Publikationsdatum 07.05.2025
VAF: Heilpädagogik-Halbtag 2025
(Foto ©Unicom)
Am vergangenen 21. März fand der diesjährige Heilpädagogik-Halbtag der VAF in der PHBern statt. Und auch diesmal war das Thema von grosser Aktualität: „Gemeinsam gegen Missbrauch und Gewalt: Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung und/oder Autismus-Spektrum-Störung in institutionellen Kontexten“ lautete der Titel. Eine Referentin und ein Referent gestalteten den Nachmittag abwechselnd und beleuchteten die Materie aus verschiedenen Perspektiven.
Mireille Tabin arbeitet als Oberassistentin im Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Zürich; ihr Doktorat in Sonderpädagogik hat sie 2023 an der Universität Freiburg bei Professorin Geneviève Petitpierre gemacht. Schon in ihrer Dissertation beschäftigte sich Frau Tabin mit dem Thema der heutigen Tagung und kann daher als ausgewiesene Fachfrau auf diesem Gebiet angesehen werden. In einem ersten Teil ging sie auf die Definition, die Häufigkeiten und die Erscheinungsformen von Missbrauch und Gewalt gegenüber Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung und/oder ASS in institutionellen Settings ein. Dabei griff sie auf eigene Untersuchungen zurück und gab einen Überblick über internationale Forschungsergebnisse.
Aus der Bertoffenenperspektive erzählte Pierre Weber von seinen z.T. schlimmen Erfahrungen mit Misshandlungen und Demütigungen, die er im Lauf seiner Aufenthalte in drei verschiedenen Institutionen gemacht hat. Heute lebt Herr Weber selbstständig in einer Wohnung, ist Mitglied eines Selbstvertretungs-Komitees und arbeitet in verschiedenen Kursen in der Ausbildung von Sozialarbeiter:innen und Heilpädagog:innen (u.a. am Departement für Sonderpädagogik der Uni Freiburg) mit.
Nach der Pause, die den Teilnehmer:innen bei einer Tasse Kaffee Gelegenheit zu informellem Austausch bot, ging es im zweiten Teil der Veranstaltung um Prävention und Handlungsmöglichkeiten, um eine Kultur des Respekts und der Selbstbestimmung schaffen zu können. Dabei wurden konkrete Werkzeuge und Interventionen vorgestellt, die von Fachpersonen wie auch von Angehörigen genutzt werden können, um ein respektvolles und unterstützendes Umfeld zu gestalten, in welchem Missbrauch und Gewalt keinen Platz mehr haben. Pierre Weber legte in seinem Votum besonderes Gewicht darauf, auf Alarmzeichen zu achten, welche betroffene Personen möglicherweise aussenden, wenn sie sich nicht verbal äussern: Angst, Rückzug, selbstverletzendes Verhalten usw. In diesem Fall sei es äusserst wichtig, ein Klima des Vertrauens aufzubauen, die Person ernst zu nehmen und ihr zu glauben und ihre Aussagen nicht in Frage zu stellen.
In der abschliessenden Diskussion tauchten Fragen auf, welche konkrete Situationen in Schulen oder Institutionen betrafen.
Der Heilpädagogik-Halbtag 2025 vermochte den Teilnehmer:innen wertvolle Impulse zu vermitteln, von denen sie in ihrer täglichen Arbeit zweifellos profitieren können. Besonders die spannende Mischung von Theorie und persönlicher Erfahrung verlieh der Präsentation ein besonderes Gewicht und machte sie zu einer überaus bereichernden Erfahrung für alle Anwesenden. Die VAF bedankt sich ganz herzlich bei Mireille Tabin und Pierre Weber für ihr Engagement an diesem bemerkenswerten Nachmittag.
Martin Baumgartner
Vorstandsmitglied VAF