16.05.2013

Mit umprogrammierten Zellen den Darmkrebs bekämpfen


Durch die Beobachtung des Verhaltens zytotoxischer T-Lymphozyten im Kampf gegen eine Salmonelleninfektion machte die Forschungsgruppe der Pharmakologie unter der Leitung von Prof. Carole Bourquin der Universität Freiburg eine interessante Entdeckung: In Zusammenarbeit mit der Ludwig-Maximilians-Universität München fanden die Wissenschaftler heraus, wie das Immunsystem gegen Tumore des Magen-Darm-Trakts stimuliert werden kann.


Die Arbeit im Labor brachte eine überraschende Erkenntnis zur Zellmigration in den Blutbahnen (Foto: Carole Bourquin).

Das Immunsystem ist unser Abwehrschild gegen Infektionen und besteht unter anderem aus 10(hoch)11 Lymphozyten. Diese Zellen sind so programmiert, dass jede von ihnen eine ganz bestimmte Infektion erkennen kann. Im Allgemeinen zirkulieren die Lymphozyten in Blut- und Lymphbahnen. Tritt nun eine Infektion auf, ändern ein paar tausend Lymphozyten augenblicklich ihre Route und wandern zur betroffenen Stelle. Im Rahmen einer Beobachtung der Migration von zytotoxischen T-Lymphozyten, die darauf programmiert sind Infektionen des Verdauungstrakts mit Salmonellen zu erkennen und zu bekämpfen, kamen die Forschenden der Arbeitsgruppe von Prof. Carole Bourquin des Lehrstuhls für Pharmakologie der Universität Freiburg und der Ludwig-Maximilians-Universität München zu einer überraschenden Erkenntnis.

Eintritt verboten


Die Zellmigration an und für sich ist ein bekanntes Phänomen. Was aber geschieht mit denjenigen Zellen, die nicht von der Infektion betroffen sind? «Wir haben festgestellt, dass diesen Zellen während der ganzen infektiösen Periode der Eintritt in den Verdauungstrakt verweigert wird“, sagt Pharmakologin Carole Bourquin. „Unserer Hypothese zufolge sind sie nicht nur nutzlos bei der Infektionsbekämpfung, sondern könnten sogar schädlich sein. Einerseits müssen sie den betroffenen Zellen genügend Raum lassen um sich zu vermehren, und andererseits können sie aufgrund der leichten Aktivierung durch die umliegende Entzündung unspezifische Schädigungen bewirken sowie Autoimmunkrankheiten verursachen.» Was geschieht genau: Die Salmonellen bestehen aus Molekülen, die als Warnsignale funktionieren. Wenn nun die T-Lymphozyten diese Signale wahrnehmen, werden diejenigen Proteine verändert, welche die T-Lymphozyten umhüllen und wie ein Adressierungssystem funktionieren. Die von der Infektion betroffenen Lymphozyten erhalten also ein neues Ziel, während die nicht betroffenen Zellen auf ihrer Oberfläche keine dieser Proteine mehr anzeigen, fast so, als ob sie den Zugangscode für den Verdauungstrakt verloren hätten.


Zirkulation der Lymphozyten: 1) circa 1010 T Lymphozyten im Blut, 2) 1 anti-Salmonellen Zelle per 105 T Lymphozyten, 3) Blutbahn, 4) Leber, Haut, andere Organe, 5) Darmtrakt, 6) Salmonelleninfektion, 7) Umleitung

Therapeutische Anwendungen


Bereits heute existiert ein Medikament, welches zur Behandlung bestimmter Autoimmunkrankheiten verwendet wird und auf das Adressierungsschema wirkt. Dieses Medikament könnte daher auch zur Stärkung des natürlichen Abwehrmechanismus verwendet werden. Die Forschungsgruppe von Prof. Carole Bourquin möchte aber noch weiter gehen: «Unser Labor arbeitet an einer auf das Immunsystem angelegten Behandlungsmethode von Magen-Darm-Krebs-Patienten. Wir prüfen, ob es möglich ist, die Zellen so umzuprogrammieren, dass sie den Krebs zahlreicher bekämpfen können. Oft scheitern Therapien weil sich der Tumor verteidigt und sich geschickt vor den Lymphozyten versteckt. Dank einer Neuprogrammierung der Adressierung der T-Lymphozyten sollten die Abwehrkräfte des Immunsystems stimuliert werden können».

Publikation:
TLR Activation Excludes Circulating Naive CD8+ T Cells from Gut-Associated Lymphoid Organs in Mice , The Journal of Immunology

Kontakt: Carole Bourquin, Lehrstuhl für Pharmakologie, 026 300 94 10, carole.bourquin@unifr.ch