Am 14. September 2019 findet zum ersten Mal das MatheFest statt. Prof. Günter M. Ziegler von der Freien Universität Berlin wird dazu einen Vortrag zum Thema «Ist das falsch, oder ist das Kunst? Ein Blick durch die Brille der Mathematik» halten. Wir haben uns mit dem Star-Mathematiker über seine Leidenschaft für das Knobeln und die Zukunft der Mathematik ausgetauscht.
Günter Ziegler, die meisten würden die Mathematik wohl nicht als ihr Lieblingsfach in der Schule bezeichnen. Was finden Sie so faszinierend daran?
Mathematik ist unglaublich vielfältig. Ich liebe das Knobeln, also die Herausforderung, und die Bilder der Geometrie. Andere lieben Mathematik wegen ihrer Präzision oder weil sie so viel bewegt in der Welt. Es gibt also viele Gründe, die Mathematik zu lieben, oder zumindest Teile davon …
Warum haben viele Menschen Berührungsängste in Bezug auf Mathematik? Und gibt es einen Weg, diese abzubauen?
Mathematik ist schwierig. Das muss man erstmal zugeben, und dann eben die Herausforderung annehmen. Also besteht der Weg aus Einsicht und Akzeptanz und dann aus Mut und Ausdauer. Etwas Spielfreude hilft auch.
Big Data, Kryptowährungen … Die Digitalisierung ist auf dem Vormarsch. Kommt in der Mathematik als Basis dessen das Beste erst auf uns zu?
Wir leben in einer mathematischen Welt — und nicht nur die Natur, sondern auch die Technik, die uns umgibt, ist von Mathematik geprägt. Dazu zählen beispielsweise auch die Mobilfunkkommunikation, die Sicherheits- und Überwachungstechnik, und die Methoden für Navigation und Logistik.
Die Frage ist, ob wir überhaupt in der Lage sind zu entdecken, dass „Mathematik da drin steckt“, und ob wir dann die Möglichkeit nutzen, bewusst damit umzugehen: Dafür braucht man aber zumindest eine vage Vorstellung davon, was die Mathematik kann, die sich hinter der Technik verbirgt.
Prof. Günter M. Ziegler, Mathematikerm Technische Universität Berlin. Quelle: Sven Paustian/Piper Verlag
Gibt es mathematische Knacknüsse, die Sie nahezu in den Wahnsinn treiben?
Eines meiner Lieblingsprobleme ist das 3x+1 Problem, das aber auch unter vielen anderen Namen bekannt ist, etwa als das Collatz-Problem: Wenn man mit einer beliebigen natürlichen Zahl x startet, und sie halbiert, wenn sie gerade ist, sonst aber durch 3x+1 ersetzt, und das immer wieder wiederholt, kommt man dann in jedem Fall bei der 1 an?
Start mit der Zahl 42 ergibt zum Beispiel 21, dann 64, und dann 32, 16, 8, 4, 2, und 1.
Das stimmt für alle kleinen und mittelgroßen Startwerte, aber stimmt das für jeden beliebigen Startwert? Das ist ein ungelöstes Problem. Eines das ganz einfach und sehr speziell aussieht, aber für das ein vollständiger Beweis völlig außer Reichweite zu sein scheint.
Braucht die Welt mehr MatheFeste?
Ja, dringend. Wir haben der UNESCO vorgeschlagen, den 14. März offiziell zum Tag der Mathematik zu erklären (weil man ihn, in Anlehnung an die Kreiszahl Pi, in amerikanischer Schreibweise als 3/14 abkürzen kann). Das gäbe dann sogar einen jährlichen Mathematik-Feiertag!
Ihr Lieblingswitz über Mathematiker_innen?
Das ist die Geschichte, dass es keinen Nobelpreis für Mathematik gibt, weil ein Mathematiker Alfred Nobel die Frau ausgespannt hat. Das finde ich witzig, weil da ein Mathematiker mal den Romeo macht — gar nicht das übliche Klischee. (Die Geschichte ist erfunden: Nobel hatte nie eine Frau.)