11.06.2013

Wenn Unsichtbares sichtbar wird: Auf den Spuren eines Moleküls


Forschern am Chemiedepartement der Universität Freiburg ist es gelungen, mit Hilfe eines eigens entwickelten Elektronenspektrometers Daten bezüglich der Reaktionsdynamik des Moleküls Acrylnitril zu messen und in einem zweidimensionalen farbigen Bild zu präsentieren.


Bild: Thinkstock

Alles ist Chemie: Das Leben, die Natur und die Technik basieren vorwiegend auf kompliziert zusammengesetzten chemischen Umwandlungen, den chemischen Reaktionen, wobei Atome umgeordnet werden und die Moleküle ihre Struktur ändern. Energie spielt dabei eine zentrale Rolle, denn die chemische Reaktion ist vergleichbar mit einer Wanderung in der hügeligen Landschaft der Freiburger Voralpen. Zunächst muss Energie investiert werden, damit die Atome auf einen Pass klettern, um auf der anderen Seite (zu einer anderen Struktur) herunterzukommen. Die „Landschaft“, in der sich die Atome bewegen, wird Potentialfläche genannt. Michael Allan, assoziierter Professor am Departement für Chemie an der Universität Freiburg, und sein Team interessierten sich dafür, welchen von den vielen möglichen Wegen die Atome nehmen und welches das Höhenprofil der Potentialfläche ist.

Kaum sichtbare Prozesse

Während spektroskopische Methoden es erlauben, Moleküle vor oder nach der chemischen Umwandlung zu charakterisieren, ist es schwierig, die Bewegung der Atome während ihrer „Wanderung“ experimentell zu verfolgen. Einerseits weil die Bewegung unvorstellbar rasch ist und andererseits weil die meisten spektroskopischen Methoden eine Einschränkung haben: Sie können (energetisch gesehen) zwar vertikale, nicht aber seitwärts gerichtete Bewegungen der Atome verfolgen. „Bei unserem Experiment haben wir diese Probleme umgangen, indem wir uns das Phänomen des spontanen Elektronenverlusts, des so genannten autodetachment, zu Nutze machten“, erläutert Michael Allan. Dabei haben die Wissenschaftler dem Molekül Acrylnitril ein zusätzliches Elektron angehängt, so dass ein negatives Ion (Anion) entstand. Anionen verlieren während der Reaktion spontan und kontinuierlich die zusätzlichen Elektronen und hinterlassen somit eine messbare „Spur“, die zeigt, welchen Weg sie gegangen sind.


Die zweidimensionale Elektronenspektroskopie zeigt den Verlust von Elektronen als messbare "Spur" auf. Die Forscher konnten dadurch nachvollziehen, welchen Weg das Molekül Acrylnitril bei einer chemischen Reaktion geht. (Zum Vergrössern klicken)


Schlüsselrolle der technischen Entwicklung


Das an der Universität Freiburg entwickelte Elektronenspektrometer, welches der Energie- und Richtungsanalyse von Elektronen dient, spielte bei den Messungen der ausgesandten Elektronen eine Schlüsselrolle, da dessen Auflösungsvermögen sowie weitere technische Parameter die Messungen erst möglich gemacht haben. Das Molekül Acrylnitril wurde im interstellaren Raum gefunden und wird als wichtig für die präbiotische Synthese betrachtet. Gerade um die Aussagekräftigkeit der zweidimensionalen Elektronenspektroskopie bei der Untersuchung der Reaktionsdynamik zu demonstrieren, sind die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit von grosser Bedeutung. Die „Freiburger“ Methode kann nun auch an anderen Molekülen zur Anwendung kommen.

Die Resultate wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Physical Review Letters publiziert:
http://prl.aps.org/abstract/PRL/v110/i20/e203201

Kontakt: Prof. Michael Allan, Departement für Chemie, Universität Freiburg, 026 300 87 06/04, michael.allan@unifr.ch