04.12.2013

Kantonale Haushaltsregeln: Wer verfügt über die finanzielle Kontrolle?


Garantiert ein starker Haushaltsrahmen den Kantonen gute Finanzergebnisse? Eine Doktorarbeit, die am Lehrstuhl für öffentliche Finanzen an der Universität Freiburg durchgeführt wurde, zeigt die Verbindungen zwischen beiden Aspekten, und welche anderen Faktoren in Frage kommen können. Dank einem präzisen Indikator, der für die 26 Kantone während der letzten 25 Jahren realisiert wurde, hat Nadia Yerly, Diplomassistentin am Lehrstuhl für öffentliche Finanzen, eine umfassende Übersicht zu den einzigartigen kantonalen Haushaltsregeln in der Schweiz.


Bild: Thinkstock

Die Arbeit von Nadia Yerly ermöglicht es nun jedem Kanton, über eine Bewertung seiner Haushaltsdisziplin der letzten 25 Jahre zu verfügen. Die junge Forscherin in Wirtschafts-und Sozialwissenschaften hat ihre Doktorarbeit der Konzeption eines Indikators gewidmet, der die Haushaltsrahmen aller Kantone beurteilt, um deren finanzielle Resultate zu garantieren. «Vor der Beobachtung der Finanzergebnisse wollte ich die institutionellen Rahmenbedingungen untersuchen. Seit den 1980er-Jahren wurde eine Vielzahl von Rechtsgrundlagen entwickelt: Die meisten Kantone verfügen über einen Gesetzesartikel, der präzisiert, dass Finanzen oder laufende Rechnung mittelfristig ausgeglichen sein müssen. Einige gehen gar noch einen Schritt weiter, indem sie Mechanismen schaffen: Sogenannte „Schulden-“, „Defizit- “ oder sogar „Ausgaben-Bremsen“. Diese Vielzahl von Mechanismen verwandeln die Schweizer Kantone in ein faszinierendes Beobachtungslabor. Tatsächlich bilden sie beinahe 26 kleine Länder, was zur Folge hat, dass nahezu gleichviele Vorschriften für die Haushaltsdisziplin wie Kantone existieren. Daher habe ich mich auf jede der kantonalen Rahmenbedingungen konzentriert, um zu überprüfen, ob sie eher eine strenge oder flexible Disziplin festlegen», sagt Nadia Yerly.

Auf der Basis der goldenen Regel


Um ihren Indikator zu etablieren, hat sich Nadia Yerly auf die goldene Regel der öffentlichen Finanzen gestützt, die von Professor Bernard Dafflon überarbeitet wurde, und unter dessen Leitung die Doktorarbeit verfasst wurde. Diese Regel legt fest, dass beispielsweise im Vergleich zu den amerikanischen Staaten kleine Gemeinschaften wie die Schweizer Kantone schwankende Investitionsstrukturen im Laufe der Zeit gewärtigen können. Eine Kreditaufnahme kann gerechtfertigt sein, aber lediglich für Investitionen und unter der Bedingung, dass eine kohärente Abschreibungspolitik eingehalten wird. Mit Hilfe einer Serie von sechs Fragen hat Nadia Yerly die Gesetze zerlegt und auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten der sparsamen Haushaltsführung zugeordnet.



Landkarte der kantonalen Haushalte 2011 >Auf Bild klicken

 Im Jahr 2011, dem letzten analysierten Jahr, belegten St. Gallen, Wallis, Solothurn, Basel-Land sowie Bern und Freiburg gleichermassen die Top-5-Plätze des Indikators. Nadia Yerly präzisiert: «Das sind die Kantone mit den strengsten Regeln. Wir können aus dieser Analyse schliessen, dass im Allgemeinen strenge Haushaltsregeln bei der gesamten Palette der Kantone zu einer niedrigeren Verschuldung führen. Allerdings ist es notwendig, im Anschluss jeden Haushaltsrahmen den effektiven Resultaten gegenüberzustellen, da andere Variablen, wie etwa der Zugang zum Finanzreferendum, berücksichtigt werden müssen. Appenzell Innerrhoden ist beispielsweise der letzte Kanton, der bis 2011 immer noch ohne Haushaltsregel ausgestattet war; dennoch ist AI nicht derjenige Kanton mit den schlechtesten Ergebnissen.» Nur sieben Kantone belegen die oberen Plätze der Rangliste mit mehr als 50 Punkten.

Nadia Yerly möchte nun ihren Indikator in Form einer interaktiven Plattform anbieten, die jährlich aktualisiert wird, um den Kantonen die Beobachtung des Phänomens zu ermöglichen. Auf dieser Grundlage kann sie auch eine Auseinandersetzung mit den Finanzergebnissen der einzelnen Kantone anbieten sowie ihr Fachwissen, um die Anpassung der Rechtgrundlagen zu begleiten und/oder auf anderen Ebenen zu intervenieren. Einige deutsche Bundesländer sind bereits an dieser Methode interessiert.


Kontakt:

Nadia Yerly, Departement für Volkswirtschaft, Lehrstuhl für öffentliche Finanzen, nadia.yerly@unifr.ch, 026 300 93 84