Biologie21.12.2015

Regenerationswunder im Tierreich


Der Wurm mit dem stattlichen Namen Symsagittifera roscoffensis ist zu Erstaunlichem fähig: Nicht nur wächst dem Urtier nach einer Enthauptung der Kopf nach; auch die zuvor beherrschten Fähigkeiten kehren grösstenteils zurück. Prof. Simon Sprechers Forschung an der Universität Freiburg beweist das Vorhandensein eines Gehirns beim S. roscoffensis und analysiert die Regenerationsfähigkeit und das Verhalten dieser Tiere.


Symsagittifera roscoffensis vor der bretonischen Küste bei Roscoff.

Die Regenerationsfähigkeit des Symsagittifera roscoffensis, einem plattwurmähnlichen Organismus aus der Klasse der Acoelen, ist kaum zu toppen: Schneidet man dem Wurm den Kopf weg, wächst innert 3-5 Wochen ein neuer Kopf nach. Prof. Simon Sprecher hat das Experiment durchgeführt um zu testen, welche Fähigkeiten die Würmer nach erfolgter Enthauptung wiedererlangen.

Untersucht hat der Biologe der Universität Freiburg drei Verhaltensweisen: Die Bewegung zum Licht hin, das Schwimmen nach unten und die Körperkontraktion bei heftigem Schüttelstimulus. Prof. Sprecher hat den Verhaltenstest sowohl am intakten Organismus vor der Enthauptung, am Wurm ohne Kopf und am Wurm mit nachgewachsenem Kopf durchgeführt. Kopflos waren die Würmer einzig noch in der Lage sich zusammenzuziehen, wenn sie geschüttelt werden – diese Reaktion ist also nicht an ein Hirn gekoppelt. Die rasche Verschiebung zum Licht hin (Phototaxis) unternahmen sie sofort nach der Regeneration des Kopfes wieder, wenn auch etwas langsamer. Die Abwärtsbewegung im Wasser (Geotaxis) allerdings blieb gänzlich aus.

Im Rahmen der Verhaltenstests an den Acoelen hat Sprecher auch aufgezeigt, dass die evolutionsbiologisch gesehen wohl ältesten Tiere tatsächlich über ein Gehirn verfügen. Es ist ihm gelungen, mit einem neuen Marker das gesamte Nervennetz anzufärben und anhand der Struktur klar das Vorhandensein eines Gehirns zu identifizieren.

Die Forschungsresultate machen deutlich, dass die Regeneration des Kopfes, der Sinnesorgane und des Gehirns zu einem Wiedererlangen des Orientierungsverhaltens führt, was wiederum auf eine enge Koordination zwischen der Regeneration gewisser Sinnesorgane mit den damit verbundenen neuronalen Netzwerken schliessen lässt. Damit lässt sich auch erklären, weshalb beim S. roscoffensis nicht alle Verhaltensweisen zur selben Zeit und im selben Ausmass zurückkommen nach der Enthauptung. Die Ergebnisse zeigen, dass auch komplexe Organsysteme wie das Gehirn in einem ausgewachsenen Tier komplett regenerieren und ihre Funktionsfähigkeit wieder erlangen können. Weitere Studien werden sich nun damit befassen, molekular und genetisch die Mechanismen der Gehirnregeneration zu untersuchen, um zu erfahren wieso Acoelen sich fast vollständig regenerieren können und der Mensch nur in sehr beschränktem Masse.

Prof. Sprechers Arbeit konzentriert sich auf die Erforschung des Gehirns, dessen Funktionsweisen noch immer zum grössten Teil unverstanden sind.

Die Forschungsresultate zum Symsagittifera roscoffensis wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Biology Open publiziert.