Porträt

«Die perfekte Mutter gibt es nicht»

Nicht eins nach dem anderen, sondern alles auf einmal: Andrea Jansen stand bereits während ihres Studiums der Medien- und Kommunikationswissenschaften vor der grossen Kamera. Als Mutter und Unternehmerin hat sie auch heute mehrere Bälle in der Luft.

Andrea Jansen, Sie haben viele Kilometer zurückgelegt seit der Zeit an der Uni Freiburg. Wie weit weg erscheint das Studium?

Erstaunlicherweise nicht gar so weit weg. Es war eine sehr prägende Zeit, gerade die letzte Hürde mit der Liz-Arbeit ist mir noch sehr präsent. Nicht zuletzt, weil ich mich darin mit einem Thema befasste, das auch bei meiner Arbeit am Fernsehen sehr präsent war: Die Prominenz. Ich bewegte mich in zwei verschiedenen Welten: in der Uni und beim Fernsehen. Aber ich konnte die beiden Welten sehr gut verbinden.

Wie haben Sie den Sprung ans Fernsehen geschafft?

Es waren eher kleine Schritte als ein grosser Sprung. Angefangen habe ich mit einem Praktikum beim Schlittschuhclub Bern, wo ich wiederum andere Leute kennengelernt habe und so bin ich langsam in die Berner Journalist_innenkreise reingerutscht. Dann sah ich die Ausschreibung für die Sendung «Joya rennt» bei Sat.1 Schweiz – und habe mich beworben. Es folgten eine Einladung zum Casting – und die Zusage. Bei «Joya rennt» habe ich rund drei Jahre als Moderatorin und Redaktorin gearbeitet. Während dieser Zeit hat sich dann das Schweizer Fernsehen bei mir gemeldet.

Und das alles noch während dem Studium?

Ja, genau. Ich moderierte «Musicstar» und die Reisesendung «Einfach luxuriös», später dann «SF unterwegs». 2008 hatte ich nur wenige Engagements am Fernsehen und konnte endlich meine Liz-Arbeit schreiben.

Ein Glück fürs Studium, dieses ruhige Fernsehjahr.

Mir war immer klar, dass ich das Studium beenden will. Ganz ehrlich: Für meinen weiteren Werdegang war es nicht ausschlaggebend. Und bisher hat mich nie jemand nach meinem Liz gefragt. Aber mir war es wichtig, es zu beenden.

Warum?

Weil ich viel Zeit und Herzblut ins Studium gesteckt habe und es mir richtig schien, dieses auch zu Ende zu bringen. Richtig begriffen habe ich aber erst zum Schluss hin, was mir die Uni bei der Arbeit am Fernsehen bringen kann. Ich lernte ja die Theorie und konnte gleichzeitig praktische Erfahrungen in der Medienwelt sammeln. Diese Verbindung war Gold wert! Dadurch habe ich meinen Job viel besser verstanden. Ein grosses Glück war auch, dass Louis Bosshart zu meinen Professoren gehörte. Er war ja die grosse Koryphäe der Unterhaltungsbranche und hat diese Sparte des Journalismus nie als zweitrangig abgetan.

Standen Sie lieber auf der grossen Bühne oder auf einem staubigen Feld, wie etwa auf Reportage in Kambodscha?

Hat man das nicht gemerkt (lacht)? Ich habe mich ganz klar wohler gefühlt, wenn ich irgendwo in einer Hütte oder auf einem Feld mit jemandem über dessen Leben diskutieren und etwas über eine fremde Kultur erfahren konnte. Gleichzeitig waren die grossen Shows für mich auch eine Herausforderung. Da musste ich raus aus meiner Komfortzone und rein ins Rampenlicht, da ging es darum, den Mund aufzukriegen im Wissen, dass 800’000 Leute zuschauen.

Als Mutter und Unternehmerin stehen Sie heute auf einer ganz anderen Bühne – oder besser gesagt Plattform.

2016 habe ich den Blog «anyworkingmom.com» gegründet. Daraus wurde mittlerweile die Web-Plattform «Mal ehrlich by Any Working Mom», die monatlich um die 50’000 Leute erreicht. Nach dem Motto «mal ehrlich» wollen wir ein realistischeres Bild des Elternseins aufzeigen. Wir schreiben über die schönen, aber auch über die stressigen und nervigen Seiten des Elternseins – mitbedingt durch die staatlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz. Und streben natürlich auch Verbesserungen an.

Als Mutter von drei Kindern und Chefin einer Web-Plattform für Eltern stehen Sie auch heute zwischen zwei Welten – ein Balanceakt?

Natürlich. Ein wackliger. Man spricht von Vereinbarkeit, aber eigentlich müsste es «Unvereinbarkeit» heissen – jemand oder etwas kommt immer zu kurz, und oft sind das meine persönlichen Bedürfnisse. Aber ich liebe beide Welten und möchte keine missen. Dank viel Hilfe von Aussen habe ich bei all dem Stress auch immer sehr viel Freude.

Sie haben Verbesserungen der Rahmenbedingungen für Eltern angesprochen. Woran denken Sie konkret?

Wir brauchen Elternzeit. Dies würde Männern und Frauen einen gleichberechtigten Start ins Elternsein ermöglichen. Wir brauchen mehr qualitativ gute Kinderbetreuung, die bezahlbar ist. So dass Frauen nicht gezwungen sind, daheim zu bleiben und nach zwei Jahren zu merken, dass es viel schwieriger ist, als Mutter wieder einen tollen Job zu finden. Last but most important: Wir müssen die perfekte Mutter abschaffen.

Bitte?

Die perfekte Mutter gibt es nicht. Daheim stets aufopfernd und verständnisvoll, nie die Nerven verlierend, dazu hübsch, erfolgreich im Job, intelligent und humorvoll. Sie ist ein Hirngespinst in unseren Köpfen. Gleichzeitig orientieren wir – das heisst die Mütter – uns an diesem Bild und fühlen uns immer leicht ungenügend. Mir länge nie ganz. Wenn wir es schaffen, dieses konstruierte Bild auszuschalten, dann geht viel Druck weg. Und es werden Energien für anderes frei. Daran und dafür arbeite ich.

Andrea Jansen (39) hat an der Universität Freiburg Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie Zeitgeschichte studiert. Noch während des Studiums fand die gebürtige Bernerin den Weg zum Fernsehen und war mehrere Jahre fürs Schweizer Fernsehen tätig, unter anderem für die Sendungen «Einfach luxuriös», «Musicstar» und «Die grössten Schweizer Talente». 2016 hat Jansen die Web-Plattform Any Working Mom gegründet, die sie heute zum KMU ausgebaut hat. Andrea Jansen lebt im Raum Zürich und ist Mutter dreier Kinder.

anyworkingmom.com

Fotos STEMUTZ.COM