertation (Teilprojekt A) und eines Postdoc-Projekts (Teilprojekt B) durchgeführt. Das Teilprojekt A untersucht den Opferschutz der Schweizer Diplomaten in Frankreich, dem Land, wo sich neben der Botschaft in Vichy zahlreiche weitere Schweizer Konsulate befanden und wo die meisten Schweizer NS-Opfer zu Schaden kamen. Das Teilprojekt B steht insofern vor einer etwas komplexeren Aufgabe, als es neben dem deutschen Reich auch noch die anderen von den Nationalsozialisten besetzten Länder und den dortigen Opferschutz durch die Schweizer Behörden untersucht. Beide Projekte beziehen für ihre Falluntersuchungen auch die entschädigungspolitischen Debatten und Aktivitäten in den 1950er und 1960er Jahren ein, ebenso wie die Identifizierung und Kategorisierung der Schweizer NS-Opfer in den entsprechenden Staaten.

Die Forschungsarbeit stützt sich hauptsächlich auf einen umfassenden, bisher kaum bearbeiteten Quellenkorpus im Schweizerischen Bundesarchiv. Einerseits handelt es sich um die Akten der Auslandvertretungen der Schweiz zwischen 1933 und 1945. Andererseits geht es um Bestände, die im Zusammenhang mit den Verhandlungen der Schweiz mit der Bundesrepublik Deutschland um Entschädigung für Schweizer NS-Opfer angelegt wurden, welche auch die Unterlagen der mit der Allokation der Entschädigungsgelder befassten Kommission für Vorauszahlungen an schweizerische Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (KNV) umfassen. Zusätzlich werden Deportiertenlisten, Datenbanken von Holocaust-Gedenkstätten und weitere Archive im Ausland konsultiert. Es soll eine umfassende Datenbank erstellt werden, die die verschiedenen Opfer und deren Verfolgungsgeschichten in knapper Form erfasst. Diese soll den Grundstein für eine Implementierung der Forschungsergebnisse für eine breitere Öffentlichkeit legen.

Das Forschungsprojekt wird mit der Analyse der Handlungsspielräume der Schweizer Akteure beim Opferschutz, dem Nachzeichnen des spezifisch schweizerischen Umgangs mit Entschädigungsfragen sowie mit der Identifizierung und Kategorisierung der schweizerischen NS-Opfer wichtige Forschungsdesiderate füllen. Die Relevanz des Projekts wird in jüngster Zeit im Zusammenhang mit dem von breiten gesellschaftlichen Kreisen unterstützten Projekt der Schaffung eines nationalen Gedenkortes für die Opfer des Nationalsozialismus nochmals verstärkt.

Seminari di Dodis: Opferschutz und Entschädigungsfragen

Eine Projektvorstellung von Fabienne Meyer und Karlo Ruzicic-Kessler

Kontaktpersonen

Prof. Dr. Christina Späti

Universität Freiburg
Departement für Zeitgeschichte
MIS 05 bu. 5124
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Dr. Karlo Ruzicic-Kessler

Universität Freiburg
Departement für Zeitgeschichte
MIS 05 bu. 5118
Av. de l'Europe 20
1700 Fribourg
 +41 26 300 78 26
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Fabienne Meyer

Universität Freiburg
Departement für Zeitgeschichte
MIS 05 bu. 5118
Av. de l'Europe 20
1700 Fribourg
 +41 26 300 79 96
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